Höher, schneller, weiter, besser? Im Frühjahr 2019 versteigert die Bundesnetzagentur Deutschlands Lizenzen für das neue Mobilfunknetz 5G. Über deren Bedeutung und Notwendigkeit haben Politiker, Unternehmen und Digital-Experten viel diskutiert, auch Klagen gegen die Versteigerungsauflagen sind eingegangen. Viel Wirbel also um das 5G-Netz. Aber was steckt eigentlich hinter 5G und was soll es verändern? Wir bieten eine Übersicht zum 5G-Netz und der Diskussion darüber.
Das 5G-Netz: die nächste Generation
5G steht für die 5. Generation in der mobilen Datenübertragung und ist der Nachfolger des jetzigen Standards 4G. Die neue Technologie soll das Versenden enormer Datenmengen in kürzester Zeit ermöglichen – bis zu 20-mal schneller als 4G. Aber 5G bietet nicht nur mehr Geschwindigkeit. Es glänzt außerdem durch extrem geringe Latenz, also minimaler Verzögerung bei der Datenübertragung, und schafft es, massive Liveübertragungen an Milliarden von Mobiltelefonen zu senden. Obendrein soll 5G in der Lage sein, den Energieverbrauch je übertragenem Bit zu senken und somit den Stromverbrauch im Mobilfunk um 90 Prozent zu minimieren.
Die bemerkenswert geringe Latenz unter einer Millisekunde erlaubt den Gebrauch von Anwendungen, die auf stabile Verbindungen mit hoher Reaktionsgeschwindigkeit angewiesen sind: Telechirurgie etwa, also die Operation an Patienten durch Ärzte, die sich in großer Entfernung aufhalten. Oder selbstfahrende Autos, die optimale Routen finden und den gesamten Straßenverkehr in ihre Berechnungen miteinbeziehen. „Heute sammeln wir Daten und werten sie danach aus. Mit 5G wird vieles in Echtzeit funktionieren. Denken wir nur an das Management von Stadtverkehr. Auch die Unterhaltungsindustrie wird da sehr schnell Anwendungen liefern: Spiele, VR-Filme und vieles mehr“, erklärt Zukunftsforscher Harry Gatterer („Future Room“).
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Was kann das 5G-Netz?
4G brachte uns 3D-Fernsehen, Streaming und die App-Revolution. Mit 5G soll der nächste Technologie-Sprung kommen, das Internet soll zunehmend durch Sensoren in der physischen Welt erweitert werden. Dem Internet der Dinge, der Vernetzung von allen häuslichen Geräten, wird durch die Technologie endgültig der Weg geebnet. Dieser Gedanke soll noch weiter geführt werden in sogenannten Smart Cities, in denen Fahrzeuge und Passanten verbunden sind und gemeinsam eine sichere, saubere und optimierte Umgebung schaffen. High-End Produktionsstätten, die die an den Maschinen nötigen Reparaturen vorhersehen und selbst in die Wege leiten, sind nicht mehr reine Zukunftsmusik. Aber: Dafür muss das 5G-Netz erstmal in Deutschland geschaffen werden.
Wie funktioniert die 5G-Technologie?
Die technischen Anforderungen, die laut 5G-Standard erfüllt werden müssen, um ein Netz „5G“ zu nennen, können nur durch eine Vielzahl von Technologien erreicht werden. Wichtig ist dabei die Übertragung mittels Millimeterwellenfrequenzen, die um einiges höher sind als die, die wir momentan für unser Mobilnetz nutzen und sehr viel höhere Geschwindigkeiten bieten. Sogenannte Small Cells, schuhschachtelgroße Funkstationen, die zukünftig in großer Zahl an Hauswänden und Laternen angebracht werden, können die Trägerfrequenzen von 5G etwa 200 Meter weit senden. Zudem ermöglicht das sogenannte Network Slicing (engl.: „Netzwerkschnitt“) das intelligente Aufteilen des Netzwerks für eine bestimmte Branche, ein Unternehmen oder Anwendung. Notdienste könnten beispielsweise unabhängig von anderen Benutzern auf einer Netzwerkebene arbeiten.
Der Weg zum 5G-Netz
5G erfordert also eine wesentliche Erweiterung der technologischen Infrastruktur – und ist dadurch natürlich mit großen Investitionen verbunden. In Deutschland werden die Lizenzen für das 5G Netz noch in diesem Frühjahr versteigert, ähnlich wie es 2000 und 2010 mit den UMTS-Lizenzen geschehen ist. Dieser Prozess ist umstritten, auch weil er jene Bieter bevorzugt, die bereits jetzt den deutschen Mobilfunk kontrollieren. Da Mobilfunkanbieter enorme Summen für Lizenzen und Infrastruktur aufbringen mussten, werfen Kritiker ihnen vor, die Kosten in der Folge auf ihre Kunden abzuwälzen und sich zudem auf lukrative Regionen zu konzentrieren. Forderungen eines gemeinsamen Netzes aller Anbieter, durch das man effizienter vernetzen und sparsamer konstruieren könnte, wurden zu großen Teilen ignoriert. Zudem räumte die Deutsche Telekom bereits ein, dass sie maximal eine Versorgung von 90 Prozent des Landes mit dem neuen Netz vorsieht. Die übrigen 10 Prozent drohen hingegen nur noch weiter vom Rest des Landes abgehängt zu werden.
„Deutschland ist in Sachen Internet noch Entwicklungsland.“
Schon mit der aktuellen Netzabdeckung hapert es: Im weltweiten Vergleich befindet sich Deutschlands 4G-Netz auf einem abgeschlagenen 70. Platz. Zwar verbessert sich die Lage langsam, doch Funklöcher sind noch weit verbreitet, vor allem in ländlichen Regionen. Sollte das 5G-Netz ähnliche Lücken lassen wie gegenwärtig 4G, sieht Innovationsexperte Dietmar Dahmen, Autor von „Transformation BAMM!“, Probleme: „Deutschland ist in Sachen Internet noch Entwicklungsland. Sogar im Zug von Berlin nach Hamburg hat man nicht durchgehend Internet. Wenn für 5G nicht deutlich bessere Strukturen geschaffen werden, sehe ich keine große Chance für das Internet der Dinge oder selbstfahrende Autos hier.“
Kritiker bemängeln jedoch, dass der Wirbel um 5G in keinem Verhältnis zu seinen tatsächlichen Anwendungen stehe: Große Teile von Industrie und Unternehmen benötigten weder eine enorme Bandbreite, noch die hohe Geschwindigkeit. Ebenso kann die enorme Übertragungsrate von 5G nicht darüber hinwegtrösten, dass es eine viel kürzere Reichweite hat und auch durch Hindernisse und Wände leichter beeinträchtig wird. Eine flächendeckende Anbindung mit dem 5G-Netz wird also die Installation einer beachtlichen Menge Antennen erfordern. Bei den enormen Datenmengen, die dank 5G fortan erfasst und verarbeitet werden, stellt sich zudem für die Nutzer die Frage nach der schwindenden Privatsphäre. Welchem Unternehmen sollte man wirklich damit vertrauen, Informationen über den gesamten Haushalt, Alltag und Lebensweg unzähliger Menschen zu sammeln?
Harry Gatterer, Geschäftsführer des Zukunftsinstituts, ahnt außerdem, dass Menschen von der Masse an Veränderungen erneut überwältigt werden könnten: „Ich glaube, wir werden noch mehr Überforderung sehen. Die Technologiesprünge werden größer und kommen in schnellen Zyklen. Hingegen passen wir uns kulturell nur langsam an. Viele Menschen sind heute schon überfordert mit dem ‚Lärm‘ der sie umgibt. Das kann mit 5G noch zunehmen. Aber wie heißt es so schön: Die Zukunft ist ein Bausatz an Möglichkeiten und kein Fertigprodukt. Was wir draus machen, liegt an uns.“
Titelbild: pexels.com