Wir verbringen einen Großteil unseres Tages mit Arbeitskollegen, oft sehen wir sie länger als den eigenen Partner. Schon deshalb sollte man im Job auf einige Business-Knigge-Regeln achten – denn einem Kollegen, bei dem man es sich verscherzt hat, gegenüberzusitzen, macht wenig Spaß. Aber auch für die eigenen Karriereambitionen ist es sinnvoll, eher durch Teamgeist und Höflichkeit aufzufallen – und nicht durch ständige Konflikte. Silke Schneider-Flaig weiß, wie man sich im Leben und Job richtig verhalten sollte. Von ihr stammt das Buch „Der neue große Knigge: Richtige Umgangsformen privat und im Beruf“ (Compact Verlag).
In unserem Interview erklärt Silke Schneider-Flaig, welche privaten Themen am Arbeitsplatz besser ausgespart werden sollten und wie man Konflikte im Job am besten löst.
Gerade in agilen und kreativen Branchen geht es im Kollegenkreis recht locker zu. Welche privaten Themen sollte man dennoch am Arbeitsplatz lieber aussparen?
Geldthemen privater Art sind ein No-Go. Von Aufregung über Strafzettel wegen (angeblichen) Falschparkens oder ähnlichen Kleinigkeiten abgesehen, sollte man finanzielle Probleme aller Art aussparen. Es bietet Stoff für Spekulationen, z. B., ob jemand dermaßen von der aktuellen Festanstellung abhängt, dass seine Existenz gefährdet sein könnte, bzw. sein Schufa-Score so schlecht ist, dass er Rechnungen im Versandhandel nur noch via (vorbehaltlich gedeckter) Kreditkarte, per Nachnahme oder bar bezahlen kann. Gerade in kreativen Branchen herrscht nämlich viel Fantasie. Auch um abenteuerlich-spekulierend zu lästern. Andererseits wollen Kolleginnen und Kollegen von finanziellen Sorgen von Mitarbeitern auch aus einem anderen Grund nichts wissen. Schließlich könnte man um einen privaten, womöglich noch zinslosen, Kredit gebeten werden. Abgesehen davon möchte auch niemand mit Scheidungsfolgesachen oder Beziehungsproblemen aller Art belästigt werden.
Ein weiteres Thema wäre Krankheit. Wer wegen einer Erkältung oder Magen-Darm-Grippe kurzzeitig krankgeschrieben ist, dem droht keine berufliche Gefahr. Alles andere könnte Spekulationen auslösen, ob seine Stelle wegen drohender Berufsunfähigkeit neu besetzt wird. „Benimmtechnisch“ sind solche Themen ohnehin äußerst unangenehm, da sich kaum jemand unschöne Leidensgeschichten über Schmerzen und Folgesachen unterhalten möchte.
Schickt es sich, Kollegen nach krankheitsbedingter Abwesenheit auf die Erkrankung anzusprechen?
Es ist ok, wenn man beispielsweise „…schön, dass Sie wieder da sind. Wir haben Sie schon vermisst.“ sagt. Dann fühlt sich der Kollege akzeptiert und geschätzt. Wenn er will, dann kann er noch etwas Unverbindliches hinzufügen. Zum Beispiel, dass er wegen Rückenschmerzen in einer gesundheitlichen Reha war und nun wieder fit für die Arbeit sei. Oder er gibt weitere Informationen preis.
Wie reagiert man am besten, wenn Kollegen private Fragen stellen, die man selbst nicht beantworten möchte?
Niemand braucht private Fragen zu beantworten, die er nicht beantworten will. Selbst bei Rechtsstreitigkeiten kann man sich gegebenenfalls auf sein Aussageverweigerungsrecht berufen. Sogar bei Vorstellungsgesprächen hat man in einigen Fällen (z. B. Frage nach Familienplanung oder eventuell vorliegendem Behindertenausweis) ein Recht zu lügen. Dies gilt erst recht, wenn man von neugierigen Kolleginnen und Kollegen privat „vernommen“ wird. Allerdings ist dies oft etwas kompliziert kommunizierbar. Es gibt viele Möglichkeiten, aber keine perfekte Musterlösung, denn es kommt auf den individuellen Fall an. Entweder man sagt klipp und klar, dass man um Verständnis bitte, dass man diese Frage nicht beantworten möchte. Oder man sagt, dass man sie nicht konkret beantworten könne, bzw. etwas nicht wisse. In Verbindung mit einem entsprechenden Gesichtsausdruck und einer genervt klingenden Stimme müsste es eigentlich auf verschiedenen Kanälen beim Fragenden ankommen, dass der Befragte nicht darüber reden will.
Oft sind es ja Kleinigkeiten, die zu Konflikten am Arbeitsplatz führen – etwa, wenn Kollegen Aufgaben anders oder langsamer erledigen als man selbst es tun würde oder man sich vom Chef unfair behandelt fühlt. Sollte man die Kollegen oder Chefs dann darauf ansprechen oder den Ärger lieber runterschlucken?
Ärger herunterschlucken ist ein schlechter Rat. Sonst platzt spätestens beim circa dritten Mal die Bombe, da sich zu viel Frust und Ärger anstaut. Dann kann der geringste Anlass (z. B. der Anrufbeantworter war nicht aktiviert) dazu führen, dass ein heftiger Streit entsteht, bei dem kleinere und größere Verfehlungen angeprangert werden.
Wenn jemand anders oder langsamer arbeitet, dann kann das im Einzelfall jedoch einen ganz anderen Hintergrund haben. Behinderte werden bei gleicher Eignung gegebenenfalls bevorzugt eingestellt. Oft sieht man einem eine Behinderung überhaupt nicht an. Das ist auch gut so. Allerdings kann es zum Beispiel dazu führen, dass jemand anders (Bürostühle oder schwere Kartons ziehen statt tragen) oder langsamer (wegen Konzentrationsproblemen bei neu zu erlernenden Dingen oder schlechter Einarbeitung) arbeitet. Dann spricht man den Kollegen besser höflich an und bietet Tipps. Eventuell wurde er in einigen Bereichen überhaupt nicht eingearbeitet und improvisiert, da er sich nicht getraut hat zu fragen. Hier ist ein Gespräch dringend geboten. Denn dabei ergeben sich manchmal interessante Lösungsmöglichkeiten, die allen Seiten Arbeit erspart. Schließlich haben gerade neue Mitarbeiter oft einen ganz anderen Blick auf Arbeitsabläufe als jene, die seit vielen Jahren immer die selbe Routine pflegen.
Manche Mitarbeiter beschäftigten auch kleinere Konflikte nachhaltig. Haben Sie einen Tipp, wie und wann man idealerweise Konflikte klären kann?
In der Tat sind es oft kleinere Konflikte, die für manche zu großen Sorgen führen. Manch ein Kollege ist sich oft gar nicht bewusst, was er mit einer lapidaren Bemerkung auslösen kann. Der Konflikt sollte zeitnah geklärt werden. Aber das Gespräch sollte so terminiert werden, dass man in einer entspannten Situation (in der das Telefon auf Rufumschaltung gesetzt ist bzw. der AB eingeschaltet ist) störungsfrei kommunizieren kann. Das Problem sollte dann allgemein angesprochen und an einem Beispiel klar beschrieben werden.
Ich würde der Person über die ich mich aufrege sagen, dass wir reden müssen. Es ginge um ein berufliches Problem. Und wann es zeitlich, z. B. Mittagspause oder bestimmter Tag mit bestimmtem Zeitfenster, passe.
Zusammenfassend: Haben Sie drei Tipps, die man im Umgang mit Kollegen unbedingt beachten sollte?
1. Beruf und Privatleben trennen.
2. Gegenseitiger Respekt.
3. Klare Grenzen setzten.
Titelbild: pexels.com; Foto von Silke Schneider-Flaig: privat