Felix Kroschke im Interview.
Am 1. Juli tritt die Reform des Stiftungsrechts in Kraft. Der Familienunternehmer und Stiftungsvorstand Felix Kroschke erklärt im Interview, warum sich Stiften für Unternehmer lohnt, welche Herausforderungen dabei zu beachten sind und welche Neuerungen die Stiftungsrechtsreform mit sich bringt.
In Eurem Buch »Anstoßen. Anstiften. Aufbauen.« schreibt Ihr über Eure eigenen Erfahrungen im Stiftungswesen. Wie kam es zur Gründung Eurer Stiftung?
Die Stiftung wurde von meinem Vater und meinem Onkel Anfang der 1990er Jahre ins Leben gerufen. Ihre Eltern waren aus der DDR geflohen und hatten aus einfachen Verhältnissen ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut und weitergegeben. Echte Unternehmer, aber auch engagierte Bürger, die den Wert von Leistung kennen und schätzen. Es war ihnen schon früh klar, dass sie die Gesellschaft an ihrem unternehmerischen Erfolg teilhaben lassen wollten. Dass sich mein Vater und mein Onkel dann für Kinder engagierten, hatte biographische Gründe. Ich habe vier Brüder und eine Schwester, die allesamt gesund und behütet aufgewachsen sind. Das ist leider nicht überall der Fall – und die Versorgungslücken für Kinder waren damals noch größer als heute. Meinem Vater und meinem Onkel war der Wert von Familie schon immer bewusst.
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Bezugnehmend auf den Titel Eures Buches: Anstiften – was sind Eurer Meinung nach die wichtigsten Argumente, andere Unternehmen für ein eigenes Stiftungsengagement zu begeistern?
Unternehmer sind in hohem Maße vom sozialen Frieden abhängig – das Fundament unseres Erfolgs ist eine stabile und resiliente Gesellschaft. Gerade auch die multiplen Krisen der letzten Jahre haben gezeigt, dass dieses Fundament nicht selbstverständlich ist, sondern wir uns dafür einsetzen müssen. Ich würde sogar sagen, dass gesellschaftliches Engagement fast schon überlebenswichtig ist. Außerdem kommt heute kaum mehr ein Unternehmen ohne Purpose aus – der sollte nicht nur abstraktes Leitbild sein, sondern sich auch in konkretes Handeln übersetzen.
Anstoßen – was muss engagierten Unternehmen von Beginn an bewusst sein?
Nichts ist einfach – weder Unternehmertum noch sinnvolles gemeinnütziges Engagement. Wenn man sich wirklich – auch im Sinne des Wortlautes des Stiftungsrechts – dauernd und nachhaltig engagieren will, ist eine klare Strategie und Struktur essenziell. Das ist meine Erfahrung aus sieben Jahren Stiftungsarbeit. Gerade deshalb haben wir auch das Buch geschrieben. Wir können uns Green- bzw. Socialwashing nicht mehr leisten. Wer wirklich wirksam werden will, braucht einen klaren Fokus – man muss sich bewusst sein, was man will, aber eben auch, was man nicht will. Die Fragen nach dem „was“, dem „wie“ und dem „warum“ müssen klar beantwortet sein.
Aufbauen – was sind die wichtigsten Pfeiler für eine zielorientierte Stiftungskultur?
Es geht aus meiner Sicht auch darum, „best practices“ aus der Unternehmensführung auf die Stiftungsarbeit zu übertragen – und vice versa. Wir haben viel zu lange „die Wirtschaft“ und „den Dritten Sektor“ als separate Sphären behandelt. Dabei können wir viel voneinander lernen. Klar ist auch, dass ein „nebenbei Gutes Tun“ nicht mehr zeitgemäß ist. Das Stiftungswesen boomt zwar seit Jahren, viele Stiftungen erreichen aber nicht die Wirkung, die in Anbetracht des eingesetzten Kapitals erreicht werden müsste. Daher muss der Kern jeder zielorientierten Stiftungskultur darin bestehen, dass der verfolgte Zweck der Stiftung klar ausdifferenziert und vom Stifter vorgegeben ist.
Dazu kommen – wie wir in unserem Buch schreiben – Themen wie Governance und gute Kommunikation. Auch das Stiftungswesen muss sich weiter professionalisieren.
Hat das Stiftungsengagement Auswirkungen auf Eure Unternehmenskultur? Um welche konkreten Veränderungen geht es dabei? Was sind die größten Herausforderungen?
Es war immer unser Selbstverständnis, dass wir unseren Kolleginnen und Kollegen interessante und gute Arbeitsplätze zur Verfügung stellen – und das seit über 65 Jahren. Je größer ein Unternehmen wird, umso höher werden aber auch die Anforderungen mit Blick auf das „Giving-back“ – und das zu Recht. Natürlich und mit jeder Selbstverständlichkeit werde ich in Vorstellungsgesprächen gefragt, wie wir uns als Unternehmen gemeinnützig engagieren und ob unsere Stiftung auch wirklich Substanz hat. Engagement ist nicht mehr „nice to have“, sondern ein klarer Hygienefaktor in größeren Unternehmen. Aber darunter muss die Ernsthaftigkeit des Engagements nicht leiden, sondern kann davon profitieren. Ich frage dann auch zurück: „Was gibst Du an die Gesellschaft zurück und wie möchtest Du Dich engagieren?“
Anfang Juli steht eine große Reform des Stiftungsrechts an – was bedeutet das für alle Stifter und die, die es werden wollen?
Vorab: Unser Buch ist kein juristischer Ratgeber – das sind wir nicht und das können wir inhaltlich auch nicht. Allerdings zeigt die Reform eins der größten Probleme des Stiftungsrecht auf: Es ist extrem behäbig, und das hat Auswirkungen auf die Organisationsform Stiftung. Die letzte Stiftungsrechtsreform ist über 20 Jahre her, und auch die aktuelle Reform verkompliziert das Stiftungsrecht eher, als dass sie für die notwendige Flexibilität sorgt. Insbesondere die Verbrauchsstiftung als seit 2013 vollwertig anerkannte und zu unterstützende Rechtsform, wird durch die Reform quasi eine „Stiftung zweiter Klasse“– das wird der Bedeutung der Rechtsform für ein flexibles und zukunftsgerichtetes Stiftungswesen nicht gerecht. In unserem Buch haben wir festgehalten: „Nach der Reform ist vor der Reform.“ – und wir würden uns freuen, wenn durch unser Buch eine Debatte über das Stiften an sich und dessen rechtliche Ausgestaltung angestoßen wird.
Zum Schluss eine persönliche Frage: Welches Buch hast Du als letztes gelesen?
Da wir als mittelständische Familienunternehmer alles andere als 9-5 arbeiten, bevorzuge ich in meiner Freizeit eher „easy reading“. Häufig ist das dann die typische Bestseller-Literatur. In meinem Fall Martin Suter mit »Melody« und Benjamin von Stuckrad-Barre mit »Noch wach?«. Ich würde gerne behaupten, dass ich auch in der Freizeit Hochliteratur lese – das ist aber nicht der Fall. Ich lese auch, um abzuschalten. Und das gelingt mir überraschenderweise sehr gut. Romane können so wundervoll sein – gerade, wenn alles andere digitaler und überladender wird.
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Fotocredit: Kroschke Kinderstiftung, Fotografin Susanne Hübner; Kroschke