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Sommer, Sonne, Bücher! Wann sonst im Jahr hat man so viel Zeit, sich guten Büchern hinzugeben, wie im Sommerurlaub? Eben. Deshalb stellen wir vier Bücher für den Sommerurlaub 2019 vor, die für unterschiedliche Lesetypen geeignet sind – für Fans kurzer Geschichten und Freunde anspruchsvoller Literatur über Leser humorvoller Sachbücher bis zu Interessierten an historischen Was-wäre-wenn-Fragen.

Für Fans kurzer Geschichten: Joey Goebel „Irgendwann wird es gut“ (Diogenes Verlag)

Vergangenes Jahr war es Benedict Wells, der ein Buch mit Kurzgeschichten vorlegte, dieses Jahr ist es – ebenfalls bei Diogenes – der US-Amerikaner Joey Goebel. Goebel, Jahrgang 1980, und Benedict Wells, Jahrgang 1984, eint mehr als die gegenwärtige Publikation von Kurzgeschichten: Sie beide zählen zu den vergleichsweise jungen Autoren mit erzählerischem Geschick. Goebel zeigte dies mit seinem herausragenden Roman „Vincent“, aber auch „Irgendwann wird es gut“ lässt den Leser tief eintauchen – in eine US-Kleinstadt Ende des vergangenen Jahrhunderts und ihre Bewohner. Da wäre etwa das tragisch zusammengeschweißte Mutter-und-Sohn-Duo, Elena und Paul Bockelman, oder der Mann, Winston Herman, der sein Haus seit drei Jahren nicht mehr verlassen hat. Typen, wie sie das Leben formt, Charaktere, wie sie ein guter Autor erschafft. Goebel selbst nennt die Einsamkeit – passenderweise im Interview mit seinem Kollegen Benedict Wells am Ende des Buchs – als das Bindeglied all dieser Geschichten. Vielleicht ist es genau dieses Thema, das die Erzählungen gleichermaßen nahbar und distanziert wirken lässt: Denn obwohl nur gut zwanzig Jahre zwischen unserer realen und der von Goebel erzählten Zeit liegen, ist Einsamkeit in unserer hyper-vernetzten Welt ein so einfach zu behebender Zustand wie noch nie, gleichzeitig durch Phänomene wie die „Fear of missing out“ noch komplizierter zu (er-)leben. Goebel ist mit „Irgendwann wird es gut“ ein Buch gelungen, das sich mühelos, aber keineswegs unberührt lesen lässt.

Für Freunde anspruchsvoller Literatur: Feridun Zaimoglu „Die Geschichte der Frau“ (Kiepenheuer & Witsch)

Reden wir über Geschichte, reden wir oft über Männer. Anders Feridun Zaimoglu: Er redet – mehr noch, schreibt – über Frauen und ihre Geschichten. Über Antigone etwa, bei deren Name sich der ein oder andere Leser dunkel an den Deutschunterricht und die Tragödie von Sophokles erinnert fühlen wird. Oder über die Magd Lore Lay und der Feministin Valerie Solanas. Nicht über Margaret Thatcher, nicht über Katharina die Große und auch nicht über Jeanne d’Arc, die einem bei großen Frauen der Geschichte spontan einfielen, sondern jene, deren Namen eher unter der Oberfläche der Geschichte schimmern. Aber Zaimoglu erzählt ihre Geschichten mit Wucht, sprachlich und stilistisch passt er sie dem Duktus der jeweiligen Zeit an – was die jeweiligen Geschichten mal mehr, mal weniger einfach lesbar macht. Dies sorgt einerseits für reizvolle Überraschungen zu Beginn jedes neuen Kapitels, andererseits muss der Leser sich stilistisch in die einzelnen Personen und Abschnitte neu einfinden. Die „berserkergleiche Kraft“, mit der sich der Kieler Autor, so die Jury für den Preis der Leipziger Buchmesse, in die Weltgeschichte hineingrabe, spürt der Leser dennoch auf jeder Seite. Dass der diesjährige Preis der Leipziger Buchmesse an Anke Stellings „Schäfchen im Trockenen“ ging, ändert nichts an den vielfältigen und – meist im positiven Sinne – ungewöhnlichen Perspektiven, die Feridun Zaimoglu in „Die Geschichte der Frau“ einnimmt.

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Für Leser humorvoller Sachbücher: Martin Moder „Genpoolparty: Wie die Wissenschaft uns stärker, schlauer und weniger unausstehlich macht“ (Hanser)

(Selbst-)Optimierung ist ein Trend unserer Zeit: Egal ob im Unternehmen die Prozesse verbessert und neu strukturiert werden sollen oder wir uns selbst optisch für Instagram, den Lebenslauf für den nächsten Job und unseren Charakter für das dazwischen überarbeiten – optimierbar scheint so ziemlich alles. Natürlich auch unsere Gene, wenn auch nicht immer so einfach. Was die Menschheit mittlerweile über das, was uns im Innersten prägt, herausgefunden hat, zeigt unterhaltsam „Genpoolparty“. Autor Martin Moder ist Österreicher, Europameister im Science Slam und Molekularbiologe – alles drei merkt der Leser des Buchs recht schnell, zweiteres steht sicherheitshalber aber auch auf dem Cover. Beim Lesen des Buchs traut man ihm das durchaus zu: Den Genetik-Crashkurs trägt Moder so kurzweilig zusammen, wie man sich es im Biologieunterricht wirklich gewünscht hätte. So unterhaltsam wie seine Übersicht zu den Bausteinen unseres Seins, kurz: der DNA, lesen sich auch die Kapitel über die Bedeutung der Gene für unsere Intelligenz sowie jene über die (genetischen) Hintergründe unseres menschlichen Verhaltens (inklusive des wunderbaren Satzes: „Evolutionär wäre vollkommene Zufriedenheit absolut kontraproduktiv“, den man sich nach jedem schlechten Date oder Arbeitstag vorsagen sollte). Dabei ist das Buch aber nicht als „How to selbstoptimier your Gene“ zu verstehen, sondern als Übersicht der Möglichkeiten – inklusive Thematisierung der ethischen Unabwägbarkeiten. Insofern müsste der Untertitel wohl eher heißen: „Wie die Wissenschaft uns stärker, schlauer und weniger unausstehlich machen könnte, wenn wir es denn nach wirklich klugem Überlegen befürworten sollten“. Aber wer würde schon ein Buch mit einem so wenig optimierten Untertitel kaufen?

Für Interessierte an historischen Was-wäre-wenn-Fragen: Ronald D. Gerste „Wie Krankheiten Geschichte machen. Von der Antike bis heute“ (Klett-Cotta)

Kontrafaktische Geschichte – also eine Geschichtsbetrachtungen, in der sich durch einen Wendepunkt der weitere Verlauf der Ereignisse ändert – hat ihre Reize: In der Literatur kennen wir sie Grundlage für Robert Harris‘ „Vaterland“ oder Simon Urbans „Plan D“, unter den Serien ist „The Man in the High Castle“ ein Paradebeispiel. In allen drei Fällen findet die Handlung vor dem Hintergrund einer anderen historischen Abzweigung statt. Dass ein Grund für diese Abzweigungen, die die Geschichte hätte nehmen können, Krankheiten sind, macht Ronald D. Gerstes Buch klar. Er widmet sich in „Wie Krankheiten Geschichten machen“ jenen Diagnosen, die die Mächtigen der Welt geplagt haben, von Alexander dem Großen über Friedrich III. bis Leonid Iljitsch Breschnew. Oft schwingen da natürlich „Was wäre wenn“-Fragen mit: Wie sähe Deutschland etwa aus, hätte Friedrich III. sich länger auf dem Thron gehalten, oder gar die ganze Welt, wäre Alexander der Große nicht so jung gestorben? Dabei mag bei der Lektüre verwirren, dass die Reihenfolge der dargestellten Patienten nicht immer zeitlich aufeinanderfolgend ist, ja teilweise gar nicht der oder die Kranke, sondern der Krankheit selbst ein Kapitel gewidmet wird – etwa der Pest oder der Gicht. Durch die Einzelfall- bzw. Krankheitsbetrachtung sind die Kapitel aber angenehm kompakt, sodass sie sich leicht am Stück lesen lassen. Was nach der Lektüre bleibt, ist die Erkenntnis, dass die Geschichte es auch mit den Mächtigen oft nicht gut meinte – und es bei so mancher historischen Situation auch andere Ausgänge hätte geben können.

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