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„Mutausbrüche“ und „Mutanfälle“: Diese beiden Worte bleiben hängen, wenn man Verena Pausders Buch „Das Neue Land“ liest. Mut statt Wut, ein Buchstabe umgedreht und sofort wird klar, was die Unternehmerin und Expertin für digitale Bildung meint: Sie spricht von einer neuen Haltung, die wir alle einnehmen sollen, um diese Nation ins 21. Jahrhundert zu führen. Aber wie kann das gelingen, einem ganzen Land mehr Mut einzuimpfen, und es nicht einfach nur zu fordern?

Im Interview erklärt Verena Pausder, warum Mut für das „Neue Land“ so zentral ist und wie sich Mut lernen lässt.

Frau Pausder, lassen Sie uns über die Verfassung des „Neuen Landes“ sprechen. Was wäre Ihr erster Artikel des Grundgesetzes?

Die Würde des Menschen ist unantastbar. Auch im Neuen Land wäre das der oberste Wert. Worüber ich aber nachdenken würde, wäre die Verfassung sprachlich umzuschreiben. Damit sie zugänglicher wird, jeder sie versteht und emotional etwas mit ihr verbindet. Vielleicht hieße es dann „Jeder Mensch ist wertvoll“ statt „Die Würde des Menschen ist unantastbar“.

In Ihrem Buch fordern Sie ein anderes Deutschland – das agiler ist, mutiger. Müsste sich solch ein anderes Mindset auch in konkreten Gesetzen widerspiegeln?

Es bräuchte keine konkreten Gesetze für Mut oder Agilität. Stattdessen müsste sich dieser Anspruch, mutiger und agiler zu sein, in der Art, wie wir Gesetze machen, widerspiegeln. Ein Beispiel zur Agilität: Gesetze hätten ein Verfallsdatum. Nach drei Jahren laufen sie aus bzw. kommen auf den Prüfstand, ob wir sie so noch brauchen. Eine mutigere Art Gesetze zu machen wäre z.B. mit einer Art „Minimum Viable Policy“ zu starten – analog zu der Idee in der Startup-Welt mit einem „Minimum Viable Product“, also einem nicht-perfekten Produkt, auf den Markt zu gehen. Der Mehrwert: Man würde zu einem Gesetz früh Rückmeldung aus der Praxis kriegen, könnte es anpassen und vor allem auf Entwicklungen schneller reagieren, weil man nicht auf die perfekte Regulierung warten müsste, sondern mit einer „MVP“ starten kann.

Erleben Sie denn eine Gesellschaft, die offen für mutige Schritte ist?

Absolut. Wir alle sind jeden Tag unglaublich mutig – die Entscheidung einen neuen Job zu starten ist mutig, die Entscheidung ein Kind zu kriegen ist mutig, die Entscheidung in eine neue Stadt zu ziehen ist mutig. Es geht darum, den Mut, den wir als Individuen jeden Tag aufbringen, in die Gesellschaft zu übertragen. Damit wir gemeinsam neue, größere Schritte wagen können.

Glauben Sie, dass die Corona-Pandemie nicht vielen auch den Mut genommen hat? Die Beschränkungen für Kulturbetriebe, Fitnessstudios, Restaurants und Co. haben ja nicht nur Geld, sondern auch Energie gekostet. 

Es gibt ein schönes Zitat, das heißt: „Mut ist nicht immer laut. Manchmal ist Mut nur die Stimme am Ende des Tages, die sagt: Morgen versuche ich es wieder.“ Ich glaube, das trifft ganz gut, was Mut gerade für uns alle bedeutet. Zuerst geht es darum, durch diese schwierige Zeit zu kommen. Gleichzeitig erleben wir aber durch die Krise auch Momentum, das wir nutzen können. Digitale Bildung und New Work sind plötzlich ganz oben auf der Agenda – wir brauchen den Mut, daraus auch was zu machen. 

Sie selbst haben mehrere Unternehmen gegründet, sind aber gleich zu Beginn mit einer Salatbar-Kette gescheitert. Woher haben Sie Ihren Mut genommen, weiterzumachen? 

Scheitern ist nie schön – da hatte ich schon eine Zeit dran zu knabbern. Aber ich war auch erst Mitte 20, so tief konnte ich nicht fallen. Ich wusste, dass es noch viele Chancen in meinem Leben geben wird, und das hat mir Mut gemacht. Mit etwas Abstand habe ich außerdem gesehen, wie viel ich in der Zeit gelernt habe. Daraus habe ich Selbstvertrauen gezogen.

Lässt sich Mut lernen?

Ja! Wenn man hinfällt und wieder aufsteht weiß man, dass der Sturz gar nicht so schlimm war. Das ist wie ein Muskel, den man trainiert. Mir hat auch immer geholfen, sich vorzustellen, was das Allerschlimmste wäre, was jetzt durch diesen ‘mutigen’ Schritt passieren könnte. Meistens habe ich gemerkt, dass dieses Worst-Case-Szenario extrem unwahrscheinlich ist – und vor allem, dass es gar nicht so schlimm wäre. Und es gibt Mutmacher – also Menschen, die einem Mut machen, die einen unterstützen. Sich mit mehr Mutmachern und weniger Angstmachern zu umgeben, lässt einen Mut schneller lernen. 

In Ihrem Buch versuchen Sie, möglichst konkret zu sein. Dann machen wir es doch auch hier einmal konkret: Wo wollen Sie 2021 mutiger sein als 2020? 

Ich möchte mich politisch einbringen – von der Seitenlinie als Autorin und Mitdenkerin aufs Spielfeld wechseln. Wie genau das aussehen kann, weiß ich noch nicht – aber das Ziel ist, dass ich 2021 all meinen Mut zusammennehme und springe.

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