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Vor fünf Jahren publizierte die Universität Oxford eine bemerkenswerte Studie, die besagte, dass in den USA in den nächsten zwanzig Jahren 47 Prozent aller Jobs der Digitalisierung der Arbeitswelt zum Opfer fallen werden. Seitdem sind auch hierzulande viele Studien zu dem Thema erschienen. Interessant sind die Befürchtungen der Unternehmen selbst zu dem Thema, wie eine Bitkom-Umfrage aus dem vergangenen Jahr zeigt: In dieser sehen 25 Prozent der Unternehmen ab 20 Mitarbeitern in Deutschland ihre Existenz durch die Digitalisierung bedroht. Hochgerechnet stehen diese Unternehmen für 3,4 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze. Diese und andere Prognosen könnten wir konfrontieren mit der historisch erfahrungsgesättigten Schlussfolgerung, dass am Ende immer alles anders kommt als wir denken, da Veränderungsprozesse im Unterschied zu quantitativen Prognosen nicht linear verlaufen und von daher die Resultate sich durch komplexe Verläufe einstellen und nicht prognostizierbar sind. Aber hilft uns das heute? Sind nicht unser gegenwärtiges Denken, unsere Befindlichkeit, unsere Euphorie und unsere Ängste für die heutige Debatte um die Auswirkungen der Digitalisierung das zunächst mal wichtigste zu bearbeitende Feld?

Wunschdenken, Befürchtungen und Ängste

Neulich war ich Teilnehmer eines Panels zu diesem Thema. Ein Referent zitierte die obige und andere Studien und malte ein Porträt einer zukünftigen Arbeitsgesellschaft in Deutschland, in der die künstliche Intelligenz in Verbindung mit dem Internet der Dinge viele Berufsbilder obsolet machen wird. Dazu würde neben dem Kassierer, der eine oder andere Rechtsanwalt, Steuerberaterin und Wirtschaftsprüferin gehören, aber auch die LKW-Fahrer und die vielen Fahrer des ÖPNV. Und ich garantiere Ihnen, sagte der Referent, Sie werden in zwanzig Jahren wie selbstverständlich in einen selbstfahrenden Bus einsteigen.

Abgesehen davon, dass ein zweiter Panelteilnehmer mit Verweis auf das „am Ende kommt es doch immer alles anders“-Argument vehement widersprach und sogar eine Wette zu diesem Busfahrer-Fall abzuschließen bereit war, war das bemerkenswerte an dieser Diskussion ihre emotionale und fiktionale Dimension. Immer wieder fällt mir auf, dass die Debatten um die digitale Transformation zwischen fast schon mythologischem Wunschdenken auf der einen und Befürchtungen und Ängsten auf der anderen Seite schwanken. Und egal wie die Geschichte ausgeht: Allein die Tatsache, dass an selbstfahrenden Visionen in Unternehmen und Behörden gearbeitet wird, kann berechtigte Sorge bei den betroffenen Berufen auslösen. Und auch als Bürger, Kunde oder Nutzer frage ich mich: Gefällt mir diese Vorstellung überhaupt? Will ich eigentlich in einen Bus ohne Fahrerin einsteigen? Imaginieren wir mit den digital betriebenen Systemen eine lebenswertere Welt, eine sinnvollere Arbeitswelt? Und wie sehen die Geschäftsmodelle und Arbeitsformen der Zukunft aus, die möglichst viele Arbeitsplätze erhält und womöglich neue schafft?

Unternehmen, Gesellschaft und Politik

Zu letzterer Frage äußern sich meist die Gewinner aus dem Silicon Valley oder der Berliner Szene, deren digitale Elite ein neues Land bewohnt, das sich zu bereisen lohnt: Digitalien. Wenn man einen kühlen Kopf behält, wie Christopher Rheidt und Daniel Wagenführer in ihrem „Digital Tour Book“ auf informative und plastische Weise zeigen, dann kann man von einer Reise durch dieses neue virtuelle Land eine Menge lernen.

Zurück zu der gesellschaftspolitischen Dimension, der digitalen Transformation unserer Arbeitswelt. Hier engagiert sich dieser Tage mit Thorsten Schäfer-Gümbel ein SPD-Politiker, diese vor uns liegenden Herausforderungen unter der Überschrift „Die sozialdigitale Revolution“ zu bearbeiten. Als Sozialdemokrat sieht Schäfer-Gümbel eine besondere Verantwortung seiner Partei für die Arbeitsgesellschaft von morgen, nicht zuletzt für die vielen von den anstehenden Umwälzungen betroffenen Arbeitnehmer. Der Autor wird der Ungewissheit der heutigen Situation gerecht, indem er keine plakativen Rezepte liefert, sondern eine politische Diskussionskultur einfordert, in der die Für und Wider der digitalen Transformation zu Wort kommen sollten. Zu diesem Für und Wider gehört auch die Frage: Wollen wir eigentlich ungefragt in die selbstfahrende Zukunft einsteigen? Am Ende kommt doch alles anders als wir denken, da wir es womöglich auf dem Weg dahin auch anders wollten.

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