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Der Monat Januar wird wie jedes Jahr medial von den Strategen des Aufpassens, den Wächtern der Wiedergutmachung und den Aposteln der Askese dominiert. Treten wir dieser Tage vor ein Zeitschriftenregal oder durchsurfen das Netz entlang der Informations- und Unterhaltungsdienste wird dauernd abgespeckt, kein Alkohol getrunken, entkalkt und gefastet.

Kurzum: Der Januar wird uns als guttuende Intervall-Kultur verkauft. Eine Pause, ein Zwischenraum des „weniger ist mehr“-Lebens. Was haben wir nur alles verbrochen in der gesegneten Weihnachtszeit, dass es so hart kommen muss im Januar-Intervall? Das Argument der Intervall-Strategen, eine Pause mit dem Gewohnten einzulegen, setzt voraus, dass wir uns vor dem und nach dem Intervall in einem kontinuierlichen Zyklus aufhalten, in dem wir den Sünden des Lebensgenusses über kurz oder lang erliegen. Und diese Januar-Kultur schiebt sich als weltliches Angebot vor die offizielle Fastenzeit der Christen, die bekanntlich vierzig Tage vor dem Osterfest beginnt. Die Januar-Diätetik ist ohne Zweifel Ausdruck einer säkularisierten Lebenskultur, nur Agnostiker können auf die Idee kommen, kurz vor der wahren Fastenzeit ein Januar-Fasten einzuschieben. Dementsprechend liegt die Vermutung nahe, dass die Anhänger der Januar-Askese (und es müssen quotenmäßig viele sein, sonst würden die Medien sich nicht so anstrengen) das christliche Fasten meiden.

Welche Schlüsse ziehen wir für unser Lebens- und Arbeitsmodell aus dem Januar-Phänomen? Eine Schlussfolgerung drängt sich auf: Je länger wir uns in einem gleich strukturierten Zeitraum aufhalten, desto notwendiger wird ein Intervall, in dem die gewohnten Muster aufgebrochen werden. Das gilt für die Lebenspraxis genauso wie für das Arbeiten, Managen und Führen, wie die Musterbrecher wissen.

Wie jedes Intervall, so hat auch der vermeintlich anders gelebte Januar als Zwischenraum zwei Öffnungen: Durch die eine treten wir mehr oder weniger beschwipst am Silvesterabend und durch die anderen mehr oder weniger bewusst am 31. des Monats, wenn wir den Zwischenraum wieder verlassen. Aber ist es heutzutage wirklich noch sinnvoll den Austritt aus dem Intervall so anzugehen, als ginge es nachher wieder weiter wie vorher? Ändert die Digitalisierung der Lebens- und Arbeitswelt nicht auch unsere Sicht auf Zeit und Raum und damit auch die Art und Weise wie wir diese ausfüllen? Besonders in den Unternehmen ist dies spürbar und Antworten auf diese Herausforderung zu finden, erfordert unter Umständen einen schmerzvollen Abschied von alten Gewohnheiten. Dann wäre die Entdeckung des Monats Januar, dass wir uns eigentlich in diesem Monat klarmachen sollten, dass wir dauernd in Intervallen leben und arbeiten, dass das vor uns liegende Jahr eine Abfolge, ein akkordeonartiges Ineinander- und Auseinanderschieben von Zwischenräumen, Zwischentönen und Zwischenzeiten werden wird. Für jedwede Organisationstruktur hätte dies zur Folge, mindestens dynamisch zu sein, wenn nicht gar ganz auf starre Organigramme zu verzichten.

An dieser Stelle möchte ich den Möglichkeitsraum der Intervall-Existenz mit der Frage verlassen, wo die Intervall-Bewohner noch Ruhe, Ordnung, Stillstand und festen Grund unter ihren Füßen finden? Angesichts der mangelnden Alternativzeit kann die Antwort nur lauten: im Intervall selbst. Leben und Arbeiten in Zwischenräumen und Zwischenzeiten könnte zum Modell der Zukunft werden.

Ein Modell auch für den Staat? In Deutschland haben wir es seit nunmehr vier Monaten mit einer geschäftsführenden Zwischenregierung zu tun. Das könnte eine Kostprobe für kommende Zeiten sein, in denen die Volksparteien schrumpfen und die kleineren Parteien an Gewicht gewinnen werden, was historisch-politisch zu einer Intervall-Epoche führen könnte.

Dieser Januar 2018 möge uns dafür rüsten.

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