Subscribe & Follow:

Als die Meinungsforscher des amerikanischen Pew Research Center vor kurzem US-Bürger befragten, mit welchen Schutzvorkehrungen gegen allzu neugierige Webdienste und Online-Fallen sie vertraut sind, gelangten sie zu einer schockierenden Erkenntnis: Nur einer von vier Befragten wusste, dass der „Inkognito-Modus“ im Browser keineswegs privates Surfen erlaubt, sondern lediglich die Spuren auf dem eigenen Gerät verbirgt. Ebenso Fehlanzeige bei der gegen Datendiebe so wichtigen Zwei-Faktor-Authentifizierung oder 2FA, mit der man sich zusätzlich zum Passwort mit einer weiteren Methode legitimieren muss, etwa einem aufs Handy geschickten Code. Nur zwei Prozent der Umfrageteilnehmer konnten alle zehn Maßnahmen für eine wirksame digitale Selbstverteidigung richtig einordnen.

Diese Zahlen sind zwar ernüchternd, aber keineswegs verwunderlich. Digitale Selbstverteidigung fällt einem nicht in den Schoß wie eine neue App, die mit einem Klick installiert wird. Sie ist eine Disziplin, die man sich Stück für Stück aneignen muss und bei der man Tag für Tag auf der Hut sein muss.

Wir werden auf Schritt und Klick verfolgt

Denn die gesamte Internetwirtschaft dreht sich um einen wertvollen Rohstoff, den große Plattformen wie Amazon, Facebook oder Google sowie tausende kleinerer Unternehmen ernten und zu Geld machen: unseren Daten. Wer im Netz unterwegs ist, wird auf Schritt und Klick verfolgt, verraten und verkauft. Unser Standort und unsere Suchanfragen, unsere Bestellungen und Wunschzettel, unsere Freundeslisten, Schnappschüsse und unsere Kurznachrichten hinterlassen Datenspuren, die Milliarden wert sind.

Monatlich informiert werden: Noch mehr Hintergründe rund um Wirtschaft und Gesellschaft gibt es in unserem Newsletter. Jetzt abonnieren!

Sich auf die löchrigen und oft irreführenden Privatsphäre-Einstellungen von Diensten wie Facebook zu verlassen, ist keine effektive Selbstverteidigung. Sie wiegt Nutzer in falscher Sicherheit und spielt den großen Plattformen in die Hände, so weiterzumachen wie bisher.

Digitale Selbstverteidigung mit vier V‘s

Wer echte digitale Souveränität entwickeln will, sollte die vier V´s praktizieren, die ich in meinem Buch „Mich kriegt ihr nicht!“ noch ausführlicher erkläre. Das erste V steht für seine Daten verweigern. Das heißt: Erst denken, dann posten. Was einmal in der digitalen Welt ist, lässt sich fast unmöglich wieder zurücknehmen. Selbst wenn Sie einen Eintrag löschen, bleiben Kopien irgendwo anders im Netz bestehen. Ebenso gilt: Erst denken, dann hosten. Man sollte sich gründlich überlegen, welchem Dienst man seine Daten und damit Teile seiner Identität anvertraut. Textdateien oder Fotos in der Cloud helfen Unternehmen dabei, unsere Vorlieben auszulesen und uns zu manipulieren und obendrein auch Algorithmen zur Gesichtserkennung zu trainieren, mit denen die Überwachung noch weiter perfektioniert werden kann. Will man all diese intimen Details zur eigenen Person wirklich einem Anbieter aus den USA oder China anvertrauen?

Hier kommen die anderen drei V´s ins Spiel: seine Daten mit Blocking-Werkzeugen wie uBlock Origin sowie möglichst sparsamen oder absichtlich falschen Angaben zu verschleiern; seine Dateien und seine Kommunikation konsequent mit Diensten wie Posteo oder Signal zu verschlüsseln. Wirksame Verschlüsselung, das hat Whistleblower Edward Snowden gerade wieder einmal eindringlich beschrieben, ist ein Garant unserer demokratischen Freiheiten. Nicht zu vergessen das vierte V — die Entscheidung zu treffen, Dienste und Geräte aus weiten Teilen seines Alltags zu verbannen. Mit Mikrofonen (oder gar Kameras) gespickte Assistenten wie Alexa haben nichts im Haus verloren, schon gar nicht im Schlaf- oder Kinderzimmer.

100-prozentige digitale Selbstverteidigung? Das gelingt kaum

Keine Frage, wer am modernen, vernetzten Leben teilnehmen will, kann sich der detaillierten Verfolgung online wie offline nicht komplett entziehen. Aber jeder sollte die Gelegenheit nutzen, kommerziellen wie staatlichen Datensammlern das Leben schwer zu machen. Es gibt keine 100-prozentig wirksame Selbstverteidigung, auch keine digitale. Doch wer sich schlau macht und ausprobiert, welche Gegenmittel erhältlich sind, bietet nicht nur dem etablierten Überwachungskapitalismus die Stirn und erlaubt Startups, neue Produkte zu entwickeln, die unsere digitale Souveränität besser respektieren. Wir entwickeln dabei auch etwas enorm Wertvolles für die Debatte über die digitalisierte Zukunft: die Resilienz als Bürger, um informiert und entschlossen auf unseren Rechten zu beharren und von Politikern wie Unternehmen mehr Datenethik einzufordern. Andernfalls drohen wir zu maschinenlesbaren Größen reduziert zu werden.

Dafür lohnt es sich, jeden Tag ein paar Minuten für den schwarzen Gürtel in digitaler Selbstverteidigung zu trainieren.

Sie mochten den Artikel? Dann folgen Sie uns doch bei Twitter, Facebook oder LinkedIn und bleiben Sie über neue Themen auf dem Laufenden!

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.

Schließen