Subscribe & Follow:

Barack Obama oder John McCain: Das war die große Frage im US-Präsidentschaftswahlkampf 2008, den ich während eines Schulaufenthaltes in den USA miterlebte – live und auf Facebook. Denn im Zuge meines Aufenthalts meldete ich mich auf der damals noch jungen Plattform an – nicht nur in einer der spannendsten Phase in der Weltpolitik, sondern auch während der Geburtsstunde des digitalen Wahlkampfs. Denn eben dieser Barack Obama war es, der im Wahlkampf als erster Präsidentschaftskandidat überhaupt auf Social Media setzte und damit den Startschuss für ein neues Medienzeitalter der politischen Beteiligung, aber auch der Rezeption gab. Aber was hat sich seit Obamas ersten politischen Aktivitäten auf Facebook geändert, wie hat die Plattform die Politik geprägt – und woher kommt all der Hass, den wir heute auf Facebook erleben? 

Von Urlaubsfotos zu Hate Speech

Während die Facebook-Timelines in den USA in der Hochphase des 2008er Wahlkampfs von eindeutigen Bekenntnissen zur 44. Präsidentschaft der Vereinigten Staaten geprägt waren, blieb Facebook in Deutschland bis in die 2010er-Jahre hinein erstaunlich unpolitisch. Hier ging es zu Beginn der Netzwerk-Etablierung vor allem um Schnappschüsse, also Bilder von Momenten, die man selbst für außergewöhnlich hielt – Urlaubsbilder, Partyfotos, Bilder von Sonnenaufgängen und Sonnenuntergängen.

Im Vorfeld der Bundestagswahlen 2013 spielte Facebook noch kaum eine Rolle, erst der Wahlkampf um die Bundestagswahl 2017 gilt als „erster digitaler Wahlkampf“. Gerade die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ griff 2017 auf die Plattform Facebook zurück – ihre Beiträge erreichten im Wahlkampf mehr Reaktionen und wurden häufiger geteilt als die der anderen Parteien, kurz nach der Wahl hatte die AfD die mit Abstand meisten Facebook-Fans aller deutschen Parteien. Einer Studie deutscher Kommunikations- und Politikwissenschaftler zufolge sind die Gewinner des Facebook-Wahlkampfes in erster Linie populistische Parteien. Es scheint, als wäre Polarisierung das Mittel der Wahl, um auf Facebook (politische) Erfolge zu feiern.

Keinen Artikel aus dem Murmann Magazin mehr verpassen: Einfach bei Twitter, Facebook oder LinkedIn folgen!

Das illustriert auch eine andere Episode der deutschen Politik: Seit dem Sommer 2015, als vermehrt Flüchtlinge nach Europa und auch Deutschland kamen, hat sich der Ton in den Kommentarspalten so weit verschärft, dass sich allein 2015 die Zahl der Fälle, in denen Privatpersonen Online-Hass bei den Ermittlungsbehörden meldeten, in Bezug aufs Vorjahr fast verdreifachte.

„Wir“ und die „Anderen“

Klar ist jedoch: Hass im Netz ist nicht originär auf Facebook zurückzuführen. Allerdings war Facebook allein aus zeitlicher Perspektive die erste große Plattform, auf der rassistische, antisemitische oder andere menschenverachtende Parolen weitestgehend ungestraft mit Klarnamen veröffentlicht werden konnten. Im Unterschied zur US-amerikanischen Politdebatte ging es im deutschen Diskurs auf Facebook weniger darum, die Nähe zu einer bestimmten Ingroup, also zu „Seinesgleichen“, zu akzentuieren; vielmehr war und ist – gerade seit dem Sommer 2015 – die kommunizierte Ablehnung gegenüber einer Outgroup das Ziel. Ein gefühlt homogenes „Wir“ gegen eine unterschiedlich empfundene Bedrohung: „die Flüchtlinge“, „die Altparteien“ oder einfach „die da oben“.

Bei genauerem Hinsehen lässt sich diese Logik auch anhand des amerikanischen Politik-Diskurses rekonstruieren: Im US-amerikanischen Zweiparteiensystem impliziert die Zugehörigkeit zu einer Seite – Republikaner vs. Demokraten – immer auch gleichzeitig die Abgrenzung zur anderen Seite. In der eher unübersichtlichen deutschen Vielparteienlandschaft greift diese binäre Logik ins Leere. Nicht zuletzt deshalb werden besonders solche Gruppen zur Zielscheibe von Hass, deren vermeintliche Andersartigkeit sich an äußeren – also: schnell erkennbaren und verschlagwortbaren – Merkmalen festmachen lässt. Diese Hate Speech, also sogenannte Hassrede, ist zwischenzeitlich alltäglich geworden: Es ist nicht mehr ausschließlich der eigene Freundeskreis, der mit wütend-exzessiven Verwerfungen in der Facebook-Timeline adressiert wird; Hass wird in Kommentarspalten, gerade von News-Medien, zu einer Botschaft, die sich an die Allgemeinheit oder explizit an bestimmte Personen des öffentlichen Lebens richtet. So bekam Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth nach einer Rüge gegen einen Bundestagsabgeordneten der „Alternative für Deutschland“ insgesamt 11.800 Hasskommentare.

Klarnamen: Mit Stolz hassen

Mittlerweile ist Facebook nicht mehr das einzige Netzwerk, in das verachtende Umgangsformen Einzug gehalten haben – jedoch mit dem Unterschied, dass Facebook im Gegensatz zu Twitter oder Instagram weiterhin (zumindest formal) versucht, eine Klarnamenpflicht durchzusetzen. Dass sich so rassistische, beleidigende und volksverhetzende Posts tatsächlich zumindest teilweise realen Personen zuordnen lassen, unterstreicht die Relevanz von Hassrede im Kontext der Identitätsbestimmung.

Flankiert von Social Bots und Trollfabriken ist die Verrohung des Diskurses mittlerweile zu einer ernsthaften Gefahr für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung geworden. So hat, 15 Jahre nach seiner Gründung, auch Facebook einen nicht unerheblichen Teil zu dieser Verrohung beitragen, indem die Plattform nicht früh genug Grenzen gezogen und vehement gegen die Verbreitung von Hate Speech vorgegangen ist.

Dem Hass begegnen und demokratischen Grundkonsens deutlich machen

Was müssen wir also tun, um den für unsere freie Gesellschaft so wichtigen gleichberechtigten und offenen Diskurs zu stärken? Aus meiner ganz persönlichen Erfahrung haben sich zwei Strategien bewährt, die allerdings nur Hand in Hand denkbar sind:

Erstens, strafrechtlich relevante Posts – und davon gibt es auf Facebook unzählige – konsequent an die einzige zuständige Stelle weiterzuleiten: die Staatsanwaltschaft. Zwar sind die Ermittlungsbehörden personell für diese Masse an Posts kaum ausreichend ausgestattet, aber warum wir im Netz deswegen Umgangsformen akzeptieren sollten, die auf der Straße undenkbar wäre, erschließt sich mir nicht. Darauf hat auch das Bundeskriminalamt reagiert und bereits im vergangenen Jahr erklärt, sich stärker der Bekämpfung und Nachverfolgung von Hass-Postings zu verschreiben.

Zweitens sollten wir – und das nicht nur im Internet – Gemeinsamkeiten statt Unterschiede betonen. Die persönliche Auseinandersetzung mit Hass-Postings und die Diskussion mit den jeweiligen Urhebern ist enorm zeitaufwändig und schlicht frustrierend. Deshalb müssen wir gerade auf Facebook Gegennarrative aufbauen, die Gemeinsamkeiten sichtbar machen und vor allem jungen Nutzern alternative und inklusive Umgangsformen anbieten, verbindende Element betonen. Inkludieren statt exkludieren. Zurück zur Logik der Urlaubsfotos also – nur, dass es nicht um Urlaube, Essen oder Partys als solche und unseren Narzissmus darin geht, sondern um die deutliche Positionierung unter dem Schirm eines demokratischen Grundkonsenses, unseres freiheitlichen Zusammenlebens. So können wir extremistischen, geschlossenen Weltbildern entgegenwirken. Das geht allerdings nur, wenn wir mit aller Konsequenz dort einschreiten, wo im Netz die rote Linie des Grundgesetzes überschritten wird. Keine Lösung ist die Abstimmung mit Füßen, also der Austritt aus sozialen Netzwerken, wäre dies doch nichts anderes als das Wegschauen. Hassrede und Menschenfeindlichkeit sollten wir nicht freiwillig das Feld überlassen. Wir haben es in den Händen – oder Tasten.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.

Schließen