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Noch immer arbeiten Frauen oft unter erschwerten Bedingungen für weniger Geld. Es fehlt an Aufstiegschancen, Diversität und Respekt. Doch auch bei komplexen systemischen Problemen müssen wir den Kopf nicht in den Sand stecken, sondern können diese erkennen und gleichzeitig im Kleinen anfangen.

Im Interview zeigen die Innovationsmanagerin Ute Hamelmann und Schauspielerin Martina Hesse, wie wir mit Veränderung anfangen und warum uns nicht immer gleich alles gelingen muss.

Euer Buch „Unsere Zeit ist jetzt“ nennt ihr ein Actionbook für Frauen, die anders leben und arbeiten wollen. Das ist ein großes Thema. Wo können wir anfangen?

Martina: Wir können jederzeit und überall anfangen, das vermitteln wir ja auch in unserem Buch und wir geben jede Menge Hinweise Methoden und Beispiele an die Hand, dass auch jede  sich das zutraut. Das im Buch beschriebene “Upsen” kann wirklich jeder ausprobieren und es wird zu vielen Ahas und dann auch zu dem “Ja” führen, dass dich ins Handeln bringt.

Ute: Genau, unser Alltag das beste Lernfeld, da nichts spannungs- oder störungsfrei verläuft, schon gar nicht in der Coronazeit. Da müssen wir maximal flexibel sein und immer in die Bedürfnisse der Familienmitglieder reinhören, um das alles irgendwie zu managen. Das wiederum qualifiziert uns bestens für die neue, agile Arbeitswelt. Denn das, was wir zu Hause machen, lässt sich 1:1 ins Neue Arbeiten übertragen.

Durch COVID und den Lockdown erleben derzeit viele Frauen eine doppelte und dreifache Belastung. Macht die Pandemie unsere Gesellschaft rückschrittig?

Ute: Das liest man gerade an vielen Stellen, dass sich die traditionellen Rollenbilder wieder stärker manifestieren. Ja und nein. Auf der einen Seite bleibt viel der sogenannten Care-Arbeit an den Frauen hängen, auf der anderen Seite wird gerade aber sehr sichtbar, wie viel Care-Arbeit wir Frauen eigentlich leisten und wie groß der gesellschaftliche Beitrag dazu ist. In Zahlen ausgedrückt ist der Wert von Care-Arbeit 11 Billionen Dollar weltweit pro Jahr, im Vergleich 24-mal mehr als der Umsatz der Technologieriesen Apple, Google und Facebook zusammen. Und da muss man daraus mal den Schluss ziehen: Wir Frauen wollen mehr wertgeschätzt werden, nicht nur privat, sondern auch beruflich. Es ist Zeit, dass wir gleichberechtigt arbeiten dürfen, Methoden hierfür gibt es genug.

Martina: Das liegt an uns, was wir jetzt, Post-Corona daraus machen. Erstmal ist die Corona Pandemie eine Disruption, eine große Stop-Taste, auch eine Methode, die wir im Buch genauer beschreiben. Das Gute: wir ändern unsere Gewohnheiten. Und das ist immer auch eine Chance diesen Wertewandel, der gerade stattfinden für sich und unsere Gesellschaft zu nutzen. Je wacher, präsenter und aktiver du nun bist, desto mehr veränderst du in deinem Sinne die Welt. Hier bauen wir jede Menge Brücken im Buch.

Ihr warnt vor den Negativ-Loops und Jammer-Fallen. Warum stolpern wir doch immer wieder in sie herein?

Martina: Das sind sehr etablierte Gewohnheiten. Es ist menschlich, da immer mal wieder drinnen zu landen. Das lässt sich prima “Upsen”, je präsenter du bist, desto weniger landest du in diesen Kreisläufen. Das ist Übungssache und macht das Leben wirklich angenehmer.

Ute: Kein Mensch ist perfekt, aber das ist ja auch irgendwie ganz gut, wie langweilig wäre es sonst? Trotzdem ist es gut, immer an sich zu arbeiten und die Welt schon im Kleinen besser zu machen indem man beispielsweise aussteigt aus den Jammerkreisen.

Als Schauspielerin und Cartoonistin – wie haben eure Hintergründe die Arbeit am Buch beeinflusst?

Martina: Humor ist für uns beide lebenswichtig. Und wir reflektieren menschliches Verhalten, Ute in Cartoons und ich in schauspielerischen Vorgängen und Rollen.

Mal über sich selbst zu lachen war nicht nur sehr erfrischend, sondern führt einen sofort in die Metaebene. Wer lacht hat immer eine Art Draufsicht auf den Arbeitsprozess.  Das ist sehr befreiend und ein Kreativitäts-Boost. Wir wollen nicht kompliziert sein, wir wollen die Leserin auch mal zum Lachen bringen, Veränderung macht spaß.

Ute: Ja, Lachen hat etwas sehr Reinigendes, fast wie eine Art Katharsis. Das braucht man in anstrengenden Zeiten schon, die Fähigkeit die Dinge aus der humoristischen Perspektive zu betrachten oder einfach mal rumzublödeln. Außerdem ist Humor sehr verbindend, das gemeinsame Lachen über Fehler oder blöde Situation ist sehr befreiend und schweißt zusammen.

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Ein Thema, das euch besonders wichtig ist, ist die Diversität im Arbeits-Team. Was ist so schlecht daran, dass sich alle einig sind?

Ute: Ich kann es kurz machen, der sogenannte Group-Think-Bias, also das Herdendenken, ist für Unternehmen tödlich. Es kommen dadurch tendenziell immer die schlechteren Entscheidungen zustande. In einer komplexen Welt gilt es, die Komplexität im Unternehmen abzubilden, dazu braucht es diverse Teams und eine gute Diskussions- und Debattenkultur, man kann sich auch mal um eine Sache streiten oder im Konflikt sein, im New Work gibt es viele Tools, die dabei helfen, mit solchen Auseinandersetzungen gut und sachlich umzugehen.

Martina: Wenn Einigkeit die Folge einer Auseinandersetzung am Inhalt ist, ist nichts dagegen einzuwenden. Dann ist es die Folge eines intensiven Arbeitsprozesses. Wir hatten das sehr oft, jede Unklarheit und Reibung führte zu einer Art Konzentrat, eher wie ein Veredelungsprozess und dann ist das auch für viele Stimmig. Wenn man jedoch einig ist nur um schnell Feierabend zu haben, einen Haken zu machen oder die mehr oder weniger bestehende Harmonie nicht zu stören, legt man sicherlich ein ebenso mittelmäßiges Produkt raus. Kreative Prozesse und Innovation leben eben von Auseinandersetzung, vom Ausprobieren, verwerfen und Verbessern Kommunikation ist hier absolut zentral. Team beats Ego, das würden wir unterschreiben.

In „Unsere Zeit ist jetzt“ sprecht ihr euch deutlich fürs Fehler machen aus – und gegen den Perfektionismus. Wie gelingt euch dieser Ansatz selbst im Alltag?

Martina: Ohne Fehler kein nachhaltiges Lernen. Frag die Neurobiologen. Je früher du eine Art Fehlerfrühwarnsystem etabliertes, desto weniger schlimm werden diese wahrgenommen. Im Schauspiel proben wir, so finden wir heraus, wie die Szenen und Rollen funktionieren. Es heißt Proben, nicht schon wissen wie alles geht. Es ist ein prozesshaftes Arbeiten und dabei geschehen Dinge, die größer sind als unsere Vorstellungskraft. Das findest du nur beim Machen heraus. Wenn’s nicht so prickelnd ist, was sagen Schauspieler*innen dann, ach ich komme nochmal rein. Und dann probiert man wieder neu. Das ist beim Prototypisieren genauso. Kurz: Fehler kann man prima “Upsen” und sich dann frei entscheiden, was ist jetzt wichtig und richtig. Beruflich und auch privat.

Ute: Erstens würde mich Perfektionismus bei der Aufgabenvielfalt, die ich täglich in meinem privaten Backlog liegen habe, total überfordern und zweitens Lernen wir aus Fehlern am besten. Das gebe ich auch meinen Kindern mit. Die müssen nicht zwangsläufig gute Noten schreiben, viel wichtiger ist mir, dass sie aus ihren Fehlern lernen, diese reflektieren und überlegen, was sie verbessern können, das haben die inzwischen schon ganz gut drauf. Perfektionismus ist im Zeitalter der agilen Teamarbeit eh so eine Sache.

Man erreicht viel perfektere Ergebnisse, wenn man erstmal mit einer unperfekten Idee in ein Team geht und diese dann gemeinsam und maximal kreativ mit dem Team diskutiert und in verschiedenen Entwicklungsschleifen perfektioniert – ist zumindest meine Erfahrung mit agilen Teams, ich mag diese Arbeitsweise sehr, weil man wenig Verschwendung hat und letztlich viel schneller und fokussierter zum Ziel kommt als allein mit dem Irrglauben, man sei der perfekte Menschen, das ist nämlich niemand.

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