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Das Stadtmuseum von Bassano del Grappa hat im vergangenen Jahr von 60 Gemälden nur die Rückseiten ausgestellt: Bretter, Leinwand, Nägel, Aufkleber, Haken. Die Rückseite der Illusion. Eine wunderbare Idee. Und ein Lehrstück: Das Bild, das jeder von uns nach außen abgibt, ist eben nicht die ganze Wahrheit. Erst die Rückseite zeigt, dass und wie ein Bild „gemacht“ und es in dieser „Gemachtheit“ ganz und gar menschlich ist.

Jedes Hochglanzbild hat eine dunkle Rückseite

So etwas sollten wir auch mit uns selbst tun: Die Rückseiten aus dem toten Winkel der Selbstzufriedenheit und Hochglanz-Illusion herausziehen und anschauen. Was haben wir gebaut? Wo sind die Brüche und Risse, die Unzulänglichkeiten und Ungereimtheiten? Illusion verzaubert. Echter Erfolg und wahres Glück entstehen aber erst aus der Entzauberung der eigenen Illusion. Wenn wir wissen, welches Bild wir nach außen abgeben – und den Abstand zu dem Bild kennen, das wir in uns tragen. Mit Entillusionierung gewinnen wir diesen Abstand. Wir gewinnen Souveränität und Gelassenheit. Und damit die Chance, uns wirklich weiterzuentwickeln. Zugegeben: Entwicklung ist nicht immer angenehm. Doch Wachstum beginnt genau da, wo wir uns nicht mehr sicher sind. An unseren Grenzen. Dort, wo uns die Augen aufgehen. Trauen wir uns also, unsere Augen zu öffnen. „Die Wahrheit ist dem Menschen zumutbar“, hat die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann einmal gesagt. Ich mag diesen Satz.

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Das Leben als „bunten Hund“ entdecken.

Das alles spricht gar nicht gegen die fröhliche Selbstbebilderung auf Social Media und auch nicht gegen professionelle Selbstdarstellung im Real Life. Im Gegenteil! Es ist eine Frage der Höflichkeit und Klarheit gegenüber anderen, dass wir uns und unsere „Mission“ in Worten und Bildern zu erkennen geben. Es macht ja auch Freude. Wir tun aber gut daran, nicht allzu dick aufzutragen – sonst wirken wir nicht mehr authentisch. Und wir tun gut daran, auf das eigene Hochglanzbild nicht hereinzufallen – sonst verlieren wir den Kontakt zu unserer inneren Stimme.

Was hilft? Reflexion. Immer wieder bewusst die verfärbte Brille der Vorannahmen abnehmen, durch die wir auf die Welt schauen. Wie oft ist es da draußen exakt so, wie angenommen? Kaum einmal. Und in uns drinnen auch nicht zwingend. Sich immer wieder bewusst irritieren lassen von anderen Menschen, neuen Situationen, von Musik, von Kunst. Sich verblüffen lassen. Verzaubern. Das Leben als „bunten Hund“ entdecken. Sich selbstgewiss abzuschotten hinter dem eigenen Idealbild ist der vermeintlich leichtere Weg, Selbstverliebtheit gibt ein gutes Gefühl. Macht aber blind. Blind für andere und für uns selbst.

Feiern wir echte Menschmomente!

Wenn wir unser Glück finden wollen, empfiehlt es sich, von uns selbst nicht allzu blind begeistert zu sein. Besser, wir wissen, aus welchem Holz wir gezimmert sind – auch wenn wir unsere „Gemachtheit“ nicht immer zeigen wollen. Und das auch gar nicht müssen.

Der Wunsch nach Perfektion kann zum Ballast werden, sogar die Sicht aufs Wesentliche verstellen. Echter Lebenserfolg ist keine Hochglanz-Illusion. Es geht darum, dass wir nicht aufhören, Fragen zu stellen. Uns selbst und dem Leben. Ehrlichkeit uns selbst gegenüber macht Respekt, Verständnis und Großzügigkeit gegenüber anderen erst möglich. Nur wenn wir immer wieder hinter die Kulissen schauen und das Bild von uns selbst auch mal umdrehen, nur dann werden wir Antworten finden. Und damit das, was sich in diesen Zeiten so viele Menschen so sehr wünschen: Echte Menschmomente.

Gönnen wir uns in diesem frischen, neuen Jahr viel mehr davon. Feiern wir das Leben ohne Filter. Mit allen seinen bunten Aspekten und mit allen verborgenen. Einfach so, wie es ist. Ich wünsche Ihnen ein rundum faszinierendes 2019. Ehrlich.

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