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Für Humanist und Unternehmer Christopher Peterka ist die Sache klar: Wir haben jetzt die Wahl, grundlegende Weichen für die Zukunft zu stellen. Wollen wir so weitermachen wie bisher mit kleinen Änderungen vorangehen oder neu, groß, gar radikal verändern? Analoger Opportunist (letzteres) oder progressiver Optimist (ersteres) entspricht diesen beiden Wegen, Begriffe, die er in seinem Buch „Deine Wahl“ prägt. Welcher Systemwechsel schwebt dem Mann aus dem Rheinland vor, der mit den Denkfabriken gannaca und THE HUS Organisationen weltweit berät, wenn es um Innovationskultur und Zukunftsstrategie geht? Das wollten wir genauer wissen.

In unserem Interview erklärt Christopher Peterka, warum sich unser Schicksal nicht nur an Plastiktüten entscheidet und wie progressive Optimisten beim Systemwechsel mitwirken sollen.

Herr Peterka, in Ihrem Buch schreiben Sie, dass „ein paar Milliarden Plastiktüten weniger im Umlauf kaum den Planeten retten“ werden. Ist das nicht ganz schön negativ?

Ja – und? Gute Laune wird uns nicht dazu bringen den sprichwörtlichen Schuss zu hören. Da braucht es schon etwas mehr Ernst in der Sache. Wenn Ernst gleich mit Negativismus konnotiert wird, fände ich das ausgesprochen schade. Ernstzunehmen ist doch auch, dass im Oktober 2015 die britische Regierung eine verbindliche Gebühr von fünf Pence auf alle Einmalplastiktüten in allen Supermärkten und großen Geschäften erhob. Wie zu erwarten war, haben viele verzweifelt gerufen: „Das funktioniert nie, was soll eine solche Gebühr für einen Unterschied machen?“ Andere beklagten: „Das ist staatliche Bevormundung! Das trifft doch nur die Ärmsten! Das geht zu weit!“ Innerhalb von zwei, drei Jahren ist die Nutzung von Plastiktüten bei den sieben größten Händlern um 86 Prozent gesunken. Das ist ganz schön positiv. 

Und gleichzeitig ist das Problem deutlich größer, als wir es mit dem Verzicht auf Plastiktüten oder Strohhalme lösen könnten. Genau das gilt es auszuhalten. Was wäre es schön, wenn dieser einfache Ablass schon genügte. Aber ob wir nun mit oder ohne Plastiktüten in eine drei Grad Celsius wärmere Welt wandern: es bleibt ein unerträglich heißes Szenario. 

Vor was müssen wir den Planeten denn überhaupt retten?

Den Planeten müssen wir nicht retten – der braucht uns nicht. Wir brauchen den Planeten.  Wenn wir also jemanden retten müssen, dann wohl eher uns als Spezies.

In schon circa dreißig Jahren werden wir die Erde mit circa 9,7 Milliarden Brüdern und Schwestern teilen. Das wird nur gelingen, wenn wir die Erderwärmung bis dahin in den Griff bekommen, unsere überkommenen „Zuviel“-Ideen von Wohlstand und Wachstum gegen neue tauschen und rasch herausfinden, wie diese überaus intelligenten Computer funktionieren, die wir da geschaffen haben. Bevor die ersten von ihnen – deutlich rationaler und logischer als Menschen es bislang vermochten – dem Unsinn des vorgeblich „sapiens“ homo im Umgang mit seinem Habitat einen Riegel vorschieben. 

Christopher Peterka
Christopher Peterka ist Humanist und Unternehmer. Im Buch „Deine Wahl“ beschäftigt er sich mit dem Systemwechsel. Foto: gannaca GmbH & Co. KG

Plastiktüten sind etwas Sichtbares, etwas, das jeder kennt und bei der sich jeder gleichzeitig vorstellen kann, dass es der Umwelt nicht guttut. Braucht es nicht genau solche Symbole, wenn wir den Planeten und uns retten möchten?

Für mich ist es offen gestanden Symbol genug, wenn ich – ohne Anschauung der Person – mit angucken muss, wie Kinder und Jugendliche die Rolle verantwortungsbewusster Erwachsener einnehmen, indem sie ihnen erklären, was ihre Aufgaben wären. Die Plastiktüte ist einfach nur peinlich. Selbst in meiner eigenen Kindheit war sie schon Thema und wurde aus den gleichen Gründen wie heute durch Jutebeutel ersetzt, weil die ein so schönes Symbol darstellten.  Hat das über die letzten 30 Jahre einen wirksamen Haltungswechsel mit sich gebracht?  

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Anscheinend nein. Aber in Ihrem Buch laden Sie dazu ein, einen Systemwechsel mitzugestalten. Wie genau soll dieser Systemwechsel aussehen?

Der Systemwechsel, der mir vorschwebt, beginnt damit, dass wir das tun, was ich seit 30 Jahren als Behauptung aus der Politik höre: in Bildung investieren. Und zwar in einer Art und Weise, die im Vergleich zu den In- und Subventionen in andere Bereiche auch wettbewerbsfähig wäre: sprich in ganz, ganz großem Stile. Aber Vorsicht: wenn ich Bildung sage, meine ich nicht mehr Gebäude. Sondern vor allem mehr Zeit, mehr Freiraum und mehr Inspiration für alle Beteiligten.

Denn nur, wer sich selbst kennt und vertraut, wird in der Welt von Morgen mental und physisch gesund überleben können. Ein Digital-Sabbatical für alle, zehnmal so viele Lehrer wie heute – jede Schule, jede Akademie in Deutschland auf dem Ausstattungs-Niveau eines Autosalons, wie wir ihn in einer durchschnittlichen Mittelstadt heute finden. 

Und über die Bildung hinaus?

Wir könnten das Menschsein neu entdecken und aufhören zu glauben, wir müssten mit der Geschwindigkeit von Computern mitzuhalten. Das macht uns nur fertig – die Volkskrankheit Depression lässt grüßen. Wenn wir demnächst alle 100 Jahre alt werden können sollten und nicht mehr so viel Arbeiten brauchen, weil das die Computer für uns erledigen, dann sollten wir jetzt unser Verhältnis zur Arbeit, zu den Maschinen und damit zu uns neu interpretieren. 

Unser EU-Nachbar Estland hat es vorgemacht: unabhängig vom Territorium, unabhängig von industrieller Erwerbsarbeit und deren Besteuerung mit einem Government-as-a-Service-Modell. Es geht also – sogar in Europa – und ist keineswegs Utopie. 

Außerdem könnten wir begreifen, dass wir als Spezies ein so spektakulärer Erfolg sind, dass das aktuelle Erdzeitalter nach uns benannt ist: Anthropozän. Mit so einem Titel kommt Verantwortung: diesen Planeten als unsere Lebensgrundlage zu erhalten. Und zwar für uns alle und nicht nur für ein paar Restinseln, auf denen es sich in 50 Jahren vielleicht noch aushalten lässt, während drumherum alles in Chaos, Dürre und Feuer versinkt. 

Was macht für Sie progressive Optimisten aus, die ja am Systemwechsel beteiligt sein sollen?

Zu allererst ist das die Entschlossenheit, ja Lust, daran aktiv, positive Entscheidungen für eine Zukunft zu treffen, in der wir mit Phänomenen wie dem Anthropozän, dem Transhumanismus oder Künstlicher Intelligenz gesund und mit Blick auf den Menschen umgehen. Progressive Optimisten sind sich Schwierigkeiten und Problemen sehr ernsthaft bewusst. Gleichzeitig allerdings sind sie auch überzeugt vom Einfallsreichtum der Menschen, ihrer Kreativität und unglaublichen Anpassungsfähigkeit. 

Sie interessieren sich auch beruflich für den Systemwandel in Wirtschaft und Gesellschaft, beraten dazu Organisationen und Unternehmen. Wie reagieren diese auf Ihre Thesen zum Systemwechsel?

Meine Mandanten reagieren oft erleichtert, weil sie als kluge, erfahrene und empathische Führungskräfte wissen, dass wir ein neues „Betriebssystem” dringend brauchen. Stromlinienantworten haben für sie ausgedient. Der Appetit auf radikale Thesen und Impulse ist derzeit riesig.

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