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Innovationen sind das Salz in der Suppe aller Unternehmen. Früher wie heute. Die Bouillon allerdings so zu würzen, dass sie dem Kunden schmeckt, ist kein aktueller Budenzauber, sondern der ewig junge Urgedanke erfolgreicher Suppen- und Produktentwicklung. Kein Wunder also, dass derzeit neben unendlichen Kochshows und Rezeptratgebern auch eine inflationäre Rallye an Innovationsartisten zu finden ist, die nimmermüde an die Einfachheit der perfekten Lösung appellieren und diese versprechen. Hier die Spreu vom Weizen zu trennen, ist nicht einfach. Zu viele Aufschneider, Übertreiber, Ablenker und Flachsinner sind unterwegs. Wir begeben uns deshalb auf die Suche nach wirklich überzeugenden Büchern und Autoren.

„Sprint. Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst“

Zunächst treffen wir die Allmächtigen, die an die methodische Beherrschbarkeit von Innovation glauben. Eine schnelle Lösung für ein Problem finden, schnell auf eigenen Füßen stehen und die besten Ergebnisse in kürzestmöglicher Zeit bereitstellen. Das ist die Königsrezeptur der neuen digitalen Wirtschaftssuppe. Und wer beherrscht sie besser als Google & Co.? Jake Knapp und zwei Kollegen von Google Ventures sind die Vorturner der so genannten Sprint-Bewegung, welche die Allmacht der schnellen und effizienten Problemlösung zum Kinderspiel erklärt. In fünf Tagen – ruckzuck (Jake Knapp, John Zeratsky, Braden Kowitz: Sprint. Wie man in nur fünf Tagen neue Ideen testet und Probleme löst. 252 Seiten. Redline Verlag, München 2016). Das Buch liest sich wie ein wöchentlicher Speed-Event. Am Montag Problem erkannt, am Dienstag erste Lösungen skizziert, am Mittwoch Entscheidungen getroffen und erste restbare Hypothese gefunden, am Donnerstag den Prototypen geschaffen und am Freitag in der Community getestet. Ok, Gott brauchte wenigstens noch sieben Tage, bei Google wird die Welt schon mal in fünf Tagen neu erfunden. Ironie beiseite, das Buch überzeugt mit durchaus praktikablen Tipps und originellen Hinweisen. Kein Ratgebergedöns von oben. Und alles narrativ eingebettet in tausenden Beispielen und Momenterfahrungen. Hübsch erzählt, schnell auf den Punkt gebracht. Inklusive Checklisten. Coole Einsteigerlektüre.

„Digitale Disruption. Die nächste Stufe der Innovation“

Hyperoptimistisch ist auch Jens-Uwe Meyer, den sein Verlag gleich als „Deutschlands führenden Innovationsexperten“ anpreist (Jens-Uwe Meyer: Digitale Disruption. Die nächste Stufe der Innovation. 284 Seiten. Business Village, Göttingen 2016). Gleich vorweg: Manche Tschakka-Semantik nervt in diesem Buch, aber es offeriert an vielen Stellen eine weitreichende Klarsicht, vor allem sind die kleinen disruptiven Unternehmensprofile sehr aufschlussreich. Interessant ist überdies die Beschreibung der digitalen und analogen Wirklichkeiten. In den Medien das Schlüsselthema schlechthin. Meyers Rat: „Das Bestehende durch fortwährende Innovationen so lange wie möglich erhalten und es durch radikale neue Entwicklungen gleich zu ersetzen. Gleichzeitig bewahren und bekämpfen.“ Klingt schizophren, ist es wahrscheinlich auch. Aber keine Unternehmensstrategie kommt mehr darum herum. „Behandeln Sie beide Ziele mindestens drei bis fünf Jahre lang mit gleicher Priorität.“ Im Klartext: Keine Kompromisse. Das Alte und Neue gleichermaßen mit voller Kraft weiterführen. Meyers Buch ist genau an diesen Stellen anregend und überraschend. Ein wenig mehr Bescheidenheit, vor allem der Fremdzitatgeber, hätte ihm trotzdem gut getan.

„Lockerlassen. Warum weniger Denken mehr bringt“

In diese Kerbe schlägt übrigens Steve Ayan. Der Psychologe und Wissenschaftspublizist widmet sich in seinem unterhaltsamen Buch der Selbstüberhöhung und Selbstüberschätzung durch bewusstes Denken. Sein Zeigefinger ist unübersehbar. Ständig sei man auf sich selbst fixiert, auf das, was man erreichen muss, oder auf das, was von einem verlangt wird. Die Folge: Verkrampfung, weniger Innovation. Deshalb rät der Autor zu Recht: „In vielen Fällen haben wir tatsächlich mehr davon, wenn wir uns und unserem Tun weniger Aufmerksamkeit schenken.“ Mehr denken und optimieren führe keinesfalls zu mehr Erfolg, und schon zweimal nicht zu mehr Kreativität und Innovation. Lockerlassen, Lustvolles tun, Selbstvergessenheit anstreben. So lautet das Gegenprogramm in der rationalen Schraubzwinge der Moderne, aus denen erst „Freiräume, in denen wir nichts leisten oder darstellen müssen“, den Ausweg weisen. Erst danach könne das Paradies individueller Kreativität beginnen (Steve Ayan: Lockerlassen. Warum weniger Denken mehr bringt. Klett-Cotta, Stuttgart 2016).

„Das Black Box-Prinzip. Warum Fehler uns weiterbringen“

Noch mehr Salz in die Suppe streut der englische Publizist Matthew Syed. Der frühere Tischtennis-Profi schert sich wenig um die Alles-ist-möglich-Innovationskultur, sondern begibt sich in die Abgründe der Fehler und des Scheiterns (Matthew Syed: Das Black Box-Prinzip. Warum Fehler uns weiterbringen. 382 Seiten. dtv premium, München 2016). Dort entdeckt er die Quelle neuer Komplexität als Ausgangspunkt innovativer Prozesse. Syed verlangt eine gesunde Einstellung zum Scheitern. „Für das Gehirn, das Individuum, Organisationen und Systeme sind Misserfolge ein Mittel – und manchmal das einzige Mittel -, zu lernen, sich weiterzuentwickeln und kreativer zu werden.“ Üben, üben und nochmal üben! Und jedes Mal seine Freiheitsgrade erhöhen. Kleine Schritte gehen, bevor sich eine größere Tür öffnet. Das klingt fast schon altbacken, ist aber eine pragmatische und erfolgreiche Haltung in der überbordenden Fülle neuer Ideen, Produkte und Start-up-Fantasien. Und im Tischtennis sowieso die Demutshaltung schlechthin.

„Die Honigfabrik. Die Welt der Bienen – eine Betriebsbesichtigung“

Mehr Fehler wagen und weniger denken, das klingt wie ein Anti-Stressprogramm für überforderte Selbstoptimierer. Es zeigt aber auch, wie die Unkonventionellen ans innovative Ziel geraten können. Auch in der Tierwelt gibt es Spezies, die innovativer und erfolgreicher als andere sind. Zum Beispiel Bienen. Sie „verhalten sich, als ob sie denken könnten, als ob sie planen würden und als ob sie selbstlos wären.“ Sagt der Würzburger Bienenprofessor Jürgen Tautz. Er hat mit seinem Co-Autor Diedrich Steen ein unfreiwillig wunderbares Innovationsbuch geschrieben (Jürgen Tautz, Diedrich Steen: Die Honigfabrik. Die Welt der Bienen – eine Betriebsbesichtigung. 260 Seiten. Gütersloher Verlagshaus, München 2017). Im Zentrum steht der Bienenstaat als innovatives Unternehmen, in dem Selbstlosigkeit, gegenseitige Hilfe, Leidenschaft und Entrepreneurship die Wertegrundlagen bilden. „Mit dem Bienenstaat hat die Natur einen Superorganismus hervorgebracht, der (fast) alles richtig macht.“ Mit einer Schwarmintelligenz, die in der Natur ihresgleichen sucht. Bei der Lektüre des Buchs fallen einem die aktuellen Modewörter der digitalen Transformation als Analogien wie Schuppen von den Augen. Agile Kollaboration und Omnichannel-Strategie beispielsweise sind für Bienen kein Problem. Und die Demut, sich in jedem Augenblick mit wachem Geist in das Unternehmen einzubringen und seine aktuelle Aufgabe zu erfüllen, ist Voraussetzung jedes erfolgreichen Teambuildings in der digitalen Wirtschaft. Und wenn’s mal unternehmerisch schiefgeht? „Bienen kapitalisieren ihren Besitz nicht in den Händen weniger. Es wird geteilt, was da ist. Und wenn nichts mehr da ist, dann sterben alle.“

„Digital Innovation Playbook. Das unverzichtbare Arbeitsbuch für Gründer, Macher und Manager“

Das Beratungsunternehmen Dark Horse in Berlin ist in diesem Sinne auch eine Honigfabrik. Denn dort wird ebenfalls geteilt, was da ist. Nämlich unter den mehr als 30 Gesellschaftern, allesamt frühere Studenten am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, die nach dem Studium zusammengeblieben sind und jetzt im Schwarmintelligenz-Modus deutsche Großunternehmen beraten. Auf der Basis eines Buches, das derzeit als Geheimtipp in der Szene gehandelt wird. Darin haben die Horses außerordentlich intelligent ihr gesamtes Methoden- und Praxiswissen gepackt, es auf einem Spieltableau angeordnet und am Ende Playbook genannt. Ihr Grundgedanke: Hinter jeder Stufe eines digitalen Innovationsprozesses stehen die geeigneten Werkzeuge und Methoden, mit denen man Probleme löst und neue Produkte schafft. Gewusst wie? Darauf gibt das Buch wertvolle Antworten selbst für abgebrühte Praktiker und Praxis-Taktiker (Dark Horse Innovation: Digital Innovation Playbook. Das unverzichtbare Arbeitsbuch für Gründer, Macher und Manager. Murmann Publishers, Hamburg 2016).

„Digital Disruption. Wie Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten“

Außerdem wollen wir auf ein kleines Büchlein hinweisen, das die digitale Transformation sehr komprimiert, aber umso anschaulicher auf den Punkt bringt, ohne erzählerisch belanglos zu werden (Kurt Matzler, Franz Bailom, Stephan Friedrich von den Eichen, Markus Anschober: Digital Disruption. Wie Sie Ihr Unternehmen auf das digitale Zeitalter vorbereiten. 148 Seiten. Verlag Franz Vahlen, München 2016). Die vier Autoren bändigen den thematischen Wildwuchs mit harter Hand. Sie stutzen, reduzieren und schneiden komplexe Sachverhalte auf das Wesentliche zu. Flankiert von kleinen Geschichten und Erzählungen. Der Mehrwert liegt indes in der Kürze der Würze: Listen, Statistiken, Best-of, Schlagwörter, Muster, Handlungsfelder und Bullet Points schaffen ein „fast reading“ Nachschlagewerk für die digitale Welt. „Alles, was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert“, lautet ihr Credo, egal ob Produkte und Dienstleistungen, Prozesse und Entscheidungen oder Geschäftsmodelle. Kein Gedöns.

„Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb.“

Zu guter Letzt wollen wir noch kurz auf Roland Eckert hinweisen, Professor für Finanzen und Entrepreneurship in Düsseldorf. Ihm ist es gelungen, die heterogenen Theorie- und Begriffswelten rund um die neuen digitalen Geschäftsmodelle zu ordnen und in eine wissenschaftlich konsistente Übersicht zu stellen (Roland Eckert: Business Innovation Management. Geschäftsmodellinnovationen und multidimensionale Innovationen im digitalen Hyperwettbewerb. Springer Gabler, Wiesbaden 2017). Wer also tiefgründiger verstehen will, warum der klassische Blick auf die eigene Branche und die Marktanteile nicht mehr ausreicht, findet hier neue übergreifende Sichtachsen und Begriffe. Der Chancenanteilswettbewerb von morgen, wie ihn Eckert nennt, ist nämlich längst ein Wettlauf um die Zukunft geworden. Unternehmen werden zu Business Innovation Factorys, die ständig um das Prototyping der eigenen Geschäftsmodelle kreisen. Die eindimensionale Innovation in abgegrenzten Wettbewerbsfeldern spielt dabei nicht mehr die zentrale Rolle. Marktanteile sind Schall und Rauch. Innovative Unternehmen von morgen vernetzen sich mit globalen Möglichkeitsräumen. Immer und überall. Die alte Welt stirbt.

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