Mittelstand, das klingt grundsolide. Man denkt an Familienunternehmen und „Made in Germany“, aber weniger an digitale Produkte und Innovation. Zu Unrecht? Das wollten wir von Olaf Marsson wissen. Marsson, selbst Unternehmer aus Berlin, ist Vorstandsvorsitzender des Jungen Mittelstands. Der Junge Mittelstand ist eine Unit des großen Bundesverbands mittelständische Wirtschaft, kurz BVMW. Als solche nimmt sie seit der Gründung im Oktober 2016 die Themen der jungen Unternehmer in den Blick – und ihre Arbeitswirklichkeit.
Im Interview erklärt Olaf Marsson, wie innovativ der Mittelstand wirklich ist und wie unterschiedliche Generationen im Jungen Mittelstand aufeinanderprallen.
Herr Marsson, Sie sind Präsident des Jungen Mittelstands. Da stellt sich natürlich die Frage – was ist der Mittelstand überhaupt?
Da gehen auch in Deutschland die Definitionen sehr weit auseinander. Wir meinen damit Unternehmen, die schon länger am Markt sind und entweder eine gewisse Umsatzgröße übersteigen – in der Regel eine Millionen Euro – oder mindestens schon zehn Mitarbeiter beschäftigen. Es gibt natürlich auch Ausnahmen. Zu unserer Gruppe des Jungen Mittelstand kann zudem gehören, wer zwischen 18 und 45 Jahren alt ist.
Wie und wo ziehen Sie die Trennlinie zwischen Startup und Mittelstand?
Mittelstand heißt auch, dass das Unternehmen keine – noch recht lose – Biertisch-Idee ist, sondern sich bereits am Markt beweisen kann. Daher die genannten Faktoren, mit denen wir uns auch bewusst vom klassischen Startup-Verband abheben.
Mit der Altersgruppe zwischen 18 und 45 Jahren umfasst der Junge Mittelstand gleich drei Generationen: von X über Y bis hin zu den Millenials, der Generation Z. Jeder dieser Generationen wird ein unterschiedliches Verständnis von Arbeit nachgesagt. Merken Sie, dass da unterschiedliche Gruppen aufeinandertreffen?
Ja, wir decken ein breites Spektrum an jungen Unternehmern ab und merken schon sehr deutlich die Unterschiede zwischen 25-Jährigen und 35-Jährigen. Es gibt ein anderes Mindset.
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Wie meinen Sie das?
Wir leben aktuell immer noch in einer konjunkturellen Hochphase. Das heißt, den Menschen geht es schon über einen sehr langen Zeitraum sehr gut, viele junge Erwachsenen sind im Wohlstand aufgewachsen – was bei den Generationen vor X eben nicht der Fall war. Und das hat Auswirkungen auf die Vorstellungen wie der Arbeitsplatz aussehen soll, wie viel Power man in den Job reingeben muss. Es gibt heute ein ganz anders Verständnis für das Verhältnis von Familie und Beruf als noch vor 20 oder 30 Jahren.
Die Jüngeren sind also anspruchsvoller?
Auf jeden Fall, auch die Bewerber. Der Fachkräftemangel trägt dazu bei, das haben wir in unserer Firma bei den letzten Bewerbungen selbst festgestellt.
Pokern die Bewerber mehr?
Ja, das erleben wir nicht nur bei Bewerbern, sondern auch bei bestehenden Mitarbeitern. Das sind ganz andere Gespräche als noch vor zehn oder 15 Jahren.
Der Mittelstand wird ja gerne als Rückgrat der deutschen Wirtschaft beschrieben, in Zahlen soll er 45 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung beisteuern. Aber wenn es um Innovation geht, hört man doch eher von innovativen Startups oder den großen US-amerikanischen Konzernen. Tut man den mittelständischen Unternehmen damit Unrecht?
Es gibt sehr große Unterschiede. Ja, es gibt Bereiche des Mittelstands, in denen Innovation und Digitalisierung noch nicht angekommen sind. Aber es gibt auch die andere Seite. Wir haben in Deutschland ja nicht nur bei Startups Hidden Champions, sondern vor allem auch viele mittelständische Unternehmen, die Hidden Champions sind. Und oft geht die Innovationskraft eines Unternehmens auch auf den Wettbewerbsdruck zurück, den manche Firmen eben stärker haben und entsprechend mehr gefordert sind.
Mit Ihrem eigenen Unternehmen sind Sie im Eventbereich aktiv und setzen dort vor allem auf Nachhaltigkeit. Wie schätzen Sie denn die Bereitschaft von Unternehmen ein, nachhaltig und in diesem Bereich innovativ zu sein?
Die Bereitschaft ist auf jeden Fall sehr groß, zumindest was die Eventbranche hier in Berlin angeht. Wir haben in Berlin mit dem Aufruf, die Stadt als Sustainable Event Metropole zu verändern, fast 50 Unternehmer gefunden, die daran seit fast zwei Jahren mitwirken. Wir wollen die Stadt, aber auch das eigene Unternehmen, nachhaltiger machen – und besetzen damit aktuell noch einen Nischenmarkt, der extrem großes Potenzial hat.
Welche nachhaltigen Entwicklungen stoßen Sie da genau an?
Wir haben verschiedene Handlungsfelder ausgearbeitet, es geht um soziale Verantwortung, Abfallmanagement, Beschaffung, Catering, Energie und so weiter. Jedes Unternehmen unserer Initiative hat für sich selbst geschaut, wo mit relativ einfachen Möglichkeiten ein großer CO2-Einsparfaktor erreicht werden kann oder wie die soziale Verantwortung stärker nach vorne gebracht werden kann. Und natürlich ist auch Digitalisierung aktuell ein Riesenthema, um nachhaltiger, aber auch innovativer zu werden.
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Wenn wir Nachhaltigkeit als einen Baustein von Innovation betrachten – was genau macht für Sie als Unternehmer Innovation aus?
Auf jeden Fall Veränderung, also auch das Hinterfragen bestehender Strukturen und Prozesse. Ein Beispiel: Wir haben als Eventagentur mit 200 bis 300 Kunden im Jahr sehr viele Location-Besichtigungen gemacht. Das haben wir fast komplett abgeschafft. Das funktioniert alles nur noch virtuell, das heißt: Die Kunden kommen zu uns, benutzen eine Virtual-Reality-Brille und können sich alle Locations, die wir im Portfolio haben, anschauen. Wir wollen aber zukünftig auch dafür sorgen, dass die Zahl der Eventteilnehmer, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, steigt. Etwa, indem die Veranstaltungsstätten deutlich besser an öffentlichen Verkehrsknotenpunkten gelegen sind oder bei den Eintrittskarten bereits Tickets für öffentliche Verkehrsmittel enthalten sind. Sie sehen also: Mittelstand, Nachhaltigkeit und Innovation kann ziemlich gut zusammengehen.
Titelbild: pexels.com; Foto Olaf Marsson: Berlin Event