…Ansgar Baums und Thomas Ramge
Der Geopolitikexperte Ansgar Baums und der Spiegel-Bestsellerautor und Technikexperte Thomas Ramge fordern intelligentes, geopolitisches Risikomanagement in einer umkämpften, ungeordneten Welt. Und sie zeigen mit ihrem Buch „Die Stunde der Nashörner. Wie Unternehmen die neuen geopolitischen Risiken managen.“ wie das geht.
Im Interview verraten die Autoren, was intelligentes, geopolitisches Risikomanagement für sie bedeutet.
Herr Baums, als Senior Advisor bei Sinolytics und Herr Ramge als professioneller Sachbuchautor – wie haben Ihre unterschiedlichen beruflichen Hintergründe die Zusammenarbeit an diesem Buch geprägt?
Ansgar Baums: Ich berate Unternehmen in konkreten Projekten zum geopolitischen Risikomanagement, habe früher diese Rolle bei HP innerhalb eines Unternehmens wahrgenommen. Dazu habe ich mich intensiv mit chinesischer und US-amerikanischer Politik auseinandergesetzt, die direkten Einfluss auf Tech-Wertschöpfungsketten. Somit hat Thomas vor allem bei Buchaufbau, Textstruktur und Stil unterstützt und nachgeschärft. Ich war als Experte bei den Inhalten im Lead und habe auch die erste Fassung des Textes geschrieben.
Ihr Buch erscheint zum Zeitpunkt intensiver geopolitischer Spannungen. Wie haben sich die Ereignisse während des Schreibprozesses auf Ihre Analysen ausgewirkt?
Thomas Ramge: Im Moment beherrscht die Geopolitik die Schlagzeilen. Man kommt gefühlt kaum noch nach. Für uns war es deswegen von Anfang an wichtig, zwischen langfristigen Trends und der Hektik der Nachrichtenlage zu unterscheiden. Tatsächlich gibt es eine Menge Kontinuitäten. Die handelspolitischen Streitigkeiten hatten sich schon lange angekündigt – insofern bestätigen sich die Grundannahmen des Buches: Die Zeiten einer friktionslosen, hyperglobalisierten Welt sind vorbei. Das “neue Normal” ist eine geopolitisierte Welt, in der sich Unternehmen zurechtfinden müssen.
Panikmache hilft dabei ebenso wenig wie Schönrederei. Uns geht es um eine sachliche Analyse. Unternehmen haben begrenzte Ressourcen, um ihre geopolitische Resilienz zu erhöhen. Wir wollen dabei helfen, diese Investitionen möglichst zielgerichtet zu tätigen.
Sie sprechen vom Aufbau „geopolitischer Muskeln“ in Unternehmen. Welche Fähigkeiten müssen Organisationen entwickeln, um geopolitisch resilient zu werden?
Ansgar Baums: Zunächst einmal müssen sich Unternehmen einen Überblick verschaffen, welchen geopolitischen Risiken sie überhaupt ausgesetzt sind. Wir diskutieren drei verschiedene geopolitische Risikovektoren: Krisenereignisse, regulatorische Risiken sowie die langfristige Spaltung des IT-Stacks. Krisenereignisse stehen oft im Zentrum der Berichterstattung, sind bezüglich ihrer Mitigierung aber eigentlich eher auf der taktischen Ebene angesiedelt. Dafür gibt es Business Continuity Management. Noch wichtiger erscheint uns die strategische Antwort auf regulatorische Risiken und den sich spaltenden IT-Stack. Diese Antworten kann ich nur geben, wenn ich alle Muskeln des Unternehmens (“enterprise business capabilities”) aktiviere.
Im Buch präsentieren Sie Fallbeispiele von Unternehmen wie Volkswagen, Apple und BASF. Welche dieser Strategien halten Sie für besonders zukunftsweisend?
Ansgar Baums: So pauschal kann man das nicht sagen. Die geopolitische Risikostrategie orientiert sich vor allem an der Antwort zur Frage, welche Rolle das Unternehmen zukünftig in China spielen will. Wenn ich Teil des chinesischen Tech-Marktes sein will, muss ich dort erstens heftig investieren (insbesondere in Forschung und Produktentwicklung), und zweitens meine Unternehmensstruktur so anpassen, dass ich weniger anfällig bin gegenüber geopolitischer Regulierung, zum Beispiel durch Lokalisierung meiner IT-Infrastruktur.
An wen richtet sich „Die Stunde der Nashörner“?
Ansgar Baums: Zunächst richtet sich das Buch an Verantwortliche in Tech-Unternehmen. Wir fassen “Tech-Unternehmen” dabei sehr weit: Bezogen auf geopolitische Risiken sind heute de facto alle Unternehmen Tech-Unternehmen, die umfangreich Software im Einsatz haben. Produzierende Unternehmen in Deutschland sind nahezu alle in globale Lieferketten eingebunden. Für sie bietet unser Buch nicht nur Kontext, sondern auch praktischen Rat. Aber wir hoffen, dass “Die Stunde der Nashörner“ auch für alle Leser spannend ist, die sich allgemein für die Auswirkungen von Geopolitik auf Wirtschaft, den aktuellen Zollirrsinn der Trumpregierung, die Machtmechaniken in China und die Handlungsoptionen Deutschlands und der EU interessieren.
Zuletzt eine persönliche Frage: Welches Buch habt Ihr zuletzt gelesen?
Thomas Ramge: Ansgar liest gerade “Ultrasociety” von Peter Turchin, und ich höre zurzeit “The Trading Game” von Gary Stevenson als Audiobook.