Durch die Corona-Pandemie entstehen Probleme, die mit bekannten Mustern nicht zu lösen sind. Individuen, Politik und auch Unternehmen tun sich mit einer solchen Krise äußerst schwer. Warum? Weil menschliches Verhalten von Mustern geprägt ist, die in der Vergangenheit funktionierten. Darum wird, bewusst oder unbewusst, an solchen Mustern festgehalten? Weil sie Sicherheit versprechen. Einen Ausweg bilden Experimente, mit denen Lösungen und Antworten für prinzipiell unbeantwortbare Fragen getestet werden können. Fünf Erkenntnisse, Gedanken und Ideen, die uns darin bestärken, dass Sicherheit durch Experimente im Unternehmen hergestellt werden kann.
Verwechslungsgefahr: Risiko, Unsicherheit, Ungewissheit
In der Corona-Pandemie wird ein Phänomen deutlich, das auch jenseits von Krisensituationen auf moderne Gesellschaften zutrifft: Es herrscht zunehmend Ungewissheit. Diese unterscheidet sich von ihren harmloseren Verwandten der Risiken und Unsicherheiten, mit denen man noch halbwegs gut umgehen kann, wenn gewisse Wahrscheinlichkeiten und relevante Erfahrungen aus der Vergangenheit vorhanden sind. Spätestens jetzt, seit Beginn der Pandemie, wird klar, dass die klassischen Muster des Managens nicht mehr greifen. Wenn Komplexität im Spiel ist und Kausalitäten weder berechnet noch überhaupt verstanden werden können, muss eine Alternative zum Planungs- und Steuerungsmodus gefunden werden.
Durch Experimente mit Ungewissheit umgehen
Es geht nicht ohne Experimente, da alle gesellschaftlichen Bereiche betroffen sind. Organisationen, die im Experimentieren geübt sind, finden einen schnelleren »Einstieg« in Krisen und können sich auf Überraschungen leichter einlassen. So war es für die Schülerinnen und Schüler der Evangelischen Schule Berlin Zentrum bereits vor der Corona-Krise selbstverständlich, sich neuen Stoff selbst zu erschließen. Täglich mussten sie sich für ein Lernbüro entscheiden, um dort anhand vorbereiteter Lernmodule eigenverantwortlich den Stoff zu bearbeiten. Frontalunterricht gab es ohnehin noch nie. Selbstverantwortetes Lernen war im regulären Betrieb immer schon möglich und gefordert. Umso leichter fällt es diesen Kindern nun, sich selbst zu unterrichten. Ungewissheit ist somit durch das Organisationsdesign bis zu einem gewissen Grad in den Schulalltag eingebaut.
Strukturen schaffen, die eine gewünschte Kultur ermöglichen
Ähnlich verhält es sich bei allsafe, einem Produzenten von Ladegutsicherungssystemen: Seit Jahren wird auf die Eigenverantwortung von Teams und Einzelpersonen gesetzt und in allen Prozessen auf ein Zwei-Augen-Prinzip ohne weitere Kontrollen verzichtet. Wer in solchen Settings sozialisiert wird, kann leichter Entscheidungen treffen und seinen Aufgaben eigenverantwortlich nachkommen. Dadurch, dass das Unternehmen nicht nach Abteilungen, sondern nach Prozessen strukturiert ist, ist der Blick für das Ganze und für komplexe Zusammenhänge gefordert. Ob der einzelne Mitarbeitende dazu in der Lage ist, bleibt offen – und beweist sich erst in der Zusammenarbeit. Aber nicht erst in einer Krise, sondern lange davor. Der Geschäftsführer berichtet davon, wie reibungslos die Umstellung – trotz Auftragseinbrüchen von bis zu 75 Prozent – vonstatten ging.
Robustheit vor Effizienz
Während der Krise zeigte sich auf dramatische Weise, welche Folgen eine einseitige Ausrichtung auf Effizienz haben kann. Die Atemschutzmaske bzw. deren Mangel wurde zum traurigen Symbol dafür. Vernachlässigt wurde Robustheit, eine Größe, die mindestens ebenso wichtig für die Überlebensfähigkeit von Systemen wie Effizienz. Wir beschäftigen uns seit 20 Jahren mit Organisationen, die für ausreichend Robustheit sorgen. Diese Musterbrecher versuchen nicht, Fehler – oder besser: Irrtümer – im Vorfeld durch bürokratische Regelwerke zu vermeiden. Es wird auf Redundanz gesetzt. Teilweise wird bewusst auf Synergiepotenziale verzichtet. Und es werden Menschen mit vielfältigen Biografien eingestellt, die auf den ersten und manchmal sogar auf den zweiten Blick nichts mit der originären Aufgabe des Unternehmens zu tun haben. All das trägt dazu bei, besser mit Überraschungen und Ungewissheit umgehen zu können.
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Es geht um den Zweck, nicht um Ziele
Dass man sich in der Gesellschaft mit Robustheit und Vielfalt schwertut und stattdessen nach dem effizienten one best way sehnt, zeigt sich derzeit an der Kritik am föderalistischen System und am Unbehagen, das durch zwangsläufig widersprüchliche Expertenaussagen ausgelöst wird. Wenn bewusst wäre, wie wichtig Robustheit ist, würde die bloße Fixierung auf eindimensionale und häufig unterkomplexe Ziele und deren möglichst effiziente Erreichung in den Hintergrund treten. Wenn man sich in der Gesellschaft wieder klarer machte, was der Zweck vieler Einrichtungen ist, müsste man Kliniken, Kindertagesstätten und Schulen weniger an Zielen ausrichten. Denn: Ein Zweck hat Bestand, ein Ziel verflüchtigt sich.
Fazit: Sicherheit durch Experimente in Unternehmen
Denken Sie an die gefährlichen Nebenwirkungen, wenn nur die Effizienz im Mittelpunkt steht. Bauen Sie in Ihre Organisation Robustheit ein und denken Sie über sinnvolle »Verschwendung« nach. Schaffen Sie Strukturen, die Menschen in die Lage versetzen, permanent mit Überraschungen konfrontiert zu sein. Versuchen Sie nicht, in Zeiten von Ungewissheit in den Kategorien von Planung und Risikomanagement zu denken, sondern haben Sie den Mut zu experimentieren. Wir sind davon überzeugt: Wenn es gelingt, in allen Bereichen der Gesellschaft eine Haltung des Experimentierens zu verankern, dann entsteht daraus eine Sicherheit, besser mit der Unplanbarkeit zurechtzukommen.
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Titelbild: pexels.com