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Was ist der beste Weg, um Dinge zu verändern? Voranzugehen und manchmal einfach Tatsachen zu schaffen. Das gilt auch und vielleicht besonders für das Thema der Führung in Unternehmen.

Um Zusammenarbeit neu zu denken und mit neuen Regeln Eigenverantwortlichkeit zu ermöglichen, haben wir uns bei B. Braun zu Beginn des Jahres 2017 etwas Ungewöhnliches vorgenommen: Wir sprengen unsere Organigramme! Organigramme bestehen aus Kästen, Grenzen und Boxen. Organigramme stellen Menschen in vordefinierte Beziehungen übereinander und untereinander, definieren Kommunikations- und Informationswege und verhindern so flexible Zusammenarbeit. Organigramme werden systemimmanent immer größer, weil die, die in einem Kästchen stehen, den Wunsch nach weiteren Kästen haben. Der weit verbreitete Irrglaube lautet: Eine neue Aufgabe braucht ein neues Kästchen, einen neuen Mitarbeiter. Das führt dazu, dass Organisationen immer weiter wachsen und durch immer neue Kästchen unnötig aufgebläht werden.

Unter dem Titel Tasks & Teams (zu dem gerade das gleichnamige Buch erschienen ist) haben wir uns daher auf den Weg gemacht, das Organigramm zu zerlegen, um ein neues System der Zusammenarbeit frei von Kästchen zu finden. Auf dem Weg zu Tasks & Teams ergaben sich immer neue Fragen, deren Antworten wir nach und nach finden. Es ist ein sich stetig weiterentwickelndes Modell, mit dem wir Eigenverantwortlichkeit stärken und Entscheidungen von einem auf mehrere Kolleginnen und Kollegen verteilen wollen.

Veränderung führt natürlich zu Ängsten, zu Ungewissheit. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut daran, als zu Beginn unserer Reise die Führungskräfte der beiden Pilotbereiche Corporate Communciations und Corporate Human Resources auf mich zukamen und fragten: „Was wird nun aus uns?”.  Bereits zu Beginn war mir klar, dass wir weiterhin Führungskräfte brauchen würden, jedoch in neuer und vielleicht sogar gestärkter Rolle, die wir gemeinsam überdenken wollten.

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Diese Überzeugung deckt sich mit den Erkenntnissen der Studie Leadership der Zukunft, die 2018 von der Universität St. Gallen in Kooperation mit dem Projekt TOP JOB veröffentlich wurde. Darin wurde deutlich, dass keine Führung oder autoritäre Führung den Unternehmen und auch den Mitarbeitenden schaden. Moderne Führungsformen, die der veränderten Arbeitswelt Rechnung tragen, wirken sich hingegen positiv aus. Dabei werden insbesondere zwei Führungsformen hervorgehoben: inspirierende Führung (bei der die Führungskraft als Motivator und Sinnstifter auftritt) und geteilte Führung (bei der Führungsaufgaben auf das Team aufgeteilt werden).

Denn Führungsaufgaben lassen sich genau wie das Organigramm in Einzelteile zerlegen und neu zusammensetzen. Das haben wir gemacht und sind zu dem Schluss gekommen, dass manche dieser Einzelteile oder Verantwortlichkeiten sinnvollerweise bei einer Führungskraft bleiben und andere sich gut verteilen lassen.

Geteilte Führung

Manche Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die traditionell in einer Führungsfunktion zu finden sind, können sehr gut auf mehrere Schultern verteilt werden. Das können zum Beispiel klassische Managementaufgaben sein, wie Entscheidungen zu treffen, Themen zu priorisieren und zu verteilen oder diese Themen vor Stakeholdern zu repräsentieren.

Wie kann das gehen, fragen Sie sich vielleicht. Es erfordert sicherlich ein Umdenken, die Bereitschaft zu Veränderung, ein gewisses Maß an Disziplin und die richtigen Methoden. Um bei den genannten Beispielen zu bleiben:

Entscheidungen lassen sich sehr schnell und gut zum Beispiel per Einwand-Abfrage im Team treffen. Dabei wird eine Lösung vorgeschlagen und das Team um Rückmeldung gebeten. Gibt es keine Einwände, ist die Entscheidung von allen angenommen. Gibt es Bedenken, ist der „Einwand-Geber“ aufgefordert, einen besseren Lösungsvorschlag zu unterbreiten. Dies führt nicht nur zu einer hohen Akzeptanz und Verantwortungsübernahme, sondert motiviert auch die Gruppe zum Mitgestalten. Und das auf sehr effiziente Weise.

Themen können gut priorisiert werden, indem dafür klare Parameter erstellt werden. Die Vergabe von Aufgaben erfolgt nach dem Pull-Prinzip – wer das Thema in der eigenen Verantwortung sieht oder Interesse daran hat, nimmt es an.

Repräsentieren sollten die Themen dann auch diejenigen, die daran gearbeitet haben und für ihre Lösung „brennen”. Denn die alte Weisung und Kontrolle und das „Schmücken mit fremden Federn“ gehört in die alte Epoche des Organigramm-Denkens. Das brauchen wir bei Tasks & Teams nicht mehr.

Führungskräfte als Schutz und Kompass

Wie eingangs erwähnt, wollen wir Führungskräfte nicht abschaffen und auch nicht alle Führungsaufgaben ins Team verteilen. Es gibt einige wichtige Themen, für die eine „Leadrolle“ weiterhin sinnvoll ist. Diese Rolle sollte mit einer Person besetzt sein, die diese Verantwortung annehmen möchte und die von anderen in dieser Rolle akzeptiert und gesehen wird. Denn Führen kann nur, wem auch gefolgt wird. Und wir haben auch gelernt, dass sich nicht alle in einer solchen Rolle wohl fühlen und sie ausfüllen möchten.

Wir meinen hier die Form der Führung, die vielleicht am ehesten an die inspirierende Form der Führung angelehnt werden kann, die in der Studie erwähnt wird. Hier sorgt die Führungskraft dafür, dass das Team eine „Heimat” hat und alle Hindernisse aus dem Weg geschafft sind, damit alle bestmöglich ihre Aufgaben erledigen können. Diese Führungskräfte sorgen dafür, dass alle nötigen Informationen transparent sind, können übergeordnete Ziele und Sinn verdeutlichen. Außerdem schützen sie das Team nach außen und sorgen als Coach dafür, dass die einzelnen Personen sich Rat suchen und entwickeln können.

Wir finden, dass diese Aufgaben so wichtig sind, dass es gut ist, dass ein Teil der anderen Aufgaben ins Team oder in Standardprozesse übergegangen sind. Und seien wir mal ehrlich – alles von einer Person zu erwarten und dann auch noch fachliche Exzellenz – ist das in der sich verändernden Arbeitswelt noch realistisch?

Wir sind uns inzwischen sicher: Führen ohne Organigramm führt zu besseren Ergebnissen durch mehr Beteiligung und damit zu schnelleren Entscheidungen. Für die Führungskräfte ergeben sich neue Chancen, die es gilt, zu nutzen und mit Leben zu erfüllen.


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