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Design Thinking ist längst kein Geheimtipp mehr; in vielen Unternehmen dient die Methode der Problemlösung und Ideenentwicklung. So auch bei ZEIT ONLINE. Dort entstand mithilfe von Design Thinking das Projekt „My Country Talks“, in dem sich Menschen, die eine andere politische Meinung vertreten als man selbst, austauschen sollen. An der Entwicklung beteiligt war Holger Wiebe, Ressortleiter der Entwicklungsredaktion von ZEIT ONLINE, der bei der Hamburger Innovationskonferenz scoopcamp einen Workshop zum Thema anbieten wird.

In unserem Interview spricht Holger Wiebe über Design Thinking im Journalismus und wie die Methode die Kommunikation der Mitarbeiter auch langfristig verändern kann.

Herr Wiebe, was schätzen Sie: Wie viele Journalisten in Deutschland wissen, was sich hinter Design Thinking verbirgt?

Der Begriff ist den meisten Kolleginnen und Kollegen geläufig, aber was sich genau dahinter verbirgt und wie mächtig diese Technik im Kreativprozess ist, sicherlich weniger. Design Thinking ist ja auch nicht unbedingt ein journalistisches Tool, sondern entfaltet seine Kraft dort, wo Redaktion und Produktentwicklung sich treffen, wo neue Tools und Features für die Verbreitung und Präsentation von Inhalten entstehen.

Ziel unseres Workshops beim Scoopcamp ist es, zu zeigen, wie in kurzer Zeit zahlreiche gute Produktideen entstehen können – selbst wenn sich die Teilnehmer zu Beginn nicht kennen und auch die Zielsetzung unbekannt ist. Ich behaupte, Design Thinking versteht man nur anhand einer praktischen Erfahrung – nicht in der Theorie.

Sie haben zuvor u. a. für Werbeagenturen gearbeitet. Ist dort das Handwerkszeug für Innovationsmethoden verbreiteter?

Bei meiner ersten Station in der Werbebranche Ende der Neunzigerjahre war Design Thinking noch kein Thema, ebenso wenig agile Arbeitsprozesse. Es herrschten Pflichtenheft und Wasserfall vor. In den folgenden Jahren probierte ich mit meinen damaligen Teams unterschiedliche Methoden der Ideen- und Produktfindung aus. Wir nannten diese zwar nicht Design Thinking, im Rückblick enthielten sie aber bereits viele Elemente davon. Ein wichtiger Aspekt des Design Thinking sind crossfunktionale Teams, das war für uns von Anfang an selbstverständlich.

Mit dem Projekt „My Country Talks, worüber Sie beim Hamburger scoopcamp sprechen werden, haben Sie auf das ZEIT-ONLINE-Projekt „Deutschland spricht” aufgebaut. Ziel in beiden Fällen: Sich mit Menschen austauschen, die eine andere politische Meinung vertreten als man selbst; bei „My Country Talks“ nun auf internationaler Ebene. Wie haben Sie in diesen beiden Projekten Design Thinking eingesetzt?

Natürlich war Design Thinking unsere weapon of choice bei der Produktentwicklung für „My Country Talks“. Gemeinsam mit vielen nationalen und internationalen Medienpartnern fand im Newsroom von ZEIT ONLINE zu Beginn des Projektes ein ganztägiger Workshop statt. Ziel war es, die besonderen Anforderungen an das Tool hinsichtlich Internationalisierung sowie den Einsatz über mehrere Nachrichtenwebsites hinweg (Deutschland spricht lief ja 2017 ausschließlich auf ZEIT ONLINE) zu identifizieren. Auch eine für Design Thinking typische Bastelstunde durfte dabei nicht fehlen, in der die Medienpartner einiges über ihre landesspezifischen Anforderungen an das Tool herausfanden.

Die Berliner Agentur diesdas.digital ist unser Partner bei der Entwicklung der Software. Auch für sie war Design Thinking von Anfang an eine selbstverständliche Methode, um Nutzerprobleme zu identifizieren und Lösungen auszuarbeiten. Zu jeder Phase des Projekts nutzten wir gemeinsame Workshops, um das Produkt weiterzuentwickeln.

Typisch für Design Thinking ist auch das Zusammenkommen von Menschen unterschiedlicher Backgrounds und Perspektiven. Wen haben Sie für „My Country Talks“ zusammengebracht?

Ein komplexes Produkt wie „My Country Talks“ benötigt den Input vieler Experten, entsprechend war es eine bunte Mischung, die an der Entwicklung beteiligt war. Ständig dabei waren Mitglieder der Chefredaktion von ZEIT ONLINE, unsere Entwicklungsredaktion, Data-Analysten, Front- und Backendentwickler, UX-Experten, Designer und selbstverständlich die vielen nationalen und internationalen Partner. Spannend war auch der Austausch mit den Anwälten, um das Tool datenschutzrechtlich abzusichern.

Haben Sie den Eindruck, dass die projektbezogene Zusammenarbeit mit Design Thinking die Kommunikation der Mitarbeiter auch langfristig verändert?

Ja. Design Thinking mit seinen gemischten Teams eröffnet allen Beteiligten neue Perspektiven aus anderen Bereichen des Hauses. Entwickler lernen über die Motivation der Redaktion, UX-Designer betrachten Anforderungen aus Sicht der Vermarktung. Und vice versa. Wer gemeinsam in einem mehrstündigen, vielleicht schweißtreibenden Workshop Lösungen erarbeitet hat, hat auch im Flur oder in der Mittagspause genug Gesprächsthemen. Und was steigert die Motivation und Bindung an das eigene Produkt mehr als der Launch eines gemeinsam erarbeiteten Features?

Einen Aspekt, den das Team von Dark Horse Innovation kürzlich in einem Gastbeitrag bei uns hervorhob, ist der in vielen Büros herrschende Mangel an zentralen Begegnungsorten, sie nennen es Marktplatz. Damit soll die Kommunikation auch über Teams hinaus verbessert werden. Wie lösen Sie die verlagsübergreifende Kommunikation bei ZEIT ONLINE?

Bei ZEIT ONLINE gibt es neben der strukturellen Teilung in Redaktion und Verlag noch die räumliche Trennung zwischen Berlin und Hamburg zu bewältigen. Das gelingt uns gut, denn wir statten dem jeweils anderen Standort regelmäßige Besuche ab und nutzen für gemeinsame Meetings unsere mit einer Videostandleitung ausgestatteten Konferenzräume.

Wir treffen uns regelmäßig in sehr gemischten Runden aus allen Bereichen, etwa um über Projekte zu sprechen, die visuelle Erzählelemente enthalten: aufwändige Fotoproduktionen, Videos, interaktive Datenvisualisierungen. So halten wir uns über Timelines und aktuelle Themen in den verschiedenen Teams auf dem Laufenden. Für einen Austausch auch über das Dienstliche hinaus bietet ZEIT ONLINE neben einem Kicker und einer Tischtennisplatte eine Küche als zentralen Begegnungsort. Hier finden die Kolleginnen und Kollegen neben Kaffee, Tee und einem Wasserspender auch frisches Obst und verschiedene Rückzugsmöglichkeiten für kleinere Gruppen. Wir hatten äußerst produktive Sessions in unserer Redaktionsküche oder an der Tischtennisplatte.

 

Murmann Magazin ist Medienpartner der Innovationskonferenz scoopcamp, die am 27. September 2018 im „Theater Kehrwieder“ in der Hamburger Speicherstadt stattfinden wird.

 

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