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Geschenktipps von Peter Felixberger

Wie jedes Jahr stellt unser Programmgeschäftsführer (und ehemaliger Buchhändler) Peter Felixberger seine Sachbuch-Highlights 2023 vor. Die Bücher, die vorgestellt werden, leisten Widerstand, sind anders, befassen sich mit dem Anderssein, der Zukunft. Es sind interessante Projekte, abseits vom Mainstream – besondere und somit ideale Geschenktipps für weihnachtsgeplagte Menschen.

In Bild und Ton finden Sie die Lesung von und mit Peter Felixberger hier

 

Sachbuch-Highlight: Risse in der Erde

Mark Arax: Risse in der Erde. Matthes & Seitz (Sep 2023)

Dieses Jahr beginne ich mit meinem Lieblingsbuch. Mark Arax verbindet in seinem Buch »Risse in der Erde« Biografie, Reportage und Ereignisse, die Personen in Kalifornien erlebt haben. Schauplatz ist ein besonderer Landstrich in Kalifornien, der geprägt ist durch die Landwirtschaft, insbesondere den Obstanbau. Mark Arax portraitiert dort ansässige Bauern und erzählt skurrile Geschichten. Ein üppig erzähltes Buch, ein Umherstreifen durch diese Gegend, in der schon sein Großvater als Landwirt arbeitete. Mein Sachbuch des Jahres.

 

 

 

Sachbuch-Highlights: Kursbuch 216

Armin Nassehi/ Peter Felixberger/ Sibylle Anderl: Kursbuch 216: Passt euch an! Kursbuch Kulturstiftung (Dez 2023)

Im Kursbuch haben wir uns mit der Frage beschäftigt: Was ist eigentlich Anpassung heutzutage? Den typischen Gegensatz von angepasst und nicht angepasst wollen wir aufbrechen. In diesem Kursbuch werden Anpassungsleistungen thematisiert, die wir erbringen müssen, weil sich die Erde um uns verändert. Deshalb haben wir Wissenschaftler und Publizisten gefragt, wie wir uns in den nächsten Jahren anpassen werden müssen. So hat beispielsweise der Wissenschaftschef der FAZ, Joachim Müller-Jung, ein schönes Stück über die Anpassungsleistungen geschrieben, die wir in den nächsten Jahren mit Blick auf den Klimawandel erbringen müssen. Die weiteren Beiträge zeichnen ein differenziertes Bild moderner Anpassungsprozesse – von Klima über Wirtschaft bis hin zur Gesellschaft.

 

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Eva von Redecker: Bleibefreiheit. S.Fischer (Mail 2023)

Das Schöne an Eva von Redeckers Büchern ist, dass ich eigentlich nie der Meinung oder der Aufassung dieser Autorin bin, aber gerne ihre Bücher lese, weil sie immer ein Punkt findet, der mich aufregt. Auch in diesem Buch gib es diesen Punkt. Die These von Eva von Redecker ist, dass wir in der westlichen Denktradition den Begriff der Freiheit immer mit Bewegung oder Mobilität verknüpft haben. Dieser „Bewegungsfreiheit“ setzt Sie den Begriff der »Bleibefreiheit« entgegen. Sie lenkt den Fokus auf die zeitliche Komponente der Freiheit, die Bleibefreiheit. Also die Freiheit im Augenblick zu finden, die Erfüllung im Moment – was im Gegensatz zu westlichen Gesellschaften beispielsweise in Asien ein etabliertes Motiv ist. Ein Konzept für ein Anderssein im modernen Leben.

 

 

Judith Kohlenberger: Das Fluchtparadox. Kremayr & Scheriau (Aug 2022)

Judith Kohlenberger ist eine junge Wissenschaftlerin aus Wien, die sich stark in der Flüchtlingsbewegung in Österreich engagiert. In ihrem Buch zeigt sie die Paradoxien der Flucht auf: Man will bleiben, muss aber weg. Man sucht Sicherheit, muss dafür aber sein Leben aufs Spiel setzen. Das Buch beschäftigt sich mit diesen Spannungsverhältnissen. Was mich an Judith Kohlenberger, ihrer Arbeit und diesem Buch beeindruckt hat, ist dieses Sezieren der Flüchtlingsfrage in verschiedene Stränge – diese Dekonstruktion hilft uns dabei, auf diese Herausforderung nicht im Sinne eines Entweder-oder, sondern eines Sowohl-als-auch zu schauen. Ein Buch, das man guten Gewissens Leuten schenken kann, die immer noch in der Sichtweise von Flüchtlingen als Menschen zweiter Klasse gefangen sind.

 

Stephan Anpalagan: Kampf und Sehnsucht in der Mitte der Gesellschaft. S. Fischer (Sep 2023)

Stephan Anpalagan ist ein Tamile, der als Säugling mit seinen Eltern vom Bürgerkrieg in Sri Lank nach Deutschland geflohen ist. Er wuchs in Wuppertal auf, studierte evangelische Theologie und Anglistik. In seinem Buch zeigt er, welche ablehnenden Einstellungen sich in der Mitte der Gesellschaft gegenüber Einwanderern manifestiert haben. Sein Buch ist ein Ausblick darauf, wie der Rassismus in unserem Land den Fachkräftemangel verschärft und was wir dagegen tun können. Als ich dieses Buch gelesen habe, musste ich sofort an einen Satz von Max Frisch denken: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen“. Ein wichtiges Buch, auch, weil es uns selbst den Spiegel vorhält.

 

Gesellschaftliche Grundbegriffe

Armin Nassehi: Gesellschaftliche Grundbegriffe. C.H.Beck (Sep 2023)

Damit kommen wir zu Armin Nassehi, meinem Kollegen im Kursbuch-Herausgeber:innenkreis und Soziologie-Professor in München. In seinem Buch »Gesellschaftliche Grundbegriffe« seziert er Begriffe, die wir in der Öffentlichkeit und in der Politik täglich verwenden. Er nennt es „das Glossar der öffentlichen Rede“. Nassehi geht darauf ein, wo die Begriffe herkommen, wie sie bisher verhandelt wurden, wie sie sich entwickelt haben und wie sie aktuell verwendet werden – beispielsweise Ungleichheit, Konflikt, Kultur, Fremdheit, Identität, Macht, Wissen oder Gesellschaft. Begriff, die uns leicht von der Zunge gehen, aber alle eine Geschichte des performativen Begriffsgebrauchs haben. Es geht ihm dabei nicht um die eigentliche Bedeutung dieser Begriffe, vielmehr zeigt er, dass die Wörter ständig in neuen Kontexten verhandelt werden. Wenn man sich auf die ungewöhnliche Form des Buches einlässt, ist es ein echter Gewinn – und man würde sich wünschen, dass möglichst viele Politiker und Journalisten dieses Buch lesen.

 

Sachbuch-Highlights China, mein Vater und ich

Felix Lee: China, mein Vater und ich. Christoph Links Verlag (Mär 2023)

Ohne Wirtschaftsbuch kommt meine Bestenliste natürlich nicht aus. »China, mein Vater und ich« erhielt den diesjährigen Deutschen Wirtschaftsbuchpreis. Felix Lee ist ein junger Journalist, der in Deutschland lebt. Sein Vater hat für Volkswagen das China-Geschäft aufgebaut – und diese Geschichte erzählt Lee in seinem Buch. Er beschreibt, wie sie als chinesische Familie hier in Deutschland ein Leben aufgebaut haben, der Vater aber auch immer wieder zwischen China und Deutschland pendelte. Mir hat das Buch dabei geholfen, die Entwicklung von China in den letzten Jahrzehnten besser zu verstehen. Das aus der Perspektive eines chinesischen Managers bei Volkswagen zu erfahren, macht dieses Buch besonders wertvoll.

 

Deborah Feldman: Judenfetisch. Luchterhand (Aug 2023)

Es war ein Jahr mit vielen Friktionen – deswegen jetzt ein weiteres Buch aus der Reihe ‚Kritische Blicke auf Deutschland‘. Ein Buch, das nicht ganz unumstritten ist. Deborah Feldman hat ihre Kindheit und Jugend in einer ultraorthodoxen jüdischen Glaubensgemeinschaft verbracht. Sie verlies die Gemeinschaft und zog nach Berlin, wo sie bis heute lebt. Feldmann beschäftigt sich in ihren Filmen und Büchern mit all den Juden auf der Welt, die eigentlich mit Religion nichts am Hut haben. Sie ist eine sehr genaue Erzählerin, mit einem besonderen Gespür für die Zwischentöne – auch deshalb gefällt mir das Buch so sehr.

 

 

Sachbuch-Highlights: Zeit der Verwandlung

Stefan Bollmann: Zeit der Verwandlung. München 1900. Klett-Cotta (Okt 2023)

München 1900, die »Zeit der Verwandlung«: Unsere Landeshauptstadt war zu dieser Zeit ein Laboratorium der Moderne, es trafen sich Künstler und Musiker. Kurz: hier war richtig was los. In wunderbar kleinen Geschichten erzählt Bollmann über verschiedene Persönlichkeiten rund um die Jahrhundertwende. Vom Lyriker Stefan George über Rainer Maria Rilke bis hin zu Übersetzerin Fanny zu Reventlow. Und das in einer unnachahmlich plastischen Art, die sich leichtfüßig lesen lässt. Ein Muss für alle, die sich für München interessieren.

 

 

Patrick Bringley: All die Schönheit dieser Welt. Ullstein (Okt 2023)

»All die Schönheit dieser Welt« beginnt sehr traurig. Die beiden Brüder Patrick und Tom ziehen nach New York und bilden eine Wohngemeinschaft. Und plötzlich stirbt der Bruder Tom. Um den Verlust und die Trauer um den Bruder zu verarbeiten, bewirbt sich Patrick Bringley als Museumswächter im Metropolitan Museum of Art. Er taucht in die Welt der Kunst und der Kunstgegenstände ein, geht auf eine Reise der Selbsterkenntnis, um am Ende aus der Tauer zu kommen. Es ist aber nicht nur diese Reise, die das Buch so lesenswert macht – sondern auch die wunderbaren Anekdoten. Ein Beispiel? Wenn Sie Wächter im Metropolitan Museum of Arts sind, bekommen Sie pro Jahr einen Zuschuss von 80 Dollar für Socken. Denn: Der Job erfordert stundenlanges Stehen, langes Beobachten, großes Durchhaltevermögen. Ein wahnsinnig witziges, gleichzeitig aber auch bereicherndes Buch.

 

Jens Bisky: Berlin (erweiterte Neuausgabe). Rowohlt (Sep 2023)

Mit 991 Seiten der Rekordhalter meiner heutigen Liste. Jens Bisky ist Journalist und Autor, unter anderem bei der Süddeutschen Zeitung – und hat mit »Berlin« einen riesigen Bericht aus der Hauptstadt vorgelegt. Thema ist immer das subtil-Unglaubliche, das Berlin bis heute innewohnt. Jedes Mal, wenn ich in diese Stadt komme, habe ich das Gefühl, dass hier die Zukunft verhandelt wird. Was in München um 1900 der Fall war, scheint hier ein Dauerzustand zu sein. Ein Buch für all diejenigen, die Berlin kennen oder es näher kennenlernen wollen.

 

 

Frank Schmidt: Unkaputtbar. Murmann (Jun 2023)

Ich habe mir dieses Jahr einen Traum erfüllt. Ich habe ein Buch mit einem Fußballtrainer gemacht. Mit Frank Schmidt, dem Trainer vom 1.FC Heidenheim. Frank Schmidt ist das, was ein Fußballtrainer früher war, nämlich ein Fußballtrainer. Ein wunderbarer Gegensatz zu dem Milliardengeschäft, das der Fußball heutzutage ist. In seinem Buch beschreibt er seinen Werdegang, wie er einen Draht zur Mannschaft aufbaut, wie er seine Mannschaft zum Erfolg geführt hat. Frank Schmidt ist nicht nur der dienstälteste Profitrainer im deutschen Fußball, sondern auch noch nie entlassen worden – nicht nur deshalb ein echtes Unikat. Das perfekte Weihnachtsgeschenk für alle, die sich für Fußball interessieren.

 

 

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