So lange es noch dunkel und kalt ist, sollten wir unser Herz mit Leidenschaft befeuern. Die Kulturtipps im Januar zeigen, wie es mit Jean Muller, Géraldine Schwarz und Glenn Close gelingen kann.
Leidenschaft am Klavier: Jean Muller spielt Sonaten von Mozart
Nach den von den Kritikern begeistert aufgenommenen Goldberg-Variationen von Bach widmet sich der luxemburgische Pianist Jean Muller auf seinem neuen Album Mozarts Sonaten. Die Stücke, häufig eher etwas stiefmütterlich behandelt, sind leicht und eingängig und doch voller Dramatik. Es seien, so erklärt der Pianist gern, Klangstücke, die einen dialektischen Prozess ausdrückten: These und Antithese verbinden sich zur Synthese und erzeugen somit eine große Spannung. Doch muss man bei Jean Muller keinesfalls befürchten, auf einen verkopften Künstler zu stoßen. Vielmehr gehört er zu jener Generation Musiker, die es mühelos versteht, Publikum und Kritiker gleichermaßen anzusprechen. Nicht zuletzt auch durch seine großartige Fähigkeit zu erzählen. Denn ergänzt wird das fünf Alben umfassende Projekt von einer dreiteiligen Dokumentationsreihe, in der Jean Muller an Originalschauplätzen das Werk Mozarts erläutert. Ein wunderbares Lehrstück der Musikgeschichte, das für Auge und Ohr ein Genuss ist!
Jean Muller
Mozart
Piano Sonatas Vol. 1
KV 281 • KV 331 • KV 332 • KV 570
hänssler Classic
Leidenschaftliche Europäerin: Géraldine Schwarz
Für ihr Buch „Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin“ hat die deutsch-französische Journalistin Géraldine Schwarz gerade erst den europäischen Buchpreis gewonnen. Zu Recht. Klug und intensiv setzt sie sich, ausgehend von ihrer eigenen Familiengeschichte in den Jahren ab 1933, mit der Dynamik des Dritten Reichs und dessen Aufarbeitung in der Bundesrepublik nach 1945 auseinander. Vorbildhaft seien die Westdeutschen vorgegangen, so die Autorin, vergleiche man diese historische Arbeit mit der anderer Länder wie Frankreich, Österreich, aber auch Polen, Ungarn oder Italien. Und sie zieht die Schlussfolgerung: Die Länder, die ihre Vergangenheit verklärt, mystifiziert oder totgeschwiegen haben, sind heute weit anfälliger für Rechtspopulismus als Deutschland, wo die intensive Auseinandersetzung dazu geführt habe, dass die Demokratie stark verankert werden konnte. „Erinnerungsarbeit“ ist das Wort, das sich durch ihren Text zieht. Es ist das Plädoyer für eine Methodik der Aufarbeitung, die die Deutschen quasi erfunden haben, und die heute als vorbildhaft gilt: Aus dem Negativen das Positive ziehen und es fest verankern. Der Bogen vom Persönlichen zur großen Weltgeschichte gelingt Géraldine Schwarz hervorragend und ausgesprochen unterhaltsam. Mitreißend, spannend und kenntnisreich zeigt sie uns, wie ein demokratisches Europa funktionieren kann.
Géraldine Schwarz
Die Gedächtnislosen. Erinnerungen einer Europäerin
secession Verlag, Zürich 2018
Wenn Literatur Leiden schafft: Glenn Close als die „Frau des Nobelpreisträgers“
Vielleicht klappt es ja dieses Mal mit einem Oscar. Denn was Glenn Close in „Die Frau des Nobelpreisträgers“ zeigt, ist sensationelle Schauspielkunst in kleinen Gesten und beeindruckender Mimik. Als Joan Castleman begleitet sie ihren Mann Joe, frischgebackener Literaturnobelpreisträger, nach Stockholm. Hier, wo man den berühmten Autor feiert und hofiert, muss sie all ihre Willenskraft aufbringen, um die stille Schmach zu ertragen. Denn es ist sie, die all die Bestseller geschrieben hat, die ihm nun zu großer Ehre verhelfen. Doch Ende der fünfziger Jahre war in der Literaturwelt für Frauen kein Platz. In Rückblenden zeigt Regisseur Björn Runge wie sich Joan schließlich auf die traditionelle Rolle als Hausfrau und Mutter zurückzog. Wären da nicht ihre literarischen Eingaben, die aus ihrem Mann den machten, der nun ausgezeichnet wird. Es ist beeindruckend, in welch minimalistischem Spiel Glenn Close die ganze Tragik der missachteten Frau ausdrückt. Fast möchte man ihr zurufen: „Nun sag‘ es schon!“. Aber dann zieht man vor der Grandeur der Grande Dame des amerikanischen Kinos doch den Hut, die als Joan Castleman bis zum bitteren Ende ihre Rolle spielt.
Die Frau des Nobelpreisträgers
seit 3. Januar 2019 im Kino
Titelbild: pexels.com