Gute Bücher versüßen viele Momente, egal ob im Strandurlaub oder abends auf der Couch. Neuerscheinungen der Verlage gibt es ja genügend, aber welcher Krimi oder Roman lohnt sich wirklich? Wir haben uns durch einige literarische Neuheiten des Frühjahrs gelesen und sagen euch, was deren Stärken und Schwächen sind – und zu wem sie passen. Auf unserem Bücherstapel lagen diesmal „Superbuhei“ von Sven Amtsberg (Frankfurter Verlagsanstalt), „AchtNacht“ von Sebastian Fitzek (Knaur TB) und „Das Umgehen der Orte“ von Fabian Hischmann (Berlin Verlag).
Sven Amtsberg: Superbuhei
Hannover-Langenhagen ist wohl nicht der meistgenutzte Ort, in dem Schriftsteller ihre Geschichte spielen lassen. In Sven Amtsbergs Roman „Superbuhei“ passt das Setting jedoch wie die Faust aufs Auge; der Protagonist Jesse führt ein durchschnittliches Leben und ist insgesamt so ziemlich durchschnittlich: Die Beziehung abgeflaut, beruflich desillusioniert und nah am Alkohol gebaut. Letzteres ist als Kneipenbesitzer vielleicht nicht das schlechteste, aber mit einer Lokalität direkt in einem Supermarkt (dem Superbuhei), in dem auch noch seine Freundin arbeitet, macht vieles nicht einfacher. Vor dieser Kulisse hätte es also auch ein Slapstick-Roman werden können, mit viel Witz und Absurdität, ein bisschen wie die RTL-Serie „Ritas Welt“ nur mit zusätzlicher Kneipe.
Sven Amtsberg treibt die Absurdität jedoch in eine andere Richtung: Jesse fühlt sich von seinem Zwillingsbruder verfolgt, mit dem er bei seinen erfolglos nach Ruhm strebenden Eltern aufgewachsen ist, der ihn immer auch seiner Einzigartigkeit beraubt hat. Dass sich diese Background-Story und Jesses Verfolgungswahn auf sein Privat- und Berufsleben auswirken, ist klar und bedingt abwechslungsreiche Handlungselemente, die wiederum dafür sorgen, dass der Leser lange nicht wirklich weiß, wohin sich die Geschichte entwickeln wird. Das kann natürlich ein großer Bonus sein, als Schriftsteller unberechenbar seine Figuren durch die Geschichte zu treiben. Aber es hemmt den Leser auch beim Mitfiebern, wenn er nicht weiß, wohin er fiebern soll.
Glasklar ist: Sven Amtsberg hat ein Auge für den Moment. Immer wieder gelingen ihm Bilder und Beschreibungen, die von großem Sprachvermögen zeugen, und die er geschickt mit popkulturellen Elementen – von Elvis bis zu den Scorpions – anreichert.
„Superbuhei“ von Sven Amtsberg ist alles andere als Schema F der Romanschreiberei – und deshalb vor allem ein Buch für Fans anspruchsvoller Gegenwartsliteratur mit einem Faible für Überraschungen.
Fazit: 7 von 10 Punkten
Sebastian Fitzek: AchtNacht
Noch vor dem ersten Satz der Handlung schreibt Sebastian Fitzek: „Inspiriert von ‘The Purge’“. Wer bis dahin noch nicht den Klappentext von “AchtNacht” gelesen hat (und Fitzeks filmische Inspiration kennt), weiß nun: Es gibt eine Jagd auf Menschen. In „AchtNacht“ ist es Ben, der bei einer Todeslotterie gezogen wird und vogelfrei ist, also von anderen Menschen angeblich straffrei gejagt werden darf – zumindest behauptet das eine Website mit überwältigendem Zulauf, sodass das Event auch in die Massenmedien schwappt. Ungut für Ben natürlich. Die in der Handlung folgenden Elemente aus Flucht, Hilfe bekommen, fast geschnappt werden, wieder fliehen, undurchsichtigen Verstrickungen im Hintergrund und die große Frage, wie Ben überhaupt in dieser Lotterie gelandet ist (und wer hinter dem Todesspiel steckt!), sind fesselnd verwoben und geschrieben.
Doch richtig interessant – und eine große Stärke von Fitzek – sind die Kontexte, in die er seine Handlung einbettet. Denn natürlich wird die Jagd auf die Vogelfreien (neben Ben ist noch eine Frau ausgewählt worden) über Social Media verfolgt bzw. angeheizt. Auch Falschmeldungen – sprich: Fake News – und entkontextualisierte Aufnahmen machen die Runde. Dass in der Realität dafür wohl weniger, wie im Buch auch genannt, Instagram genutzt werden würde, ist Digital-Native-Nerdkram. Denn das Experiment mit „sozialpsychologischen Viren”, wie die zweite Protagonistin Arezus es nennt, scheint in Zeiten von Trump, Le Pen und Co. herzlich wenig fiktional.
Vor diesem Hintergrund ist der Fitzek Thriller weit weniger dystopisch als die Gladiatorenkämpfe der „The Hunger Games“, sondern knüpft – wie der Film „Nerve“ – an realitätsnahe Elemente an und überdreht die Mechanismen des Webs.
Wer also Thriller mag, die neben ein bisschen Psychokitzel auch noch eine tiefere Ebene haben, ist mit „AchtNacht“ gut beraten.
Fazit: 9 von 10 Punkten
Fabian Hischmann: Das Umgehen der Orte
Wenn man den Medienberichten Glauben schenken mag, ist Fabian Hischmann einer der vielversprechendsten Nachwuchsautoren im deutschsprachigen Raum. Das erste Buch von Hischmann „Am Ende schmeißen wir mit Gold“ war mit dem Leipziger Buchpreis nominiert, so dass sein Nachfolgerband diesen Erwartungen standhalten muss, genauso gut, wenn nicht besser zu sein. Ob es reicht? Der Roman ist in verschiedenen Episoden geschrieben, die nach und nach ein Gesamtbild ergeben.
Jeder Teil ist verwoben miteinander, in irgendeiner Weise steht mindestens eine Person im Zusammenhang mit einer Figur aus einem vorherigen Kapitel. Das Buch in seinem Kern zusammenzufassen, gelingt beileibe nicht. In anderen Rezensionen wird von der Orientierungslosigkeit einer Generation gesprochen, von der erzählt wird. Doch kann man es selbst als Orientierungslosigkeit erkennen, wenn man selbst dieser Generation angehört? Ist für einen selbst der Diskurs darüber nicht Normalität?
Anyway, im Mittelpunkt des Romans stehen verschiedene Protagonisten, die wir teilweise fragementartig von der Jugend bis zum jungen Erwachsenenalter begleiten, wie beispielsweise Lisa, die immer schwitzt und deshalb Abkühlung im Eisstadion sucht, oder Anne, ihre Freundin, die aus reichem Hause stammt und sich später in einer Model-Agentur wiederfindet, oder Samuel, der im Zürichsee ertrinkt und dessen posthum veröffentlichter Roman „Muränen“ gefeiert wird.
Wer einen unkonventionellen Schreibstil mag und Spaß daran hat, ein Mosaik aus verschiedenen Textbausteinen zusammenzufügen, dem sei „Das Umgehen der Orte“ empfohlen.
Fazit: 7 von 10 Punkten
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Titelbild: pexels.com