Obwohl die meisten das Jahr 2020 im Home Office verbracht und auf Urlaub verzichtet haben, sind die CO2-Emissionen weltweit nur um etwa sieben Prozent gesunken – das ist nicht genug. Ferry Heilemann, Investor und Mitgründer der Initiative „Leaders for Climate Action“ und Autor des neuen Buchs „Climate Action Guide“, sieht jetzt alle in der Verantwortung, auch die Unternehmen. Wie er selbst vom Gründer zum Klimaschützer wurde, zeigt er in diesem Beitrag.
Vom Waffelgebäck zum Google-Deal
Was man bewegen kann, habe ich selbst früh erlebt, schon als Schüler. Mit meinem Bruder Fabian habe ich mir eine Maschine für ein französisches Waffelgebäck namens ChiChi gekauft. Auf Großveranstaltungen wie der Kieler Woche haben wir es vom selbst ausgebauten Hänger verkauft. Ein stressiges Geschäft und nicht ohne Risiko, aber es brachte an so manchem Wochenende für jeden von uns 1000 Euro ein. Viel Geld für zwei Teenager. So viel, dass wir sogar Freunde beschäftigen konnten.
Nach dem Abschluss meines Studiums an der WHU im Jahr 2009 haben Fabian und ich uns an diese erste unternehmerische Erfahrung erinnert und etwas Neues gegründet: DailyDeal, ein Couponing-Portal im Internet. Wieder waren wir die Neulinge in einem umkämpften, sehr aggressiven Umfeld, wieder war es anstrengend, und wieder hatten wir Glück und Erfolg: Innerhalb von sechs Monaten wuchs das Unternehmen auf 100 Mitarbeiter an, nach nicht mal zwei Jahren konnten wir DailyDeal mit über 350 Mitarbeitern an Google verkaufen.
Wir blieben an Bord, und ich war zeitweise im Silicon Valley aktiv, doch weil der neue Mutterkonzern nach gut einem Jahr strategisch umschwenkte, kauften wir unsere Firma zurück. Wir machten sie profitabel – und verkauften dann endgültig an einen deutschen Wettbewerber.
Meine Anfänge als Klimaschützer
Zu der Zeit habe ich begonnen, mich mit Fragen von Nachhaltigkeit und der Klimakrise auseinanderzusetzen. Was aus heutiger Perspektive wie ein gradliniger, konsequent beschrittener Pfad erscheinen mag, fing tastend und suchend an. Ich wusste zunächst nicht, wohin mich mein Interesse und zunehmendes Engagement treiben würden und wie ich das, was mich privat bewegte, auch beruflich einbringen und umsetzen könnte. Ich musste erst ein paar Schritte gehen, um selbstsicherer zu werden. Aber ich wusste immer, dass ich etwas verändern muss.
Zum Beispiel meinen Fleischkonsum. Das war mein ganz persönlicher Einstieg. Für das Jahr 2015 nahm ich mir vor, kein Fleisch aus Massentierhaltung mehr zu essen. Lebensmittelskandale hatten mich nachdenklich gemacht. Ein Cheeseburger mit Rinderhack aus dem Regenwald, bei uns als Fast Food für einen Euro verkauft? Das kann nicht nachhaltig sein und kam für mich nicht mehr infrage. Fleisch und auch Fisch habe ich irgendwann dann ganz weggelassen, und heute esse ich größtenteils vegan.
»Ein Cheeseburger mit Rinderhack aus dem Regenwald, bei uns als Fast Food für einen Euro verkauft? Das kann nicht nachhaltig sein.«
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Nach dem Wikipedia-Eintrag über den Klimawandel las ich Al Gores Buch »Die Zukunft: Sechs Kräfte, die unsere Welt verändern« und andere Werke, wechselte zu einem Stromanbieter, der seine Energie aus erneuerbaren Quellen bezieht, tauschte die Glühbirnen in meiner Wohnung gegen LEDs aus und installierte eine Solaranlage auf unserem Dach, um meinen eigenen Grünstrom zu erzeugen. Ich habe meine Flüge stark reduziert und den Benziner gegen ein Elektroauto getauscht, geschäftlich reise ich innerhalb von Deutschland nur mit der Bahn.
Beruflich standen Fabian und ich zu dem Zeitpunkt vor der Frage, wie wir weitermachen wollen, was wir als Nächstes aufbauen könnten. Zusammen mit unseren Co-Gründern diskutierten wir über Cleantech-Ideen, entschieden uns letztlich aber dafür, den noch weitgehend analogen Logistikmarkt mit einer neuen Firma anzugreifen. Nachhaltigkeit spielte dabei von Anfang an eine Rolle. Bei Forto, der digitalen Spedition, die wir Anfang 2016 gegründet haben, messen wir unseren Klima-Footprint, reduzieren den Ausstoß von Treibhausgasen, wo immer wir können, und haben auch die Kompensation der restlichen Emissionen von vornherein implementiert. Mittlerweile geben wir unseren Kunden Transparenz zu dem Footprint ihrer Shipments und incentivieren die Kompensation.
Mit dem Aufbau von Forto wuchs mein Wunsch, meine Erfahrungen und Ideen auch nach außen zu tragen. Bei jeder öffentlichen Präsentation, die ich halten durfte, zeigte ich einführend immer fünf identische Folien: Sie behandelten die Klimakrise und die Frage, wie wir aktiv werden können, um die drastischsten Folgen noch abzuwenden.
Leaders for Climate Action
2019 folgte der nächste Schritt. Gemeinsam mit meinem Bruder und befreundeten Unternehmern habe ich Leaders for Climate Action (LFCA) ins Leben gerufen, ein Netzwerk von Unternehmern, dem inzwischen mehr als 1000 Gründer und Geschäftsführer aus der Digitalbranche in ganz Europa angehören. Unser Ziel ist es, Praktiker aus der Wirtschaft zusammenzubringen, damit sie sich gegenseitig bestärken, voneinander lernen und dieses Wissen für maximalen Klimaschutz in ihrer Firma und ihrem unternehmerischen Umfeld wie Lieferketten oder in der Politik für bessere Klimagesetze einsetzen. Ich habe entschieden, meine Zeit und Energie künftig nur noch in klimarelevante Themen zu investieren.
Die Krise, vor der wir stehen, bedroht alles, was ich liebe und schätze und wofür ich dankbar bin: meine Familie und meine Freunde, die Natur, unser demokratisches System, die unternehmerische Freiheit und schlussendlich die gesamte menschliche Zivilisation, wie wir sie heute kennen. Mit diesen Errungenschaften gehen wir fahrlässig um. Aus Gier, Egoismus und Kurzsichtigkeit verteidigen wir sie nicht ernsthaft genug vor unserer eigenen Zerstörungskraft, sondern bleiben auf dem Business-as-usual-Pfad. Die einen stecken den Kopf in den Sand und glauben, nichts ändern zu können. Die anderen sind wie Abhängige, die nicht von ihrer Sucht herunterkommen und immer den nächsten Konsumkick brauchen. Aber nur wenn wir alle aktiv werden, haben wir jetzt noch eine Chance gegen die Klima-Krise.
(Dies ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Buch „Climate Action Guide“ von Ferry Heilemann, erschienen im April 2021 im Murmann Verlag.)
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