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Woran es nicht alles Schuld tragen soll: Es verbreitet Fake News in Windeseile, verführt uns zu unbegrenztem, gar hemmungslosem 24/7-Shopping, und überhaupt stört es zwischenmenschliche Beziehungen, indem es mit seinem Piepen, Tönen und Blinken auch das romantischste Candle-Light-Dinner zur oberflächlichen Farce werden lässt. Zu Letzterem, dem Einfluss des Smartphones auf Mensch-zu-Mensch-Beziehungen, gab es kürzlich wieder ein Meinungsbild, nämlich im Rahmen der „G+J MOBILE 360° STUDIE 2019“ (PDF). Da stimmten 60 Prozent der 16- bis 19-Jährigen sowie ebenfalls 60 Prozent der 19- bis 29-Jährigen der Aussage zu: „Ich erwische mich selbst manchmal dabei, dass ich in Gesellschaft anderer mein Smartphone benutze.“

Wartezimmer, Candle-Light-Dinner und das Smartphone

Gesellschaft – das ist natürlich ein weit gefasster Begriff und reicht von der Wartezimmerhockerei über das Candle-Light-Dinner mit dem oder der Liebsten bis hin zu so ziemlich allen Situationen, in denen man nicht alleine ist, und erfasst manchmal gar auch solche Momente, in denen man doch mit sich alleine ist, sich aber trotzdem in ganz guter Gesellschaft wähnt. Jedoch: In allen Szenerien scheint das Smartphone unser wichtigster Begleiter zu sein.

Aus verschiedenen Gründen: In der Gesellschaft anderer Wartender erwischt man sich nicht nur mit dem Smartphone, sondern nutzt es bewusst. Ist zumindest deutlich effektiver, sich über das Weltgeschehen zu informieren, als die Wand im Wartezimmer mit ihren Picasso- oder Monet-Nachdrucken anzustarren oder durch wochenalte Klatschmagazine zu blättern. Beim Dinner wartet man gerne eine Toilettenpause ab, bevor das Smartphone gezückt wird. Aus Gewohnheit sicherlich, aber auch aus Neugierde aufgrund der FOMO – kurz für Fear Of Missing Out – oder einfach nur, weil man das Wetter für den Heimweg checken will. Doch in beiden Fällen und in allen weiteren, ob alleine oder in Gesellschaft, bin ich es, der zum Smartphone greift – und nicht das Smartphone nach mir.

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Wer hat die Hosen an in der Mensch-Smartphone-Beziehung?

Natürlich spricht aus dieser Sicht auf die Verhältnisse eine Philosophie des menschlichen Agens, des Menschen als aktiv bestimmendem Wesen. Ohne unseren Impuls, zum Smartphone zu greifen, landet es nicht in unserer Hand. Gleichzeitig lässt sich nicht abstreiten, dass so ein Smartphone sehr genau weiß, wie es unsere Aufmerksamkeit erregen kann: Blinkende Lichter, vibrierende Oberflächen, aus dem Nichts erschallende Töne – alles Signale, die die Steinzeit-Hirnareale in Alarm versetzen, es könnten immerhin auch Blitze, Erdbeben oder der fauchende Säbelzahntiger sein, die wir da hören …

Wobei die Zeit des Hörsinns seit dem Ende der Ära „Jamba-Sparabo“ zum Zeitalter der Pein der Lautlosigkeit übergegangen ist: Um unsere Mitmenschen in der Bahn nicht auch in Alarmbereitschaft zu versetzen, schalten wir das Smartphone jetzt auf stumm und werden sogleich vom Gefühl gegeißelt, vom Säbelzahntiger gebissen zu werden, ohne es überhaupt mitzubekommen: Wir könnten eine Nachricht verpassen, vielleicht sogar einen wichtigen Anruf! Die Konsequenz: Wir schauen in regelmäßigen Abständen auf das Display des (lautlosen) Smartphones und entdecken bei dieser Gelegenheit andere spannende Dinge: Die aktuelle Nachrichteneilmeldung, die Push-Mitteilung über die letzte Sale-Shopping-Chance für die nächsten 24 Stunden, den Reminder ans Gewinnspiel, das übermorgen abläuft … Die Lautlosigkeit, die uns eigentlich vor dem permanenten Informationsoverkill schützen soll, sorgt so dafür, dass wir ständig aufs Smartphone schauen – und damit letztlich doch nichts gewonnen ist.

Intermittierendes Digital Detox

Dennoch: Auch wenn uns die Stille im ritterlichen Gewand der Lautlosigkeit nicht so recht retten will – das Problem bleibt weiterhin der Mensch, nicht das Smartphone, das nur tut, wofür es programmiert wurde. Was zweierlei Möglichkeiten zur Folge hat: Entweder schaffen wir Menschen es, die Trigger, die das Smartphone als Universalkommunikationsgerät aussendet oder aussenden könnte, zu ignorieren. Um uns in der Konsequenz zumindest zwischenzeitlich von den digitalen Verzückungen loszusagen – quasi Intermittierendes Digital Detox.

Wer weiß, vielleicht wäre es ja sogar ganz schön, vom Wetter überrascht zu werden, mit dem Date durch den plötzlich einsetzenden lauen Sommerregen unter das nächste Dächlein zu huschen, um dort den ersten zarten Kuss zu hauchen? Vielleicht wäre es ganz gemütlich, die 19-Uhr-Nachrichten zu Hause, gemütlich in Jogging-Hose, im TV zu schauen? Und vielleicht – oder unvorstellbar? – könnten wir ein bisschen entspannter daherkommen, wenn wir all die digitalen Postfächer und Messenger-Boxen nur in bestimmten Intervallen abrufen? Eine bewusste Smartphone-Nutzung ganz im Konzept der Achtsamkeitsbewegung, die uns hilft, den Boden unter unseren Füßen oder das Gummibärchen auf unserer Zunge bewusst(er) wahrzunehmen. Anders als das Smartphone aktualisiert sich aber weder der Fußboden noch das Gummibärchen fortlaufend, sondern beide sind, sagen wir mal, eher impulsarm.

Wie smart kann ein Smartphone werden?

Auch wenn diese erste Möglichkeit für einige Menschen die richtige ist, für Digital Natives und eingefleischte Smartphoner wäre die andere, zweite Möglichkeit die wohl zielführendere: Die Technik des Smartphones weiter verbessern. Der Design Consultant Andrew Doherty etwa betont in unserem Interview, dass gegenwärtig „auch die klügsten Telefone noch ziemlich dumm“ seien. Weil Smartphones eben bisher nicht klug genug sind, um zu gewichten, über welche Nachricht sie uns wann informieren. Die Junggesellenabschied-WhatsApp-Gruppennachrichten („Ich habe da mal ein paar witzige Sprüche für T-Shirts überlegt“) ploppen in gleicher Wichtigkeit im Display auf wie die Nachricht der besten Freundin, die gerade ihren Job verloren hat und dringend Beistand bräuchte.

Doherty spricht daher von einer „personalisierten Künstlichen Intelligenz in der Hosentasche“, die uns zukünftig auch bei einem Candle-Light-Dinner über die Notlage der besten Freundin informieren würde (und uns idealerweise noch daran erinnert, welchen Wein sie am liebsten trinkt und in welchem Supermarkt man den auf dem Weg zu ihr bekäme), aber die witzigen T-Shirt-Sprüche für den Junggesellenabschied für einen Moment auf der Couch aufspart, in dem man eh gerade nichts Wichtigeres zu tun hat.

Wir haben das Smartphone in der Hand!

Dass solch ein wirklich schlaues Smartphone auf den Markt kommt, liegt letztlich in der Verantwortung der Smartphone-Hersteller und -Entwickler, aber auch in unserer Hand, der des Endverbrauchers. Denn künstliche Intelligenz braucht Daten, um wirklich smart zu werden. Ohne zu wissen, wer wir sind, kann auch das klügste Smartphone nicht wissen, was wir wollen (womit wir ja selbst schon manchmal Probleme haben). Entsprechend müssen wir Menschen entscheiden: Wollen wir unser Smartphone immer schlauer werden lassen und es dafür mit den nötigen Daten füttern oder weiterhin behaupten, dass das Smartphone das Problem ist – obwohl wir es sind?

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