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Die Europawahlen stehen an und wie immer stellt sich die Frage: Wen soll ich eigentlich wählen? Die Positionen der Parteien mögen hier und da undurchsichtig wirken. Da liegt die Versuchung nahe, sich gar nicht erst mit den Themen zu beschäftigen und auch nicht wählen zu gehen. Genau hierfür will die App Wahlswiper ein Gegenmittel sein. Die Bedienung ist ebenso simpel wie logisch: Mit einer Tinder-ähnlichen Benutzeroberfläche lassen sich Fragen mit „Ja” oder „Nein” beantworten, zum Schluss folgt der Abgleich mit den Parteien.

Der Wahlswiper-Projektleiter Matthias Bannert verrät uns im Gespräch, wer hinter der App steckt und wie die Europawahl-App Europa (etwas) zusammenwachsen lässt.

Herr Bannert, wenn wir den Wahlswiper als moderne App-Variante des Wahl-o-Mats beschreiben, tun wir Ihnen kein Unrecht, oder?

Ganz und gar nicht. Wir legen sehr viel Wert darauf, dass beim Wahlswiper alles möglichst leicht zu bedienen ist. Wir haben uns von dem User-Interface typischer Dating-Apps inspirieren lassen, indem man bei den Fragen nach rechts und nach links für die Antwort Ja oder Nein swipen kann. Das kommt gut an und macht die Sache auch einfacher als bei vergleichbaren Angeboten.

Wer genau steckt denn hinter der Erfindung, Entwicklung und Umsetzung des Wahlswipers?

Die Idee der Entwicklung kam von uns, der Berliner Digitalagentur Movact. Wir haben zusammengesessen und überlegt, dass wir was zur Bundestagswahl 2017 machen wollen. Dann sind wir auf die Idee gekommen diesen Wahlswiper zu entwickeln. Im Laufe der Zeit haben wir uns mit Kollegen der Universität Freiburg und anderen Universitäten zusammengeschlossen, die uns wissenschaftlich begleiten. Die entwickeln mit uns zusammen die Fragen, durchforsten die Parteiprogramme dafür und werten anschließend die Positionen der Parteien aus. So haben wir nicht einfach wahllos irgendwelche Fragen in der App und das Ergebnis ergibt totales Kauderwelsch, sondern alles ist wissenschaftlich und statistisch begleitet.

WahlSwiper
Der Wahlswiper, mit dem User ihre präferierte Partei für die Europawahl entdecken können. Foto: WahlSwiper / MOVACT

Inhalt und Technik wird also getrennt erstellt.

Ja, es ist gut, wenn wir im Bereich Wissenschaft und Technik jeweils Experten haben. Wir haben den German Design Award 2019 gewonnen, sind die Profis im Bereich Technik und Grafik. Die Unis stecken sehr tief in den Inhalten. So spielt jeder sein Know-how aus. Und das braucht es auch.

Was ist das Besondere am Wahlswiper verglichen mit anderen Wahlhilfetools?

Tatsächlich, dass wir uns auf Ja-Nein-Antworten konzentrieren. Wir geben dem User zwar die Möglichkeit einzelne Fragen zu überspringen, aber die Parteien sollen auf alle Fragen mit Ja oder Nein antworten. Da gibt es häufig Widerstand, aber wir sind überzeugt, dass sich auch komplexe Themen mit Ja oder Nein beantworten lassen. In der Dating-App überlegt man ja auch nicht lange, ob einem eine Person gefällt oder nicht. Die Wähler jedenfalls schätzen es, wenn Parteien zu wichtigen Themen klare Position beziehen. Ein anderer Aspekt gleicht diese Reduktion aber ein bisschen aus: Wir haben bei den Landtagswahlen, wie beispielsweise gerade in Bremen, zu jeder Frage ein kleines Video produziert, was den Hintergrund erklärt. Da gehen wir sehr tief in die Materie rein für die Leute, die das wollen. Und, was uns auch von anderen Tools abhebt: Wir setzen uns für Demokratieförderung ein und darunter verstehen wir auch, dass wir keine Partei ausgrenzen. Wir fragen alle Parteien an mitzumachen und zeigen deren Positionen auch in den Auswertungen – ohne Begrenzung der Anzahl. Das kommt natürlich vor allem kleinen Parteien zu Gute, mit deren Programm man sich sonst eher selten beschäftigt.

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Aber ganz ehrlich, wird so eine kurze Ja-Nein-Frage den komplexen politischen Inhalten gerecht? Auch wenn es noch die Möglichkeit für weitere Information gibt, werden das ja vermutlich nicht alle App-Nutzer tun.

Wir wollen nicht die einzige Informationsquelle bei einer Wahlabstimmung sein, sondern sehen uns als Hilfe bei der Entscheidungsfindung. Natürlich ist die Verkürzung auf ca. 30 Ja-Nein-Fragen schwierig. Bei jedem sind unterschiedliche Themen wichtig. Dem kann man sicherlich nie ganz gerecht werden. Wir wählen die Themen anhand der Wahlprogramme, aber auch nach der Medienberichterstattung und öffentlichen Debatte aus. Uns ist wichtig, dass sich die Fragen nicht nur an Jüngere richten, wie es bei genannten anderen Wahlhilfen den Eindruck macht. Den Wahlswiper nutzen zum einen auch Leute, die eigentlich schon wissen, wen sie wählen wollen, zum anderen aber auch Nutzer, die sich gar nicht mit Politik auseinandersetzen. Denen wollen wir zumindest ein Grundgefühl dafür geben, welche Themen gerade wichtig sind. Da geben wir also ein bisschen Hilfestellung. Vor allem Leute, die sonst Nichtwähler wären, können wir vor dem Urnengang unterstützen. Das ist für uns dann schon ein Erfolg.

Kann der Wahlswiper also auch junge Leute dazu motivieren, sich mit Politik auseinanderzusetzen?

Ja, definitiv. Nicht nur junge Menschen sondern auch Erstwähler, denn wir bieten einen Ansatzpunkt, um sich zu informieren. Natürlich greifen wir dafür auch ein generelles Nutzungsverhalten in Social Media auf, das User von Instagram und Co. kennen. Nicht nur das Swipen an sich, sondern diese Grundeinstellung, dass alles immer schnell gehen muss. Allerdings wollen wir nicht nur junge Menschen erreichen, sondern dieses Interface ist auch für über 30-Jährige sehr bequem anwendbar und relevant.

Können Sie denn messen, dass die Nutzer des Wahlswipers auch tatsächlich wählen gehen oder dass es eine steigende Wahlbeteiligung in der Nutzergruppe gibt?

Messen können wir das nicht und es wäre auch gruselig, wenn wir das könnten. Der Gang zur Wahlurne wird ja zum Glück nicht getrackt. Wir haben allerdings in einer Universität eine freiwillige Nachbefragung gemacht. Wer den Fragebogen einmal durchgespielt hatte, wurde eingeladen an einer Nachbefragung teilzunehmen. Da wurde dann auch gefragt, was im Wahlswiper herausgekommen ist, wie die Person wählen wird, ob sie wählen geht und wie der Wahlswiper die Entscheidung beeinflusst hat.

Beeinflusst der Wahlswiper Ihr persönliches Wahlverhalten?

Tatsächlich bin ich Wechselwähler und freue mich jetzt total auf den Wahlswiper zur Europawahl, weil ich wirklich nicht weiß, wen ich wählen soll.

Wie unterscheidet sich der Wahlswiper zur Europawahl von den bisherigen?

Der Wahlswiper zu den Europawahlen ist unser bisher größtes Projekt, weil wir uns ein sehr ambitioniertes Ziel gesetzt haben: Wir wollen den Wahlswiper in mehreren Ländern verfügbar machen, das heißt ich kann die gleiche App in Deutschland, Spanien, Polen oder Italien nutzen. So etwas Länderübergreifendes gab es vorher noch nie.

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Wie aber funktioniert das inhaltlich?

Zur Europawahl treten ja die lokalen Parteien an und schließen sich auf Europaeben zu einer Fraktion zusammen. Deswegen bilden wir auch in jedem Land die Positionen der lokalen Parteien ab. Die Fragen, die wir entwickelt haben, sind europaweit zu etwa 85 Prozent die gleichen, den Rest haben wir mit regional wichtigen Fragen aufgefüllt. Also hat man in Deutschland ganz viele EU-Fragen, die auch in anderen Ländern gestellt werden könnten, und zusätzliche Fragen, die in Deutschland von Belang sind, wie das Thema Glyphosat oder Volksabstimmung auf Bundesebene. Wir sind ganz gespannt wie die Leute darauf reagieren. Natürlich wird jetzt nicht jeder die Fragebögen aller EU-Staaten durchmachen, aber rein technisch wurden die Voraussetzungen geschaffen, um Europa zusammenwachsen zu lassen und das ist uns ein großes Anliegen gewesen.

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