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Mein erstes Profilbild auf Facebook zeigt mich mit drei Freunden: Wir lächeln, unweit von unserer damaligen Schule entfernt, in die Kamera. Mein Pulli ist grauschwarz und die Hose stonewashed grau, was nach Grufti klingt, aber an jenem Tag eher zufällig aus dem Kleiderschrank vor der Kamera landete. Das war 2007 und nichts, worüber ich mir Gedanken machte: Ich hatte noch nicht einmal eine Hand voll Facebook-Freunde und die, die auch auf der Plattform angemeldet waren, waren größtenteils selbst auf jenem Bild.

Jetzt aber weiß ich: Ich startete auf der heute wohl größten Selbstdarstellungsplattform der Welt, ohne mich selbst gebührend darzustellen.

Wie ich mit Facebook wuchs

Dass ich überhaupt auf Facebook registriert war, lag an einem Freund, der damals in den USA lebte. Dort war die am 4. Februar 2004 von Mark Zuckerberg mit drei Mitgründern veröffentlichte Plattform schon bekannter als in Deutschland, gerade unter Studenten und Schülern. Von Harvard aus expandierte Facebook zunächst an andere Hochschulen, dann hostete es auch Schulnetzwerke. Ende 2006, kurz bevor ich mich dort registrierte, hatte Facebook nach eigenen Angaben zwölf Millionen Nutzer – heute sind es über zwei Milliarden, die weltweit monatlich aktiv sind.

In jener Anfangszeit jedoch merkte ich von diesem aufstrebenden Riesennetzwerk wenig: Mein Teenie-Ich traf auf eine Plattform, in der ich nur mit einer Hand voll mir bekannten Menschen verknüpft war und das erst rund ein Jahr später einen Chat einführen würde. Für mich gab es also wenig Gründe, Facebook zu nutzen. Doch das änderte sich 2009.

„Gefällt mir“ und mein Selbstdarstellungstrieb

Anfang 2009 führte Facebook den „Gefällt mir“-Button ein. Ein – wie ich heute finde – ebenso simples wie geniales Tool, eine Möglichkeit, ohne viele Worte zu sagen: Jo, das ist gut. Ich hätte Facebook damals auch den emporgestreckten Daumen gezeigt: Ich befand mich kurz vor meinem Schulabschluss und wollte natürlich mit einigen Schülern meines Abiturjahrgangs in Kontakt bleiben. Da bot sich die Verknüpfung auf Facebook an. Und in so einem Abi-Jahr entstehen natürlich eine ganze Menge Bilder, vor allem mit Freunden – auch diese landeten auf Facebook. Man markierte sich, kommentierte. Doch die dokumentarische, lebensbegleitende Nutzung von Facebook setzte bei mir erst danach ein – nach meinem Umzug in meine studentische Wahlheimat Tübingen. Links zu Nachrichten und Themen, die mich bewegten, Bilder aus meinem neuen Leben und meiner ersten Wohnung, von Partys, verschriftlichte Stimmungsbilder aus Vorlesungen, tiefgründige Songtexte, das volle Programm eben.

Wer ich sein wollte und sein konnte

Mein da 19 Jahre altes Ich dokumentierte die Höhen und Tiefen dieser Zeit mit einem Sendungsbewusstsein, dass die Neuheit des Mediums in meinem Leben beschreibt: Würde ich heute weder für mich noch für meine Facebook-Freunde einen Mehrwert in Postings sehen, die nicht mehr als tagebuchähnliche Zusammenfassungen sind, schrieb ich damals pseudo-philosophische Fragen wie „Warum ist das Leben kein Disney Film?“ oder „mal wieder 50 Euro in Bücher investiert… man gönnt sich ja sonst nichts ;-)“.

Bei all diesen Updates muss ich mir meiner Rolle als Sender und der potenziellen Empfänger sehr bewusst gewesen sein, mehr noch: Ich wollte eine Reaktion, idealerweise die von mir erwartete. Lob, Bewunderung, Anerkennung, zumindest einen Daumen nach oben. Diese Erkenntnis mag für heutige Social-Media-gewöhnte Nutzer eine Binsenweisheit sein. Aber bei meinen ersten Schritten auf der unerprobten Oberfläche lässt sich peu à peu eine zielgruppenspezifischere Ansprache einerseits und eine professionalisierende Selbstdarstellung andererseits erkennen: Ich schrieb Updates und veröffentlichte Links zu Themen, die nicht nur mich, sondern potenziell auch meine Facebook-Freunde interessieren könnten. Und ich erzählte, wohin ich reiste, was ich dort erlebte, welche Erfolge ich feiern konnte – verheimlichte aber, welche nicht.

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Der „gläserne Mensch“ und zu viele Facebook-„Freunde“

Ich sendete (lies: postete) also nicht mehr nur meinetwegen, sondern zunehmend auch der anderen wegen. Oder sendete es eben nicht. Ich hatte mich etwa recht bald entschieden, dass ich Liebeskummer maximal durch schnulzige oder aufwühlende Song- und Songtextposts andeuten wollte. Wer genauer wissen wollte, was los war, würde sich sowieso melden und alle anderen mussten nicht alles wissen.

Dazu beigetragen haben sicherlich auch die Debatten um den „gläsernen Menschen“, die um die 2010er-Jahre stattfanden, aber auch eine heterogene Masse an möglichen Empfängern: Zunehmend waren es eben nicht mehr nur alte Schulbekanntschaften und Kommilitonen, die mein Profil und meine Posts sahen, sondern auch flüchtige Party-Begegnungen und erste berufliche Kontakte. Das verschärfte die Problematik bei mitteilenswerten, aber doch persönlichen Lebenssituationen. Zwar führte Facebook die Möglichkeit ein, spezifische Kontaktlisten anzulegen – Bekannte, enge Freunde und so weiter – doch schon beim Profilbild, das alle gleichermaßen sehen konnten, endete die Möglichkeit der Spezifizierung. Ein Bild von mir, das alles sagte und doch niemanden vor den Kopf stieß – man könnte es als meine Homogenisierung mit der Masse verstehen.

Was ich von Facebook lernte

In der Folge tat sich technologisch wie in meinem Leben viel: Einerseits entwickelten sich zusätzliche soziale Netzwerke und Messenger, sodass sich – nicht nur bei mir – immer mehr Unterhaltungen in den nicht-öffentlichen Raum verlagerten. Andererseits differenzierte ich meine Ichs heraus und lernte, mich plattformspezifisch darzustellen. Bei XING und LinkedIn steht seit meinem Berufseintritt mein berufliches Ich im Mittelpunkt, bei Twitter kommentiere ich mein Leben und diskutiere die Themen, die mich bewegen. Bei Instagram versuche ich vieles von dem, was ich einst bei Facebook über die Präsentation meines Lebens gelernt hatte, anzuwenden und mich meiner Peer Group in möglichst ansehnlichem Licht darzustellen – zumindest, soweit mir das als oft recht unfotogener Mensch möglich ist. Und bei Facebook?

Facebook ist für mich – 15 Jahre nach der Gründung des Netzwerks und 12 Jahre nach meinem Beitritt – das letzte „one fits it all“-Netzwerk, also der Versuch, mich allen in meiner Freundesliste versammelten Menschen mit unterschiedlich begründeter Bekanntheit gleichermaßen passend zu präsentieren.

Das bedeutet für mich nicht zwingend, dass ich dort am gefälligsten und unauthentischsten auftrete. Aber mittlerweile am wenigsten. Denn was dort mit meinen Updates als Teenager begann, ist für mich längst Teil meines öffentlichen Internetlebens. Um es im Business-Sprech zu sagen: Die Learnings von Facebook helfen mir heute auf anderen Plattformen. Und haben mich, meine Kommunikation und das Bild, was ich von mir vermitteln möchte, geprägt. Denn den grauschwarzen Pulli mitsamt stonewashed grauer Hose würde ich so heute nicht mehr nur nicht tragen – ich würde mich mit diesem Outfit vor allem nicht eher zufällig im Internet zeigen.

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