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Marktforschung, das war lange ein Telefongeschäft: Mitarbeiter der Marktforschungsinstitute riefen in Haushalten an und fragten nach der Meinung zu bestimmten Themen. Für das Marktforschungs-Startup Appinio spielt das Telefon immer noch eine Rolle, aber eine digitale. Denn Appinio, das suggeriert bereits der Name, will App und Opinions, also Meinungen, zusammenbringen. Seit 2014 können Unternehmen über die App des Hamburger Startups Meinungen potenzieller Kunden bekommen, Konzepte bewerten lassen oder erfahren, wie eine Produktidee ankommt. Die App-User werden via Push Notification über neue Umfragen informiert und bekommen für die Beantwortung Punkte, die nach längerem Punktesammeln in Gutscheine bei Unternehmen umgetauscht oder gespendet werden können.

Durch diesen Mechanismus, so Appinio-Mitgründer und CEO Jonathan Kurfess in unserem Interview, ließen sich sehr schnell Meinungen und Positionen abfragen – schneller, so sagt er, als mit der etablierten Konkurrenz.

Im Interview erklärt Jonathan Kurfess von Appinio, warum sich Startups jenseits von Innovation Hubs besser entwickeln können und wo US-Amerikaner den Deutschen voraus sind.

Herr Kurfess, 2014 haben Sie Appinio gegründet. Sehen Sie sich da noch als Startup?

Startup definiert für mich eher eine gewisse Unternehmenskultur als das tatsächliche Unternehmensalter. Insofern fühlen wir uns nach wie vor als Startup. In der Kommunikation mit unseren B2B-Kunden stellen wir diesen Aspekt aber nicht unbedingt immer in den Vordergrund, weil mit dem Begriff „Startup“ neben einem hohen Innovations- und Digitalisierungsgrad fälschlicherweise manchmal eben auch eine gewisse Unprofessionalität verbunden wird.

Einige große Unternehmen versuchen, sich selbst den Startup-Spirit zu verordnen – cooler in der Außendarstellung zu sein, besser zusammenzuarbeiten, agiler zu sein. Kann das gelingen?

Jedes große Unternehmen, das etwas auf sich hält, hat mittlerweile einen Innovation Hub, der neue Geschäftsmodelle hervorbringen soll. Das zeigt, dass eine deutlich höhere Innovationsbereitschaft vorhanden ist als noch vor ein paar Jahren. Ich glaube aber, dass sich die wirklich erfolgreichen Startups unter dem Dach eines Corporates nicht so entwickeln können wie in einer komplett unabhängigen Konstellation. Am Ende des Tages ist Startup versus Corporate nicht nur ein krasser kultureller Unterschied; es geht auch um die Freiheiten, die man als Startup genießt. Die werden häufig durch Corporate-Governance- oder Reporting-Regeln gehemmt.

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Appinio ist aber eigentlich genau für jene Innovation Hubs ein passender Service, um neue Designs oder Slogans schnell zu testen. Wie kommt diese Zusammenarbeit mit den Unternehmen zustande?

Wir haben über 400 Kunden, von denen historisch betrachtet über 80, 90 Prozent als Empfehlung zu uns gekommen sind, weil wir innerhalb weniger Minuten Feedback von Konsumenten einholen können. Das ist gerade in Zeiten, in denen Unternehmen agiler, kundenzentrierter und datenbasierter werden wollen, genau das, wo es eine große Nachfrage gibt. Anfangs wollten wir die bestehende Marktforschung von den großen Instituten substituieren, indem wir einfach schneller und günstiger sind. Jetzt merken wir, dass wir den Markt für Marktforschung öffnen können, indem wir in kurzer Zeit Ideen von der Zielgruppe validieren lassen. Und das ist so, wie wir Marktforschung heute sehen: Wir wollen jeden zum Marktforscher machen.

Viele etablierte Marktforschungsunternehmen punkten mit dem Versprechen von Repräsentativität, dass also die Daten eine Aussage über die Gesamtbevölkerung zulassen. Ist das der Unterschied zu Appinio, dass Sie eher den Einblick in eine bestimmte, für Unternehmen relevante Zielgruppe liefern?

Wir können extrem schnell bestimmte Zielgruppen abfragen, das ist richtig. Aber wir haben mittlerweile viele Benchmarking-Studien zu bevölkerungsrepräsentativen Umfragen durchgeführt und kommen auf exakt die gleichen Ergebnisse wie die großen Institute, nur mit dem kleinen, aber feinen Unterschied, dass wir dafür nicht Wochen, sondern ein paar Stunden brauchen. Wir haben genauso repräsentative Daten, wenn nicht sogar repräsentativere. Durch unser Konzept, das Smartphone zu nutzen und die User eher intrinsisch zu motivieren, haben wir einen deutlich massentauglicheren Ansatz und somit auch ein repräsentativeres Panel als die anderen Online-Panels. Denn dort melden sich viele an, um Geld zu verdienen. Und hier liegt das Problem. Mit dem monetären Incentive erzeugt man ein Antwort-Bias, da die Menschen so antworten, wie sie denken, dass man am meisten Geld verdient. Das führt unweigerlich zu einer schlechten Datenqualität. Bei Appinio versuchen wir dagegen die Menschen mit einer guten User Experience, Gamification-Elementen und der Möglichkeit, selbst Fragen zu stellen, für Marktforschung zu begeistern und so eine Community aufzubauen, die eher intrinsisch motiviert ist.

Rund um Online-Umfragen gab es in der Vergangenheit bereits viele Diskussionen, vor allem um das Berliner Startup Civey und deren Datenerhebung. Wo unterscheiden sich Civey und Appinio?

Der Unterschied zwischen Civey und Appinio ist, dass Civey sich sehr stark auf die Politikforschung fokussiert hat und unser Fokus auf Marktforschung für Brands liegt. Deshalb ist Civey auch in der Debatte sichtbarer. Die ganze Diskussion zeigt mir aber, dass den großen Instituten die Felle wegschwimmen und sie über kurz oder lang an Relevanz verlieren werden.

Von wissenschaftlicher Seite gibt es aber Kritik an den Online-Umfragen und inwiefern diese repräsentative Ergebnisse erzielen können, weil man die Grundgesamtheit der Internetnutzer – anders als beim Festnetztelefon – gar nicht kenne.

Das Festnetztelefon ist kein repräsentatives Device mehr. Man kann es ganz logisch herleiten: Wie viele Menschen haben in Deutschland noch ein Festnetztelefon? Wie viele davon sind tagsüber erreichbar? Und wie viele davon sind wiederum bereit, bei einer Umfrage zu antworten? Man ist da vom Verhaltensmuster so eng, dass das nicht repräsentativ sein kann. Das Smartphone ist über alle Alters- oder Sozialschichten hinweg nahezu gleichmäßig verteilt und damit das optimale Medium, um Marktforschung durchzuführen.

Wie empfinden Sie das Beharren auf bestehende Umfragemethoden?

Als ich unser Startup als junger Gründer mit Anfang 20 in der Branche vorgestellt habe, habe ich natürlich die Beharrungskräfte gemerkt. Wir wurden nicht immer als Ergänzung gesehen, sondern als Gefahr, was schade ist.

Innovationsskepsis wird oft der Nationalität zugeschrieben, so was sei „typisch deutsch“. Sie haben nun angekündigt, Appinio auch in den USA stärker zu positionieren. Erwarten Sie dort eine andere Haltung zu Ihrem Produkt?

Auf jeden Fall. Ich war bereits vor drei Jahren für drei, vier Monate im Silicon Valley. Es ist schon erstaunlich, wie schnell man dort mit relevanten Entscheidern in Kontakt kommt und wie aufgeschlossen die auch für neue Lösungen sind. Hinzu kommt, dass die Unternehmen in den USA zu einem großen Teil „SaaS-proven“, also viel mehr Do-it-yourself-Lösungen gewöhnt sind. In Deutschland muss man da schon ein dickeres Brett bohren. Häufig überwiegt anfangs noch die Skepsis, Dinge anders zu machen und neue Lösungen zu nutzen. Aber wir Deutschen werden immer innovationsbereiter, das spüren wir in unserer täglichen Arbeit.

Der Murmann Verlag hat in der Vergangenheit bereits mit Appinio Umfragen durchgeführt.

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