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Wir haben uns alle schnell daran gewöhnen müssen, von Zuhause zu arbeiten und Kinder und Haustiere aus dem Sichtfeld der Kamera zu scheuchen. Doch die Homeoffice-Euphorie stärkt über Gebühr die Macht der Online-Plattformen, über die wir jetzt gezwungenermaßen einen großen Teil unseres Alltags abwickeln müssen. (Von Phishing-Mails einmal abgesehen, die die Angst und Unsicherheit ahnungsloser Nutzer ausbeuten wollen.)

Deswegen lohnt sich der kritische Blick auf die Werkzeuge, die uns von allen Seiten empfohlen werden — denn digitale Selbstverteidigung während der Pandemie ist digitale Selbstverteidigung für die Zeit nach COVID-19. (Eine vollständige Liste mit Dutzenden von Tipps und Tricks, wie man seine Daten verweigern, verschleiern und verschlüsseln kann, finden Sie in meinem Buch “Mich kriegt ihr nicht!”.)

Videokonferenzen und Kollaboration

Der kalifornische Videokonferenzdienst Zoom ist in kurzer Zeit von 10 Millionen auf 200 Millionen Nutzer geschnellt, von denen nur ein verschwindend geringer Teil — genauer gesagt nur 82.000 — Gebühren zahlen. Der Rest benutzt einen vermeintlich „kostenlosen“ Dienst, eben weil alle anderen schon dabei sind. Doch Zoom weist gefährliche Sicherheitsmängel auf, wie Datenschützer, Unternehmen, Journalisten und selbst das FBI warnen. Hacker schleichen sich zum „Zoombombing“ bei Videoschalten von Firmen, Familien und Schulen ein und können stören oder unappetitliche Inhalte einblenden.

Wer den Service nutzt, dessen Daten wurden bis vor kurzem nicht nur an Facebook übermittelt sondern auch an LinkedIn, um Nutzerprofile aus dem professionellen Netzwerk ohne Wissen oder Zustimmung der Teilnehmer anzuzeigen. Selbst die angebliche Verschlüsselung ist ein falsches Versprechen, da sie nur den Transport von Ton und Bild während der Konferenz betrifft und dazu obendrein veraltete Methoden benutzt. Tausende von Mitschnitten —selbst vertrauliche Therapiesitzungen — landeten unverschlüsselt in der Cloud oder sogar auf YouTube.

Das Unternehmen hat nach einem Sturm der Entrüstung Besserung gelobt, aber der Schaden ist angerichtet. Die Erbsünde lautet wie so oft schlechtes, nachlässiges Design, das einfache Bedienbarkeit und Wachstum eines börsennotierten Startups vor Datenschutz und Informationssicherheit stellt. Facebook lässt grüßen.

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Alternativen ohne Überwachung und Datenlecks

Dabei gibt es Alternativen, die sogar die Anforderungen der DSGVO erfüllen, etwa die norwegische Plattform Whereby. Wer technisch etwas versierter ist, kann sich die Open-Source-Lösung Jitsi auf dem eigenen Rechner installieren. Einen guten Überblick der Lücken und Probleme bei beliebten Videodiensten bietet die Organisation noyb des Datenschutz-Vorkämpfers Max Schrems. In der Zwischenzeit sollte die Devise gelten: Finger weg von Zoom!

Es muss auch nicht immer das neueste, im Trend liegende Tool sein. Für private Unterhaltungen unter vier Augen sind verschlüsselte Messenger-Apps wie Signal, Wire, Threema oder Facetime immer noch die beste Lösung. Und für das sichere, gemeinsame Arbeiten an Dateien bieten sich statt der US-Lösungen Google Drive, Dropbox oder Box gründlich verschlüsselte Plattformen wie die Schweizer Firma Tresorit an.

Ethisches Crowdsourcing statt Überwachungskapitalismus

Wie die Welt nach dem Abflachen der Pandemie mit den neuen Werkzeugen des Überwachungsstaates umgeht, wird sich erst noch Land für Land weisen. Während Regierungen die Rechte der Bürger einschränken, wollen Datenkraken wie der US-Anbieter wie Palantir aus der Krise Gewinn schlagen.

Sonst benutzen Geheimdienste und Fahnder auf der Jagd nach Migranten ihre Tools, jetzt versucht Palantir, seine Überwachungstechnolgogie an mehrere europäische Staaten einschließlich Deutschland zu verkaufen.

Der langfristige Schaden für die Privatsphäre sollte uns allen Sorgen bereiten. Denn es gibt durchaus erste erfolgversprechende Ideen, mit anonymen Handydaten denselben Effekt zu erzielen: Uns alle durch achtsames Crowdsourcing vor einem gefährlichen Virus zu schützen, ohne dabei die Errungenschaften eines transparenten und ethisch aufgeklärten Datenschutzes in Europa aufzugeben.

Modellrechnungen von Wissenschaftlern an der Universität Oxford sind hier zu erwähnen, ebenso die Initiative #GesundZusammen, die von der Berliner Global Citizenship Foundation gemeinsam mit vielen anderen Partnern nach digitalen Antworten auf das Virus sucht.

Mit solchen Ideen sind wir in der Lage, ohne die üblichen großen Plattformen, die es auf unsere Daten abgesehen haben, soziale Innovation voranzutreiben — und in der aktuellen Krise eine gehörige Portion digitale Resilienz zu entwickeln für die Zeit des Wiederaufbaus.

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