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Warum sind manche Menschen dazu bereit, ihr Geld in Kasinos zu verspielen und andere zählen bis auf den Cent genau ihre Ausgaben ab? Beim Umgang mit Geld könnten die Menschen nicht unterschiedlicher handeln. Doch was genau beeinflusst unsere Entscheidungen, was bestimmt unsere Risikobereitschaft? Die Gründe dafür kennt Prof. Dr. Petra Steinorth vom Lehrstuhl Risikomanagement und Versicherung an der Universität Hamburg.

In unserem Interview erklärt Prof. Dr. Petra Steinorth von der Universität Hamburg, wie Krisen, Peer Groups und Co. unsere Risikobereitschaft beeinflussen.  

Frau Steinorth, inwiefern hat sich die deutsche Risikobereitschaft nach der Finanzkrise 2008 verändert?

Die Risikobereitschaft verändert sich phasenweise. Das sehen wir in Deutschland, ist aber ein generelles Phänomen, das in der Forschung „countercyclical risk aversion“ (PDF) genannt wird, auf Deutsch in etwa antizyklische Risiko-Aversion. Wenn wir also in einer wirtschaftlich guten Phase sind, neigen Menschen dazu risikobereiter zu sein. Gleichzeitig gibt es eben auch Phasen, in den die Wirtschaft schwächelt und die Individuen dann risikoaverser sind. Es gibt aber nicht nur kurzfristige Effekte, auch langfristige Auswirkungen auf unsere Risikobereitschaft bzw. die Risikoaversion konnten in einer Studie nachgewiesen werden. Wenn Menschen in jungen Jahren eine wirtschaftliche Krise miterleben, wie zum Beispiel die Great Depression der 1930er Jahre, sind sie tatsächlich bis zum Rentenalter risikoaverser. Für die Finanzkrise 2008 gibt es noch keine Langzeitstudien, jedoch sind die Deutschen im Zuge der Finanzkrise für einige Zeit ein ganzes Stück risikoaverser und vorsichtiger geworden.

Wir leben gerade in einer Zeit mit Trump als Präsident, Säbelrasseln mit Strafzöllen, Brexit – kurzum einer weltweit angespannten politischen und wirtschaftlichen Lage. Ist die Tendenz einer Risikoaversion jetzt schon absehbar?

Das ist eine ganz interessante Frage. Ein wichtiger Aspekt, wie ich mich überhaupt unter Risiko entscheide, hängt von meinen inneren Präferenzen ab. Gleichzeitig werden meine Entscheidungen aber auch von meiner eigenen Risikowahrnehmung bestimmt. Es gibt wissenschaftliche Studien, z.B. von Paul Slovic (PDF), die ergeben hat, dass die Menschen in den letzten 40 Jahren ihr Umfeld als immer riskanter wahrgenommen haben, obwohl eigentlich alle Statistiken dagegensprechen. Denn wenn man sich die Zahlen der Verkehrstoten oder die Anzahl der Straftaten der vergangenen Jahre ansieht, stellt man fest, dass diese heruntergehen. Die Leute leben also in mehr Sicherheit, empfinden ihre Situation aber als deutlich riskanter. Außerdem sehen wir auch, dass es deutlich mehr Aufmerksamkeit für das Thema Risiko gibt. Unternehmen und Individuen werden aufmerksamer und sich der Risiken bewusster, zum Beispiel tragen immer mehr Leute einen Helm beim Fahrradfahren. Wenn Sie mich jetzt fragen, was passiert in 20 Jahren mit der Risikoaversion, dann sage ich: Ich bin Wissenschaftlerin, keine Wahrsagerin. Aber ich bin gespannt.

Prof. Dr. Petra Steinorth vom Lehrstuhl Risikomanagement und Versicherung an der Universität Hamburg.
Erklärt im Interview, wie Risikobereitschaft entsteht: Prof. Dr. Petra Steinorth vom Lehrstuhl Risikomanagement und Versicherung an der Universität Hamburg. Foto: Hche/Schläger

Es gibt sicherlich bestimmte Gruppen, die eher Risiken vermeiden, oder?

Genau, es gibt den Geschlechterunterschied, den man zumindest im Durchschnitt feststellt: Frauen sind risikoaverser als Männer. Jedoch gibt es auch dort Ausnahmen. Wenn man die individuellen Aspekte betrachtet, kann man jedes Individuum auf einer Skala gemäß der Risikopräferenzen einordnen. An dem einen Ende befinden sich die „stay-in-bed“-risikoaversen Menschen, die nicht mal das Haus verlassen, weil sie denken, dass überall Gefahr lauert. Auf der anderen Seite sind die Individuen, die dazu neigen, exzessiv Risiken einzugehen, ohne monetäre Vergütung zu erwarten, wie zum Beispiel ausschweifende Kasinospieler. Interessanterweise verwischen die Geschlechterunterschiede in der Gruppe der risiko-exzessiven Menschen und wir erkennen dort keinen Unterschied zwischen den ökonomischen Entscheidungen von Männern und Frauen.

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Welchen Einfluss hat unser Umfeld, also unsere Peer Groups, auf unser Verhalten?

Peer Groups beeinflussen uns an vielen Stellen, natürlich auch in riskanten Entscheidungen. Sie entscheiden über unsere Investment-Entscheidungen, Ersparnisse für die Altersvorsorge und welche Berufe wir wählen.

Und wer zur Einschätzung der eigenen Risikobereitschaft nicht die Peer Group betrachten möchte, kann auch einfach auf den eigenen Zeigefinger blicken.

Das stimmt! Menschen, die einen kurzen Zeigefinger im Vergleich zum Ringfinger haben, sind interessanter Weise bekannt dafür, dass sie zu exzessiven Risikoverhalten neigen. Im Durschnitt betrachtet, sind sie also zum Beispiel bessere Anleger und haben eine höhere Rendite, weil sie mehr Risiken eingehen. Gleichzeitig sind sie aber auch häufiger im Gefängnis und es gibt Korrelationen, dass die Wahrscheinlichkeit bei diesen Personen höher ist, dass sie nicht monogam leben.  

Wie kann das sein?

Das ist ein hormoneller Einfluss, der sich aufgrund des Testosteron-Levels der Mutter während der Schwangerschaft manifestiert. Der Grund für höheres Testosteronlevel ist Stress. Wenn die Mutter also in der Schwangerschaft viel Stress hat, kann es sein, dass man einen kürzeren Zeigefinger bekommt. 

Und warum ist es manchmal von Vorteil Risiken im Berufs- und Privatleben einzugehen?

Wir gehen immer davon aus, dass es irgendwo einen Risiko-Rendite-Zusammenhang gibt. Wenn ich mehr Risiko eingehe, erwarte ich dafür eine höhere Rendite. Risiko ist zudem eine Kernaufgabe unternehmerischer Aktivität. Ich sage meinen Studierenden immer: Es gibt keinen unternehmerischen Erfolg ohne die Bereitschaft Risiken einzugehen. Das heißt, Risiken eingehen ist Treiber wirtschaftlichen Erfolgs. Letztlich geht es darum, die richtigen Risiken auszuwählen, die uns erfolgreich machen.

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