Nachhaltigkeit fördern und gleichzeitig Geld verdienen – geht das? Vor der Frage stehen aktuell viele Unternehmen, auch in der Finanzbranche. Von einem klaren Ja als Antwort ist Stephan Grabmeier überzeugt. Der Innovationsberater und Autor des „Future Business Kompass“ sieht aber auch die Verantwortung des Individuums, die eigenen Finanzen nachhaltig zu planen.
Im Interview erklärt Stephan Grabmeier, wie sich die unterschiedlichen Banken und Finanzdienstleister derzeit zur Nachhaltigkeit positionieren und wie viel „Future Business“ darin steckt.
Herr Grabmeier, wie viel „Future Business“ steckt in der Finanzbranche?
Aus mehreren Blickwinkeln betrachtet enorm viel. Das Gute ist, es ändert sich gerade einiges zum Positiven und die Finanzbranche hat enorm große Lenkungswirkung dabei.
Haben Sie ein Beispiel?
Ein bedeutendes, ja. Anfang 2019 veröffentlichte der US-amerikanische Investor Blackrock ein bemerkenswertes Dossier: Bisher sei es nicht möglich gewesen, nachhaltig zu investieren, erklärten sie in ihrem Vorwort – zumindest nicht, wenn man zugleich Geld verdienen wollte. Bisher hätte man Abstriche machen und sich entscheiden müssen. Rendite oder gutes Gewissen? Worauf legte man mehr Wert? Beides zusammen ging nicht. Damit sei es nun vorbei. Investoren könnten das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr ignorieren. Die Analyse der Daten würde zeigen, dass das veränderte gesellschaftliche Verständnis von Umwelt, sozialen Problemen und guter Unternehmensführung eng mit dem Potenzial für ein langfristiges Wachstum zusammenhingen. Zur Einordnung: Blackrock ist kein Social Business, im Gegenteil. Der New Yorker Finanzdienstleister ist der einflussreichste Investor der Welt.
Ist das Dossier also ein Durchbruch für die Finanzbranche?
Sagen wir so: Hätte ich mir vor zwei Jahren träumen lassen, dass Vertreter des exzessiven Turbokapitalismus diesen Weg einschlagen? Nein. Haben wir dennoch einen weiten Weg vor uns zu besserem Wirtschaften? Ja.
Seit wann ist Nachhaltigkeit überhaupt ein Thema für Banken und Finanzdienstleister?
Die Denke von Vorständen und Top-Managern alter Prägung in Kapitalmarktkonzernen ist an den Horizont des Kapitalmarkts gekoppelt und leider nicht an den der nachfolgenden Generationen. Diese Charaktere haben uns in den Raubbau und Ausbeutung des Planeten zur Befriedigung der Shareholder-Value-Gier geführt. Dennoch ist die Finanzwelt geteilt in verschiedene Welten. Einerseits geprägt von ausschließlich nach maximaler Rendite gepolten Instituten. Dann gibt es noch die genossenschaftlichen Institute oder Volksbanken, deren Sinn und Zweck sich tiefergehend um gesellschaftliche Belange bemüht. Andererseits gibt es die ethischen oder sozialen Banken, die weit mehr Verantwortung übernehmen als andere und Geldwirtschaft mit sozialer, ökologischer und ökonomischer Verantwortung verbinden. Dieser Markt wächst erfreulicherweise und gewinnt immer mehr Kunden.
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Warum verhalten sich die Banken so unterschiedlich?
Letztere sind intrinsisch motiviert und deren Purpose ist seit jeher Gutes zu tun und Geld damit zu verdienen. Aber auch erstere verstehen langsam soziale, ethische und ökologische Kriterien einzubeziehen. Wenn das dauerhaft gelingt, dann kommen nachhaltige Geldanlagen auch tatsächlich im Massenmarkt an.
Bisher sprechen wir bei diesen nachhaltigen Investments aber weiterhin von Nischen. Woher nehmen Sie die Sicherheit, dass dies wirklich „Future Business“-Themen sind?
Seit Kurzem stürzen sich Investoren auf nahezu alle Anlageprodukte, die mit dem ESG-Kürzel werben – das Kürzel steht für Environment (Umwelt), Social (Soziales) und Governance (gute Unternehmensführung). Der „Global Sustainable Investment Review 2018“ (PDF) zeigt, dass Ende 2018 bereits rund 17,5 Billionen US-Dollar nach ESG-Kriterien angelegt wurden. Ist das in den Megasummen der Finanzmärkte viel Geld? Nein. Dennoch entspricht das einer erfreulichen Steigerung von 69 Prozent gegenüber Ende 2016. Die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ist aber nur eine von mehreren Nachhaltigkeitsstrategien. Weitere sind zum Beispiel Ausschlussverfahren für bestimmte Aktien. Für einen breiten Wandel in der Wirtschaft hier muss hier allerdings noch mehr passieren.
Wie ist Ihr Eindruck: Wie viele Generationen braucht es noch, bis nachhaltiges Investieren zum Standard geworden ist?
Ich sehe positive Bewegung generationsübergreifend in der Gesellschaft. Mit privaten Investments kann jeder einzelne, egal mit welchen Beträgen, Lenkungswirkung erzeugen. Es ist ein Leichtes, sein Geld heute in die richtigen Finanzprodukte nach ESG-Kriterien zu investieren und die richtige Bank zu wählen. Es gibt in Deutschland über ein Dutzend ethische und soziale Banken. Jeder kann mit der Wahl seiner Bank ein klares Signal geben und Gutes tun.
Wir der nachhaltige Kurs in der Finanzbranche denn politisch gefördert?
Durchaus, der positive Trend nachhaltiger Finanzierung wird auch durch die Bestrebungen der EU gestützt. Kürzlich wurden dazu einheitliche EU-Standards festgelegt, denen eine nachhaltige Kapitalanlage genügen muss. Die sehr mutigen Schritte von Ursula von der Leyen und Christine Lagarde unterstützen die Bewegung weiter. Letztere sprach sich bereits dafür aus, den Klimaschutz zu einem Anliegen der Notenbank zu machen. Der Druck durch den Klimawandel zum Gelingen ist massiv. Diese Notwendigkeit führt hoffentlich über die die Finanzmärkte zu einer positiven Hebelwirkung. Es darf maximal eine Generation dauern, bis wir mehr und mehr Standards mit Lenkungswirkung aufgebaut haben. Gelingt das nicht, haben wir ganz andere Probleme, die wir mit Geld nicht mehr lösen können. Noch haben wir es in der Hand unseren Planeten und die Wirtschaft enkelfähig zu gestalten.
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Titelbild: pexels.com