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Christopher Rheidt und Daniel Wagenführer haben sich auf den Weg gemacht: Für ihr mittelständisches Unternehmen haben sie Digitalien besucht – ein, wie sie in ihrem gerade erschienenen Buch schreiben, „virtuelles Land“. Ein Land, das es nicht gibt, das aber symbolisch für einen Zeitgeist steht: Für digitale Offenheit, für Veränderung. Der Geschäftsführer (Rheidt) und der General Manager für den Geschäftsbereich digitale Produkte und Dienstleistungen im gleichen Unternehmen (Wagenführer) haben ihre Erfahrungen nicht für sich behalten, sondern wollten sie auch anderen Suchenden und Reisenden zur Verfügung stellen – Episoden des Scheiterns klammert das „Digital Tour Book“ (Murmann Verlag) dabei ausdrücklich nicht aus.

Ein Doppelinterview mit den beiden Autoren über Blender, Learnings und über den Dresscode für Digitalien.

Herr Rheidt, bei Ihrem Aufbruch nach Digitalien diskutieren Sie auch eine nicht-digitale Frage – die der richtigen Kleiderwahl für die Reise. Warum ist es bei Ihnen doch nicht der Hoodie mit Bart geworden?

CR: (lacht) Wir haben darüber in der Tat diskutiert. Wir wollten ja den lässigen Hipstern und Digital-Checkern in Berlin-Mitte auf Augenhöhe begegnen und nicht gleich als Provinzler auffallen. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass solche Dinge häufig nur Symbolik und eben nicht nachhaltig sind, wenn sie nicht mit Inhalten in Verbindung stehen. Letztlich geht es auch bei der Kleiderfrage um Authentizität und um das, was der jeweiligen Situation angemessen ist.

Sie haben Ihre Digitalien-Reise in Berlin mit einer so genannten Startup-Tour gestartet, bei der Sie sich verschiedene Startups von innen angesehen haben. Was war jeweils die prägendste Erkenntnis für Sie?

DW: Zusammengefasst: Was nützt die Rutsche in der Kantine und der Kicker im Großraumbüro, wenn das Geschäftsmodell nicht darauf abzielt, ökonomisch erfolgreich zu sein? Wir haben viele auf den ersten Blick interessante Ideen kennengelernt, aber dann zumeist schnell festgestellt, dass sie aus wirtschaftlicher Sicht nicht tragfähig sind und es für ein Unternehmen wie uns unverantwortlich wäre, so zu handeln.

CR: Ich habe drei wesentliche Erkenntnisse mitgenommen: 1.) Wir haben wahnsinnig innovative, wirklich beeindruckende Ideen kennengelernt. Das gilt aber eher für die Entwicklerseite, nicht für die Vermarktung. 2.) Die Leute arbeiten nach unserer Wahrnehmung extrem hart und haben einen ständigen Existenzdruck. 3.) Auf Führungsebene sind wir dabei, den Kontakt zur jüngeren Generation zu verlieren. Hier würde es helfen, sich auf Augenhöhe zu begegnen und mehr zuzuhören. Dazu kommt, dass Start-ups im Allgemeinen deutlich agiler agieren und dies Teil ihres Innovationsgeheimnisses ist. Wir im Mittelstand sind es gewohnt, erst mit einer Idee loszurennen, wenn wir bei wenigstens 100% sind. Zukünftig müssen wir es wagen, zeitiger mit einer Idee nach draußen zu gehen, um so auch früher das Feedback in Weiterentwicklungen einfließen lassen zu können.

Bei Ihrer Reise sind Sie auch Menschen begegnet, die Ihnen Prototypen oder angebliche Expertise für viel Geld verkaufen wollten. Eine Ihrer Erkenntnisse ist daher gewesen, das präzise Nachfragen zu lernen. Welche Fragen sind es, mit denen Sie die Aufschneider vom Experten zu unterscheiden gelernt haben?

DW: (schmunzelt) Eigentlich muss man nur den gesunden Menschenverstand einschalten und darf sich nicht blenden lassen. Gute Fragen sind etwa „Welche Ziele – auch monetär – haben Sie und Ihre Kunden sich damals gesetzt?“, „Wie definieren Sie Digitalisierung und welche Relevanz hat diese für Ihre Kunden?“ – und auch nicht zu vernachlässigen: „Haben Sie Referenzen? Was genau haben Sie da gemacht?“. Denn viele Bewohner Digitaliens werfen mit großen Namen um sich und vermitteln den Eindruck, dass sie dort beraten haben, bleiben aber sehr abstrakt, wenn es um ihre tatsächliche Rolle bei diesen Firmen und Projekten geht.

Gab es denn einen Digitalisierungs-Mentor, der Sie bei Ihrer Reise vor möglichen Gefahren und Fehlschlägen beschützt hat?

DW: Anfangs nicht. Wir wollten ja keine Pauschaltouristen mit Fremdenführer sein. Aber dann trafen wir verschiedene Berater mit dem richtigen Blickwinkel und der Portion „Realismus“, wie z.B. Ansgar Oberholz – Café-Inhaber, Coworking-Unternehmer und begnadeter Netzwerker –, der sich für uns als kluger Berater erwiesen hat. Er hat uns dabei unterstützt, den Blick auf das Wesentliche nicht zu verlieren.

In Ihrem Buch schreiben Sie über die digitale Transformation: „Man sollte dazu nicht nur eine Meinung haben, man sollte einen Plan haben.“ Aber so ein Plan sollte auch durchdacht sein, gleichzeitig sind die Möglichkeiten durch die digitale Transformation sehr vielfältig geworden, in welche Richtung dieser Plan gehen kann. Wie haben Sie diesen Widerspruch für sich am Ende der Reise aufgelöst?

CR: Ich empfehle, das Wort „Plan“ durch „Ziel“ zu ersetzen. Sie müssen wissen, was Digitalisierung in Ihrem geschäftlichen Kontext bedeutet. Und welchen Effekt sie auf Ihr Geschäft haben wird. Zudem natürlich, was Ihre Kunden davon haben werden und was Sie in zwei bis drei Jahren erreicht haben wollen. Das alles muss vorher klar sein. Und dann können Sie rückwärts denken und sich fragen, was Sie als erstes tun sollten. Dafür brauchen sie dann den Plan. Selbstverständlich gehören auch Flexibilität und Anpassungsfähigkeit dazu, um justieren zu können, wenn unvorhersehbare Entwicklungen eintreten.

DW: Mit Plan meinen wir auch, dass man vor Reiseantritt wissen muss, wo man eigentlich hin will. Wie definiert das Unternehmen, wie definiere ich Digitalisierung? Was bedeutet für uns Innovation? Wenn Sie die Antworten nicht haben, sollten Sie sich nicht auf den Weg machen. Und dann kommt es darauf an, dieses Transformationsprojekt wie jedes andere Projekt auch anzugehen. Das bedeutet, ganz klare Meilensteine, Erfolgsparameter und den typischen Bewertungs- und Verbesserungsprozess anzustoßen. Ansonsten wird diese Initiative keine echte Relevanz für das Geschäft entwickeln.

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