Wenn Sie diesen Artikel lesen, scheint Ihnen das Klima und – mehr noch – der Schutz des Klimas ein Anliegen zu sein. Falls Sie in der Stadt wohnen, nutzen Sie vielleicht bereits nur öffentliche Verkehrsmittel oder das Fahrrad, versuchen, regionale und saisonale Produkte einzukaufen. Das ist gut fürs Gewissen und sicherlich auch für die Umwelt. Wären da nicht Ihre Hin- und Rückflüge für den Städtetrip nach Lissabon, der Ihrer CO2-Bilanz zusetzt. Mit Klimakompensation, also Zahlungen in Relation zu Ihrem jeweiligen durchschnittlichen CO2-Ausstoß mithilfe derer CO2-neutralisierende Maßnahmen ergriffen werden, könnten Sie das ändern. Und damit laut Wissenschaftler Franz Josef Radermacher mithelfen, das Klima zu retten.
Klimakompensation ist wieder im Gespräch
Zugegeben: Die Grundidee der Klimakompensation gibt es schon länger und mit ihr auch die Kritik daran. Ablasshandel ist der gängige Vorwurf, zu sehr fühlen sich Kritiker dabei an das Freikaufen von Sündenstrafen erinnert. CO2 solle nach Kritikermeinung gar nicht erst in die Atmosphäre abgegeben werden. Dann müssten wir es auch nicht über mühsame Kompensationsmaßnahmen wie Aufforstung oder Humusbildung wieder aus der Luft herausfiltern. Doch die Kompensationsidee findet andererseits starke Befürworter. Gerade hat der Ulmer Wissenschaftler Franz Josef Radermacher in seinem Buch „Der Milliarden-Joker“ die freiwillige Klimakompensation als Weg identifiziert, Deutschland klimapositiv stellen zu können und so den Klimaschutz zu revolutionieren. Durch die Kompensation, so Radermacher, könnten gerade Unternehmen und Top-Ermitters, also Vielflieger und Weltjetter, ihren verursachten CO2-Ausstoß in neutralisierende Vorhaben reinvestieren. Denn gerade jene Wohlhabenden, so der Klima-Experte, müssen mit zunehmendem Klimawandel um die Weiterführung Ihres Lebensstils und die Aufrechterhaltung ihres Wohlstands bangen. „Die Eigentumstitel der wichtigen Entscheider sind bedroht. Außerdem drohen bei einer weiteren Zuspitzung der Klimaprobleme massive Eingriffe des Staates in Lebensverhältnisse und Lebensstile. Das wird heute bereits in der Diskussion um Fahrverbote deutlich. Auch hier ist der wohlhabende Teil der Weltbevölkerung wie auch die Eigentümerseite der Unternehmen wesentlich betroffen“, erklärte Radermacher im Interview mit dem Murmann Magazin.
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Freiwilligkeit als Chance
Radermacher appelliert an ein freiwilliges Verantwortungsgefühl, das dem Klimaschutz und auch den Menschen zugutekommen soll: „Jeder muss selber wissen, ob er sein Geld, das er freiwillig additiv einsetzt, für zusätzliche Klimaschutzaktivitäten in Deutschland nutzt oder alternativ z. B. in Aufforstung in Afrika investiert. Hier wird man sich die Frage stellen, wie viel Klimaeffekte man für sein Geld bekommt und ob man mit seinen Anstrengungen zugleich anderen Menschen helfen kann oder nicht, ob also sogenannte Co-Benefits entstehen“, so Radermacher.
Klimakompensation und das Zwei-Grad-Ziel
Neben der Aufforstung gibt es viele weitere Projekte, die bei der Neutralisation von CO2 helfen sollen. atmosfair etwa bezeichnet sich als „Klimaschutzorganisation mit dem Schwerpunkt Reise“ und unterstützt beispielsweise Projekte für Kleinbiogasanlagen in Nepal oder Kleinwasserkraftwerke in Honduras. Über die Website von atmosfair kann errechnet werden, wie viel CO2 der Flug oder die Kreuzfahrt verursacht haben – und wie teuer eine Kompensation wäre. Bei einem Hin- und Rückflug von Hamburg nach Lissabon betrüge die durchschnitte Klimawirkung etwa 1148 kg CO2, als Kompensationsbetrag werden 27 Euro angegeben. Damit könnten dann Maßnahmen wie die genannten unterstützt werden, um die Welt und das Klima zu retten – zumindest ein bisschen. Denn klar ist auch: Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Umgekehrt wird jedoch ein Schuh daraus und das rechnet Franz Josef Radermacher im Buch auch vor: Wenn genügend Kompensation durch Freiwillige stattfindet, lassen sich Klimaziele erreichen, so der „Milliarden-Joker“-Autor: „Wenn Unternehmen und andere leistungsstarke Akteure nicht rasch und mit hohem Wirkungsgrad aktiv werden, ist aus meiner Sicht das 2°C-Ziel nicht mehr zu halten.“
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