Künstliche Intelligenz (KI) ist längst kein Geheimtipp mehr – Apple-User können dazu mal Siri fragen. Und doch glaubt auch Design Consultant Andrew Doherty, der früher bei Google gearbeitet hat: Keiner habe bisher das vollständige Potenzial von KI erkannt, nicht einmal die Experten. Dabei arbeitet Andrew mittlerweile selbst in seinem Startup mit der Technologie.
Passend zur Konferenz #UNIT2017, bei der Andrew am 6. Mai auch als Speaker teilnimmt, haben wir mit ihm über Herausforderungen im Design und die Macht der Künstlichen Intelligenz gesprochen.
Andrew, bei #UNIT 2017 wirst du über die Zukunft des Designs sprechen. Welchen großen Herausforderungen muss sich Design in den kommenden Jahren stellen?
Eine der größten Herausforderungen, denen wir uns in diesen rasanten Zeiten stellen müssen, wird vor allem im Produktdesign die Geschwindigkeit sein, mit der sich alles verändert. Es ist wirklich schwierig für Menschen, den exponentiell verlaufenden Wandel zu verstehen, da wir von Natur aus linear denken. Aber Technologie verlief schon immer in einer exponentiellen Kurve – und Design ist Technologie. Wir designen immer in der Tradition derer, die Design-Lösungen vor uns gefunden haben. Vor zehn Jahren konnte ein gut designtes Produkt noch für fünf Jahre unverändert bleiben. Aber wenn ich heute ein Produkt designe, kann es schon beim Livegang sein, dass es die Leute nicht mehr brauchen – weil die Gesellschaft, Technologie und Konsumenten so schnell zum nächsten Ding weiterziehen.
Künstliche Intelligenz (KI) ist ein riesiges Thema in der Tech- und Digitalszene, aber versteht der Otto-Normal-Verbraucher wirklich die ganze Kraft dessen?
Ich glaube nicht, dass irgendwer das Potenzial von Künstlicher Intelligenz durchdrungen hat, nicht einmal die KI-Experten. Und das nicht, weil wir es nicht versuchen; um das wahrhaftige Potenzial zu verstehen, bräuchten wir Zugang zu einer wirklichen Künstlichen Intelligenz, die uns beim Verstehen hilft.
Ein Beispiel, um sich die bedeutsamen Auswirkungen auf das Leben der Menschen durch KI in naher Zukunft vorzustellen, sind „Smart Phone“-Benachrichtigungen. Denn aktuell sind auch die klügsten Telefone noch ziemlich dumm. Sie brummen und vibrieren, um uns mitzuteilen, dass etwas passiert ist, aber trotzdem muss man erst auf den Bildschirm schauen, um den Inhalt der Benachrichtigung zu kennen. Es könnte eine Nachricht deiner Mutter sein, in der sie dir sagt, dass dein Vater ins Krankenhaus gebracht werden musste. Oder einfach nur der Hinweis, dass du einen neuen Snap von einem Freund hast, der sein Essen fotografiert. Und es könnte sein, dass du die Nachricht bekommst, während du in einem Bewerbungsgespräch bist. Die Nachricht über deinen Vater sollte dich auch sicherlich währenddessen informieren, der Snap nicht. Dein Telefon sollte also smart genug sein, um zu wissen, welche Art der Information es dir wann geben sollte. Die Technologie, um dieses Problem zu lösen, haben wir ziemlich bald – und sie wird auf der personalisierten Künstlichen Intelligenz in der Hosentasche basieren.
Ist Künstliche Intelligenz denn etwas, mit dem auch kleinere Firmen arbeiten können?
Absolut! Tatsächlich sollte jedes kleinere Unternehmen schauen, wie sie so bald wie möglich Künstliche Intelligenz einsetzen können. Das könnte ihnen den nötigen Vorsprung vor den größeren, aber unflexibleren Konkurrenten im Markt geben. Es können so einfache Sachen wie eine Künstliche Intelligenz sein, die bei der Suche nach Hintertürchen oder potenziellen Problemen in Verträgen hilft oder KI, die im Chaos des Kundenverhaltens durch Analyse nach Mustern sucht, um die Kundenzufriedenheit zu verbessern.
Du hast für Google als Lead Product Designer gearbeitet und Google ist sehr für seine Offenheit bekannt. Können andere Unternehmen diesen Spirit adaptieren?
Für Google Produkte zu designen war ein wirklich cooler Lebensabschnitt. Die Offenheit und die positive Umgebung waren Gründe, weshalb ich dort so gerne gearbeitet habe. Aber ich denke nicht, dass Google das einzige Unternehmen der Welt mit diesem Spirit ist, vielmehr ist dieser nur aufgrund von Googles Profil sichtbarer. Trotzdem denke ich, dass deutsche Firmen von diesem Ansatz lernen können, denn ich habe mitbekommen, dass Deutschland diesbezüglich etwas hinterherhinkt. Ich höre immer noch, dass sich Angestellte gegenseitig mit formalen Grußformeln ansprechen und Organisationen sehr hierarchisch und strukturiert sind. Das hat vielleicht vor vielen Jahren so funktioniert, aber das ist nicht die Zukunft, von der junge Menschen ein Teil sein wollen. Jedes Unternehmen in Deutschland, das in einer von Künstlicher Intelligenz gestützten, technologischen Revolution überleben will, wird ein kreatives Arbeitsumfeld brauchen, das attraktiv für jene Leute ist, die diese Revolution begründen. Wenn sie dies nicht tun, werden sie Talente an Google und andere verlieren, die dafür sorgen, dass Arbeit Spaß macht.
Aus einer weiteren Perspektive: Besteht durch KI die Möglichkeit, menschliche Schwächen zu überwinden und eine wirklich gleichberechtigte Gesellschaft zu initiieren?
KI wird definitiv eine Rolle im Wandel der Gesellschaft spielen, früher als wir es realisieren werden. In der Tat glaube ich so stark daran, dass ich aus meinem Job bei Google ausgestiegen bin, um hier in Berlin ein KI-Startup zu gründen. Es heißt Another.ai und wir nutzen KI, um den Menschen zu helfen, menschlicher zu sein. Es zeigt sich, dass wir uns mit dieser Technologie wirklich daranmachen können, Probleme wie Homophobie, soziale Ungleichheit, Einsamkeit und Isolation zu lösen.
Über #UNIT2017:
#UNIT2017 ist „The Global LGBTI Tech & Science Conference“, die von Unicorns In Tech organisiert wird. Zum Programm am 6. Mai in Berlin gehören Keynotes, Panels, Workshops und Lightning Talks.
Dieser Beitrag erschien in ähnlicher Weise zuerst auf der mittlerweile eingestellten Seite So. Digi. Pop., die auch Medienpartner von #UNIT2017 war.
Titelbild: Andrew Doherty