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Wer lässt sich gerne stören? Wer hat gerne Sand im Getriebe? Wer freut sich über den verspäteten Zug? Störungen im Alltag mögen wir gar nicht! Unsere Terminpläne sind eng getaktet. Auch die Freizeit ist häufig verplant. Wie gut, dass es Gewohnheiten gibt.

Wir müssen zum Beispiel nicht mehr nachdenken, wenn wir uns die Schnürsenkel binden. Das ist Routine. So, wie fast alles im Alltag eine Routine ist. Es ist geregelt, wann wir über die Ampel fahren. Wir verbrauchen keine Energie für die Lösung, sie steht fest. Alles, was feststeht, spart Energie. Das ist der große Mehrwert einer Gewohnheit. Man macht sie einfach!

Gewohnheit ist der Tannenbaum oder der Verbrennungsmotor

Gewohnheit schweißt auch zusammen. Das nennen wir Tradition. Das beste Beispiel hierfür: Der Weihnachtsbaum im Wohnzimmer. Von außen betrachtet ist ein toter Baum im Haus nicht sinnvoll, doch die Gewohnheit gibt uns Sicherheit. Das macht man halt so. Motorenbenzin ist gesundheitsschädlich und kann krebserregendes Benzol enthalten, doch wir kippen es in Fahrzeuge und atmen die Abgase statt frischer Luft ein. Der Verzicht auf den Verbrennungsmotor und andere Gifte im Alltag fällt uns sehr schwer. Warum?

Das Auto ist eine Gewohnheit. Unsere Vorstellungskraft reicht nicht aus, um uns ein Land mit einer ganz anderen Mobilität vorzustellen. Werden Straßen vom Verkehr befreit, klagen Einzelhändler, man nehme ihnen den Umsatz. Tatsächlich gibt es weltweit Belege, dass mehr gekauft wird, wenn Straßen beruhigt sind und der Einkauf angenehmer ist. Routinen sind am Anfang immer eine Erleichterung. Erst im Laufe der Zeit wendet sich das Blatt, ohne dass wir es merken.

Routinen sparen zunächst Ressourcen, bis sie Ressourcen verschwenden. Am Anfang bedeuten Routinen Zeitersparnis, irgendwann wird aus hilfreichen Gewohnheiten jedoch der tägliche Stau auf dem Weg zur Arbeit. Stau ist lästig, aber unvermeidbar, reden wir uns die Situation dann schön, statt unsere Routinen zu verändern. Klimaschutz steht seit 40 Jahren auf der politischen Agenda, und täglich steigen die Folgekosten immens, doch unsere Gewohnheiten sind stärker als die Gefahren in der Zukunft. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier.

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Gewohnheiten ändern? Sie geben uns doch Sicherheit!

Estland spart 800 Jahre Arbeitszeit in der Verwaltung durch mehr als 100 digitalisierte Angebote für Bürgerinnen und Bürger. Das tut allen gut! Deutschland könnte pro Jahr 50.000 Jahre Arbeitszeit sparen, wären wir auf dem Stand von Estland. Stattdessen wird über Fachkräftemangel in der Verwaltung geklagt, während wir in alten, nicht digitalisierten Prozessen festhängen. Und wenn wir etwas digitalisieren, denken wir das Angebot häufig nicht komplett neu und vereinfachen es, sondern wir digitalisieren den alten Klotz am Bein.

Dabei gibt es eine so simple Lösung für dieses Problem: Streichen! Streichen ist eines der 18 Handwerkzeuge der Innovation. Nehmen Sie einen Prozess, definieren Sie sechs Kernelemente und streichen Sie drei davon. So gewinnen Sie Platz für Neues. Das trainieren Sie nicht einmal, sondern täglich. Warum fällt uns streichen so schwer?

In den meisten Unternehmen kommt Innovation auf den bestehenden Berg von Arbeit oben drauf. Was wird als Erstes aussortiert? Das Neue. Das Ungewohnte. Der Berg gewohnter Tätigkeiten lässt sich leichter abarbeiten. Das Neue muss sich ganz hinten anstellen und kommt meistens nicht zum Zuge. So schlecht kann der alte Prozess nicht sein. Schau doch, wie gut es uns geht! Wir lieben Gewohnheiten – selbst wenn wir über dumme Angewohnheiten lästern. Sie geben uns Sicherheit.

Das wirklich Neue ist unbekannt, ungewohnt, unchristlich, unwürdig, unsexy, unbeliebt. Aber ja! So muss das Neue sein, sonst wäre es nicht neu. Das Neue muss sich erst noch bewähren. Überzeugt uns dessen Nutzen, greifen wir zu und es kann mit der Zeit eine neue Gewohnheit werden.

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Skepsis gegen Veränderung hat einen wesentlichen Grund

Ein wesentlicher Grund der gelebten Skepsis gegenüber Veränderung liegt in einem groben Missverständnis über Innovation. Psychologe und Unternehmensberater Peter Kruse sagte sehr treffend: „Alle Systeme versuchen stabile Zustände zu erreichen. Alle Systeme bilden Ordnungsmuster.“ Atome, Menschen, Ideen streben zu Stabilität. Dauerhafte Instabilität ertragen wir nicht. Würde alles fließen, wäre das ein psychotischer Zustand, so Peter Kruse. Darum geht es bei Innovation natürlich nicht. Innovation ist die Störung zwischen zwei stabilen Zuständen, zwischen dem alten System und dem neuen System, zwischen den alten Spielregeln und den neuen Spielregeln. Wir wollen Gewohnheit, und das ist gut so. Die meisten Veränderungsprozesse betonen zu sehr das Neue, statt die Sicherheit und den Mehrwert der neuen Gewohnheit hervorzuheben.

Mit einer Idee fängt alles an. Unsere ganze Geschichte besteht aus zahlreichen Ideen, für die andere Menschen bereits gekämpft haben. Ideen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Menschen haben jeden Tag neue Ideen: Was ziehe ich heute an? Was koche ich morgen? Welcher Wein passt zu diesem Gericht? Welcher neue Wirkstoff in einem Medikament wird mehr Menschen heilen als bisher? Auch hier gilt: Es könnte so einfach sein, wäre da nicht die Routine. Der Feind jeder außergewöhnlichen Idee, die uns eine außergewöhnliche Gewohnheit bringen könnte. Der Feind, der am Anfang alles sinnlos erscheinen lässt, weil wir es nicht kennen.

Treten Sie nicht auf Ideen-Babys!

Es gibt einen Weg, diesem Feind ein Schnippchen zu schlagen: Lassen Sie Ideen leben, lassen Sie Ideen rocken! Wollen Sie Schmetterlinge, treten Sie nicht auf Raupen! Wollen Sie reife, nachhaltige Veränderungen, treten Sie nicht auf Ideen-Babys!

Ideen tragen Talente in sich, die erst einmal gefüttert, gepampert und geliebt werden wollen. Ein Paradebeispiel hierfür ist Netflix. Der Online-Streamingdienst feiert in diesem Jahr seinen 22. Geburtstag. Ja, richtig gelesen: Als Sie Netflix kennengelernt haben, war diese Idee bereits volljährig. Ideen sind zuerst hilflose Babys, dann wilde Teenager und schließlich erwachsene, gereifte Gewohnheiten. Also: Ein Hoch auf die alten und neuen Gewohnheiten.

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