Fußballer sind auch nur Menschen – auch, wenn sie im Profibereich deutlich mehr Geld verdienen als der durchschnittliche Arbeitnehmer. Sportpsychologe Jan Mayer berät unter anderem die Bundesligamannschaft der TSG 1899 Hoffenheim und den Deutschen Olympischen Sportbund und findet: Situationen des extremen Drucks kennen nicht nur Spitzensportler in der Bundesliga, sondern jeder, der ambitioniert einem Beruf nachgeht. Mit welchen Techniken Leistungssportler diese Ausnahmesituationen meistern und wie auch der ganz normale Arbeitnehmer das lernen kann, beschreibt der Autor im gerade erschienen Buch „Make them GoX“.
In unserem Interview erklärt Jan Mayer den Druck für Fußballer im Saisonfinale der Bundesliga und zieht Parallelen zu Alltagsjobs.
Herr Mayer, der letzte Spieltag der Bundesliga steht bevor. Welchen Druck müssen die Spieler, bei denen es beim letzten Match der Saison nochmal um alles geht, aushalten?
Der erlebte Druck hat viel mit den eigenen Ressourcen zu tun. Natürlich weiß jedes Mitglied einer Mannschaft, worum es an so einem Tag geht und was die Außenwelt von einem erwartet. Aber es ist ganz entscheidend wie wir mit diesen Erwartungshaltungen umgehen. Es gibt nämlich durchaus Strategien, die helfen, den Fokus in eine Richtung zu steuern, die den Druck fernhält und aushaltbar macht.
Wie genau muss man sich die Ursachen des Drucks vorstellen – sind das eigene Erwartungshaltungen, die der Trainer und Fans oder die der Medien?
Davon kommt alles als Quelle in Frage. Aber gerade im Leistungssport ist es erstaunlich oft der Fall, dass der größte Druck von einem selbst ausgeht. Das ist zwar erst mal unschön, heißt aber auch, dass der Spieler selbst auch die meisten Möglichkeiten hat, etwas dagegen zu unternehmen.
In Ihrem Buch „Make them GoX“ übertragen Sie die Erfolgsgeheimnisse von Leistungssportlern auf normale Berufe. Gibt es denn in der Berufswelt etwas mit dem letzten Spieltag vergleichbares?
Aber sicher. Es ist in unserer Gesellschaft völlig normal, dass wir von dem anderen erwarten, dass er sein Bestes gibt, wenn wir mit ihm zu tun haben. Aber auch man selbst erwartet häufig von sich, dass man das, was man kann, auch in der Anforderungssituation zeigen kann. Die Prüfung, die Abschlusspräsentation, der Pitch beim Chef. Immer dann, wenn es keine zweite Chance gibt und wenn Konsequenzen drohen. Noch viel offensichtlicher ist es bei Berufen mit unmittelbarer Verantwortung für die Gesundheit und das Leben anderer Menschen. Piloten und Chirurgen z. B. müssen an jedem Arbeitstag auf den Punkt liefern.
Ein Credo in Ihrem Buch ist: Auf ein gut zusammengestelltes Team kommt es an. Bei Sportmannschaften wird der Kader im Sommer oft überprüft, neue Spieler – im Fußballjargon – ge- oder verkauft. Bei normalen Unternehmen gibt es diese Fluktuation das ganze Jahr über. Birgt die eine oder die andere Variante Vorteile?
Es ist sicher in den meisten Fällen nicht schlecht, wenn man die Zeitpunkte antizipieren kann, in denen Veränderungen im Team anstehen. Aber es gibt sicher auch die ein oder andere kritische Situation, in der eine kurzfristige Flexibilität hilfreich ist. Ich will allerdings auch betonen, dass ein Team nicht nur durch Austausch der Teammitglieder verbessert werden kann, sondern oft dadurch, dass man Rahmenbedingungen schafft, unter denen die Profile der aktuellen Mitglieder gut funktionieren. Damit kann man jederzeit starten.
Demnächst steht die Fußball-WM der Herren in Russland an, da fällt für einige Spieler der Sommerurlaub kürzer aus. Wie viel Freizeit am Stück brauchen Profisportler wie normale Berufstätige idealerweise zur Regeneration?
Da gelten für alle ungefähr die gleichen Regeln. Die mentale Erholung benötigt oft mehr Zeit als die körperliche. Es gibt zwar verschiedene Empfehlungen was die Länge angeht, aber viel wichtiger ist die Qualität. Also wie gut man in der Lage ist, komplett abzuschalten und Abstand zu seinen Aufgaben zu kriegen.
Gibt es mentale Entspannungsübungen, die Profis im Urlaub nutzen und auch anderen Berufstätigen helfen würden?
Es gibt verschiedene Entspannungstechniken, mit denen ein Profisportler regelmäßig arbeitet. Sie können zur Regeneration genutzt werden, aber auch als Grundlage für andere Mentalstrategien. Aber im Kontext Urlaub ist der Urlaub selbst die wichtigste Entspannungsübung. Aber auch außerhalb der Urlaubszeit gilt es, regelmäßig offline zu gehen und sich komplett auf die „Nicht-Job“-Tätigkeit (wir nennen das auch Gegenwelt) einzulassen.
Titelbild: pexels.com