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Nicht erst seit sozialen Netzwerken bewegen wir uns in Filterblasen: Im Freundeskreis und im Job sind wir oft in einem Umfeld unterwegs, das unserer eigenen Gedanken- und Lebenswelt recht ähnlich ist – vom Bildungsstand bis zur Sozialisation. Das gilt nicht nur für Chefetagen, sondern auch für ausführende Kräfte. Genau hier soll mit Hilfe von Diversity-Maßnahmen Vielfalt geschaffen werden, indem etwa Frauen und Männer gleichermaßen in Führungspositionen Akzente setzen. Der Vorteil: neue Impulse, neue Perspektiven.

Aber wie lässt sich Diversity im Unternehmen realisieren und macht es Sinn, auf Basis von Geschlecht und Hautfarbe zu recruiten? Das haben wir Kerstin Tote, Referentin und Diversity Expertin bei der Charta der Vielfalt, gefragt.

Frau Tote, Diversity scheint gerade in den vergangenen Jahren ein Trendthema für deutsche Unternehmen geworden zu sein, dabei starteten die diversen Gleichberechtigungsbewegungen doch schon im 20. Jahrhundert. Brauchen Unternehmen länger, um gesellschaftliche Entwicklungen in ihre eigene Kultur aufzunehmen?

Sie haben recht, Stellen wie Frauenbeauftragte, Behindertenbeauftragte und ähnliche gab es in Deutschland bereits im letzten Jahrhundert. Relativ neu, erst seit Anfang der 2000er Jahre, ist die übergreifende Funktion des Diversity Managements. Dieser ganzheitliche Ansatz kam zuerst aus Firmen, die ihren Hauptsitz in den USA haben und damit relativ groß sind, und verbreitete sich dann von dort aus erst in Deutschland.

Die Charta der Vielfalt wurde im Dezember 2006 ins Leben gerufen – damals von vier Unternehmen. Wie ist Ihr Fazit: Was hat sich in den 11 Jahren seit dem Start der Charta der Vielfalt getan?

Einiges: Über 2.700 Unternehmen, öffentliche Institutionen, Vereine, Verbände und Stiftungen haben die Charta der Vielfalt bisher unterzeichnet. Dahinter stehen 9,4 Millionen Beschäftigte. Wir konnten das Thema Diversity Management in Deutschland ein gutes Stück voranbringen – dennoch bleibt noch viel zu tun.

Gerade in sozialen Netzwerken lassen sich teils heftige Reaktionen auf die (journalistische) Beschäftigung mit Gleichberechtigungs- und Gender-Themen finden. Wie erklären Sie sich das?

Hasskommentare lassen sich bei allen Themen aus dem Diversity-Bereich finden, egal ob es um die Arbeitsmarktintegration Geflüchteter, die Ehe für Alle, das Tragen religiöser Symbole oder die Geschlechterquote geht. Ich kann mir vorstellen, dass sich diese Themen besonders gut dafür eignen: Alle haben ihre eigene Meinung dazu, viele sind direkt betroffen und oft gehen diese Themen mit einer Art von gesellschaftlicher Veränderung einher und sorgen dadurch für Ängste.

Portrait von Kerstin Tote von Charta der Vielfalt

Kerstin Tote, Diversity-Expertin von Charta der Vielfalt

Wird denn heute von Unternehmen erwartet, sich gegen rechtes Gedankengut und für Vielfalt auszusprechen?

Wichtig ist, dass Unternehmen eine klare Linie fahren und Verhalten ihrer Beschäftigten ahnden, das nicht im Sinne ihres Kodexes oder ihrer Leitlinie ist. Welche politische Gesinnung die Beschäftigten haben, ist aber Privatsache. Sie durch das Unternehmen beeinflussen zu wollen, geht zu weit. Unternehmen können jedoch ihre positive Einstellung zum Thema leben und Gedankenanreize setzen.

Welche Diversity-Maßnahmen lassen sich auch in kleineren und mittleren Unternehmen realisieren?

Prinzipiell ist die Größe eines Unternehmens keine Einschränkung für die Umsetzung von Diversity Management. Jedes Unternehmen sollte sich zuerst fragen, was es mit Diversity Management erreichen möchte und wie der momentane Ist-Zustand ist. Danach sollten individuelle Maßnahmen entwickelt werden, die helfen, das Ziel zu erreichen und die zum Unternehmen passen.

Wenn ein Unternehmen beim Recruiting und der Teamzusammensetzung das Augenmerk auf das Geschlecht oder die Hautfarbe legt – ist das dann nicht auch recht oberflächlich? Oder, anders gefragt: Sollte ein Unternehmen zwecks Diversität nicht vielmehr darauf achten, unterschiedlich sozialisierte Menschen einzustellen, bei denen Merkmale wie das Geschlecht ein Indikator sein können?

Es geht nicht darum, in jedem Fall so viel Vielfalt wie möglich im Unternehmen abzubilden. Aber wie die Studie der Allbright-Stiftung zeigt, waren unter den Neuanstellungen in Chefetagen fast 90 Prozent Männer und zwei Drittel Deutsche. Und von den eingestellten Vorständen haben 64 Prozent ihre Ausbildung in Westdeutschland erhalten. Das ist – oberflächlich betrachtet – weit weg von unterschiedlich sozialisierten Menschen. Deshalb ist unser Appell, dass das Recruiting offener wird und Menschen nicht von vorne herein, bewusst oder unbewusst, aufgrund ihrer Hautfarbe oder ihres Geschlechts ausgeschlossen werden.

 

Murmann Publishers, die Medien- und Unternehmensgruppe, zu der auch das Murmann Magazin gehört, ist Unterzeichner der Charta der Vielfalt

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