Die Kulturtipps im Oktober führen uns in den Berliner Herbstsalon, mit einem Klassiker auf die Philippinen und musikalisch in die Steppe Zentralasiens.
Berliner Herbstsalon am Maxim Gorki Theater
Wenn sich im Oktober und November die Türen des Maxim Gorki Theaters zum 7. Berliner Herbstsalon öffnen, blickt Intendantin Shermin Langhoff auf zwölf Jahre postmigrantisches Theater zurück – und feiert gleichzeitig ihren Abschied. Unter dem Motto ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE verwandeln sich das Theater und umliegende Orte in ein lebendiges Forum aus Performance, Theater und bildender Kunst. Herzstück ist Ersan Mondtags Inszenierung Das rote Haus, inspiriert vom Telefunken-Wohnheim für türkische Arbeiterinnen der 1960er-Jahre – ein Stück über Heimat, Fremdheit und Anerkennung. Mit dem Berliner Herbstsalon hat Shermin Langhoff vor 12 Jahren den Geist von Herwarth Waldens „Deutschem Herbstsalon“ von 1913 aufgegriffen. 2025 begegnen sich zwischen Foyer, Garten und Lindentunnel Werke von Marta Górnicka, Gülsün Karamustafa, Zehra Doğan oder Züli Aladağ. Das Publikum ist eingeladen, sich einzumischen – in Gesprächen, Interventionen, partizipativen Performances.
- Berliner Herbstsalon
ЯE:IMAGINE: THE RED HOUSE
Inventories / Interventions / Inventions
2. Oktober bis 30. November 2025
Maxim Gorki Theater Berlin
José Rizal: Noli me tangere – Wiederentdeckung eines Klassikers
Ein Roman, der Geschichte schrieb: José Rizals Noli me tangere aus dem Jahr 1887 gilt als das Schlüsselwerk der philippinischen Literatur – und erscheint nun in neuer Übersetzung beim Insel Verlag. Schonungslos legt Rizal die Brutalität der spanischen Kolonialherrschaft offen, erzählt von Macht, Gier und religiöser Heuchelei. Sein Held Crisóstomo Ibarra träumt von Bildung und Fortschritt, stößt aber in seinem Heimatdorf San Diego auf Intrigen, Aberglauben und korrupte Geistliche. Dass der Roman einst in Berlin gedruckt wurde, verleiht seiner Rückkehr nach Deutschland besondere Symbolkraft. Rizals präziser, satirischer Blick – zwischen Realismus und skurriler Komik – macht Noli me tangere zum zeitlosen Angriff auf Unrecht und Machtmissbrauch. Der Autor, Arzt und Nationalheld wurde 1896 von den Spaniern hingerichtet, doch seine Worte überdauerten: Sie schufen das philippinische Nationalbewusstsein.
José Rizal
Noli me tangere
aus dem philippinischen Spanisch von
Annemarie del Cueto-Mörth
Insel Verlag, Berlin 2025
Viktoria Elisabeth Kaunzner: Saiga Antelope
Zwischen Steppe und Seoul entfaltet sich auf Viktoria Elisabeth Kaunzners neuer CD Saiga Antelope ein faszinierender Klangbogen zwischen Ost und West. Inspiriert vom Massensterben der zentralasiatischen Saiga-Antilope 2015, verwandelt die Geigerin und Komponistin Naturbeobachtung in Musik. Und das macht sie virtuos, eigenwillig und poetisch. Viktoria Kaunzner, die lange auch als Professorin in Seoul tätig war, versteht sich als Grenzgängerin mit Geigenbogen. Gemeinsam mit dem Universal Korean Organic Ensemble unter Juan Pablo Hellín erschafft sie Werke wie Silk Road oder Lucid Dreams, in denen eurasische Klangfarben, heitere Rhythmen und westliche Virtuosität verschmelzen. Dazwischen erklingen Stücke von Elena Kats-Chernin und Violeta Dinescu – ein Kaleidoskop aus Improvisation, Experiment und melodischer Schönheit.



