Der Oktober lädt ein, sich in seinen goldenen Farben zu verlieren und Kultur vor allem sinnlich zu genießen – mit Poesie im Alltag, dem Pepp der Zwanziger Jahre und einem bunten Opernspektakel.

Klang-Poesie

Als während der Zeit des Lockdowns das Spazierengehen eine Renaissance erlebte, führte der vermeintliche Stillstand beim Performance-Ensemble DieOrdnungDerDinge hingegen zu einem Kreativitätsschub. Beim Flanieren durch die Berliner Straßen und Parks entdeckten die Künstler die Stadt neu und erlebten unerwartete Blicke auf Bekanntes. Heraus kamen „Urban Miniatures“, kurze, poetische Momentaufnahmen, Klangexperimente und Kompositionen in Videos und Audios, inspiriert von ihrer urbanen Umgebung. Für die Spaziergänger bedeutet dies ein Heraustreten aus dem Alltagsfluss hinein in eine ganz besondere Form der Poesie. Wenn sich Spaziergänger auf die Klangabenteuer einlassen möchten, brauchen sie dafür lediglich ein Handy. Auf rund 40 Parkbänken in Berlin-Mitte finden sich QR-Codes, die das Tor in unbekannte Klangerlebnisse öffnen. Wer sich nicht auf den Zufall verlassen will, kann sich auf einer eigens für den Parcours gebauten Website von Station zu Station leiten lassen.

Urban Miniatures
seit dem 5. September in Berlin-Mitte

Goldene Jahre

Die Show als Wechselbad der Gefühle, in der kein Moment vorhersehbar ist. Das ist das Besondere an der aktuellen Show GOLDEN YEARS im Wintergarten Varieté in Berlin. Da kann es schon einmal passieren, dass Sängerin Nina de Lianin und DIVA Tomasz mit ihrer Interpretation des Marlene Dietrich Klassikers „Sag mir, wo die Blumen sind“ für Gänsehaut sorgen, während Minuten später der Salto Mortale des Trio Csaszar den Atem stocken lässt oder Rodrigue Funke mit seinen Foxterriern Loulou und Skipper das Publikum mit zwei quirligen Hundedressur-Nummern zum Lachen bringt. Letzterer fungiert auch als Dramaturg der Show, deren Reminiszenzen an die 1920er-Jahre eine gelungene Mischung aus Nostalgie und zeitgenössischem Varieté ist.

So deckt das Ensemble das ganze Repertoire einer Varieté-Kunst ab, die es in dieser Art auch schon vor hundert Jahren hätte geben können. Perfekt auf die Nummern abgestimmte Kompositionen, oft mit Motiven aus alten Stücken, sind das i-Tüpfelchen im Bogen von der Vergangenheit in die Gegenwart.

Golden Years
Wintergarten Varieté Berlin
noch bis zum 17. Februar 2023

Bollywood in Bayreuth

Ganz begeistert war meine Kollegin Barbara Röder, als sie zwei Wochen nach den Bayreuther Wagner-Festspielen in die kleine oberfränkische Stadt zurückkehrte, um im Rahmen von Bayreuth Baroque „Alessandro nell’Indie“ von Leonardo Vinci anzusehen und anzuhören. Das Stück, uraufgeführt zur Karnevalssaison in Rom 1729, wurde im wunderschönen Markgräflichen Opernhaus zu einem Fest à la Bollywood: „Indische Glückseligkeiten in einer Bollywood-Seelenshow“, schreibt sie in ihrer Rezension. Worum es geht? Um Eifersucht, Alexander den Großen und seine Begegnung mit dem indischen König Poro, diverse Liebesverstrickungen, Verwechselungsspiele und spielerisches Schlachtengeplänkel. Regisseur Max Emanuel Cencic besetzte übrigens alle Partien mit Männern – ganz so, wie es im 18. Jahrhundert üblich war, als Frauen Musik nicht erlernen durften. Das allerdings, so Barbara Röder, sei das Sahnehäubchen auf der bunten Oper, die einfach nur richtig Freude mache.

Nachzuschauen in der arte Mediathek hier.

Foto von Quentin Grignet auf Unsplash.