Die Wiederentdeckung eines Künstlers wird in Dresden gefeiert, mit Pieke Biermann erleben wir ein Berlin-Revival der Wendezeit und in Oberammergau feiert ein Ort bis heute die Überwindung der Pest im Jahr 1634.
Dresden
Er war Zeitgenosse von Arnold Böcklin, Ferdinand Hodler, Gustav Klimt, Franz von Stuck und Paula Modersohn-Becker, und doch ist er in Vergessenheit geraten: Oskar Zwintscher. Der Maler lebte von 1870 bis 1916. Und während dieser Zeit sorgte er für viel Diskussionsstoff. Er war zwar ein Künstler des Fin de Siècle bzw. Jugendstils, aber seine Bildsprache war eigensinnig. Es ging ihm weniger um die wahrheitsgetreue Abbildung der Realität, als um das Transportieren von Stimmungen und Sehnsüchten, erklärt Andreas Dehmer, Kurator der Ausstellung, die derzeit im Albertinum in Dresden zu sehen ist. Das Haus beherbergt neben der Städtischen Galerie Dresden eine der bedeutendsten Werkgruppen des Künstlers. Im Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt „Oskar Zwintscher (1870–1916). Das unbekannte Meisterwerk“, das viele neue Aspekte des vergessenen Malers hervorbrachte, findet in der Schau eine Neubewertung seiner Arbeit statt. Das Publikum seiner Zeit empfand Oskar Zwintscher als „aufregend anders“. Für uns heute dürfte etwas Ähnliches gelten, wenn wir auf den Spuren dieser Wiederentdeckung wandeln.
Das vollständige Interview mit den Kuratoren der Ausstellung lesen Sie hier.
Weltflucht und Moderne. Oskar Zwintscher in der Kunst um 1900
Ausstellung noch bis zum 15.1.2023.
Albertinum Dresden
Tzschirnerpl. 2
01067 Dresden
Berlin
Jahrelang war das „Berlin-Quartett“ von Pieke Biermann vergriffen. Nun – endlich! – liegt es wieder vor. Und scheint in den Jahren zu einem Klassiker gereift, der mit nichts zu vergleichen ist. Worum es geht? Um Mord und Totschlag in Berlin kurz vor und kurz nach dem Mauerfall. Plötzlich müssen Ost und West zusammenwachsen. Misstrauisch fährt man in den anderen Teil der Stadt. Und die Hauptfiguren sind moderner als so mancher es heute glauben mag: Die leitende Kriminalkommissarin will nur mit „Lietze“ angesprochen werden, ihr Stellvertreter liebt Männer, Kollegin Sonja lebt mir ihrer Freundin zusammen.
Daneben strotzen die Geschichten vor skurrilen Begebenheiten und einer Personnage, die natürlich auch von der Lebenswelt Pieke Biermanns geprägt ist. Vorneweg die bunte Gruppe von Prostituierten, die in allen Büchern auftaucht. Alles in allem ist das „Berlin-Quartett“ eine Zeitreise und ein Zeitdokument voller Zeitgeist, der auf immer verloren ist. Doch mit jeder Zeile erweckt ihn Pieke Biermann zum Leben und trifft ins Mark dieses so ruppigen, unfertigen und doch irgendwie herzlichen Berlins.
Noch mehr Infos im Podcast hier.
Pieke Biermann
Das Berlin-Quartett
Schuber mit 4 Bänden
Ariadne 1255
Argument Verlag, Hamburg 2021
Oberammergau
Für manchen mag es altbacken klingen – aber die Passionsspiele in Oberammergau sind bis heute etwas ganz Besonderes. Nachdem die Stadt im Allgäu 1634 die Pest überstanden hatte, lobte sie vor dem Herrn, alle zehn Jahre die letzten fünf Tage im Leben von Jesus Christus nachzuspielen. Bis heute hielt der Ort sein Gelübde – einzige Ausnahme: Die Corona-Zwangspause, die aus den letzten zehn Jahren zwölf machte.
Wie immer steht der ganze Ort auf der Bühne, die Tradition lebt in jedem Bürger, jeder Bürgerin der Stadt. Ein Erlebnis, so findet mein Kollege Stephan Reimertz, dem man einmal im Leben beiwohnen sollte. „Studenten, Wissenschaftler, Gastwirte, Manager, Hoteliers, akademische Berufe oder handwerkliche: sie alle tragen zu diesem großen und familiären Gesamtkunstwerk bei, wie es auf der Welt nur in Oberammergau existiert. Wenn es überhaupt geborene Schauspieler und Festspielveranstalter gibt, dann diese“, ist das Resümee des Protokolls seiner Pilgerfahrt zu den Passionsspielen.
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Foto von filippofaccendini auf Pexels.