Aus Südkorea überrascht der Film „Parasite“, Goliarda Sapienza lädt zum Träumen nach Positano ein und das Kupferstichkabinett entdeckt mit Adolph von Menzel einen Maler neu.
Parasitengleich
Wenn die Kims WLAN benötigen, müssen sie sich in ihrer engen Souterrainwohnung im Armenviertel von Seoul hinter die Toilette quetschen und sich im Netz des Nachbarn einklinken. Die Familie – Vater, Mutter und zwei erwachsene Kinder – sind arbeitslos. Das gelegentliche Falten von Pizzaschachteln hilft nicht, die Not zu lindern. Bis zu dem Tag, als Sohn Ki-woo den Nachhilfejob eines Freundes bei der reichen Familie Park übernehmen kann. Die freundliche und arglose Familie ahnt nicht, wen sie sich ins Haus geholt hat. Denn schon bald gelingt es Ki-woo, nach und nach das gesamte Hauspersonal der Parks durch die eigene Familie zu ersetzen. Geschickt verstehen es die netten Kims die ebenso netten Parks auszunutzen. Doch dass dieses Arrangement nicht lange gut gehen kann, liegt auf der Hand.
Quentin Tarantino gleich schraubt Regisseur Bong Joon-ho in „Parasite“ die Eskalationsschraube nach oben. Als ein Unwetter über die Stadt hereinbricht und die Kellerwohnung der Kims überflutet wird, während die Parks im Trockenen sitzend dem Wetterspektakel zuschauen, kippt die Lage ins Bedrohliche. Aus dem harmlosen Wunsch, endlich die gesellschaftliche Leiter aufzusteigen, entwickelt sich für die Kims ein Zwei-Fronten-Krieg, denn plötzlich steht auch die ehemalige Haushälterin wieder vor der Tür. Bong Joon-ho entfaltet einen tragischen, komischen und bitterbösen Fächer, der in einem grandiosen Finale endet. Zurecht erhielt er dafür die diesjährige Goldene Palme in Cannes.
Im Kino seit 17. Oktober 2019
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Sehnsuchtstrunken
In weit beschaulichere Gefilde entführt uns die italienische Schriftstellerin Goliarda Sapienza. Als Positano an der Amalfiküste noch ein pittoreskes Fischerdorf war, bevölkert von Künstlern und Bohémiens, kommt sie Ende der vierziger Jahre hierher und lernt Erika kennen, die alle nur „die Prinzessin“ nennen. Die elegante, sphärische Frau in dem schönen Haus am Hang bezaubert den Ort und auch die Autorin. Eine zwanzigjährige Freundschaft entsteht, in der Goliarda die tragische Geschichte ihrer Freundin erfährt.
Selten findet man Poesie, Nostalgie und Sehnsucht so verdichtet wie bei Goliarda Sapienza. Meisterhaft versteht sie es, vergangene Zeiten heraufzubeschwören. Gleichzeitig erzählt sie von den Veränderungen, die der Massentourismus in die verschlafenen Ort entlang der Küste brachte. So setzt die italienische Autorin mit ihrem autobiographischen Roman „Wiedersehen in Positano“ nicht nur diesen Zeiten ein Denkmal, sondern auch einer Freundin, die es tatsächlich gab, wenngleich im fernen Mailand. Wer dem Winter und den rauen Zeiten von heute entfliehen möchte, ist in diesem Buch bestens aufgehoben.
Goliarda Sapienza
Wiedersehen in Positano
Thiele Verlag, München 2019
Stilsicher
Über 6.000 Werke von Adolph von Menzel (1815 – 1905) beherbergt das Kupferstichkabinett in Berlin. Der kleinwüchsige Maler galt als „Auge des 19. Jahrhunderts“ und man kann dem Haus nicht dankbar genug sein, seine Werke nun neu zu entdecken. Anlass für die Ausstellung waren ein Neuerwerb und drei Rückgewinnungen, die zeigen, dass Menzel mehr war als ein Zeichenkünstler mit dem Bleistift und Schöpfer großer Leinwandbilder. Als „Maler auf Papier“ präsentiert das Haus eine bisher weniger bekannte Seite des Künstlers. Eindrucksvoll sind seine Aquarelle, Gouachen und diverse Mischtechniken, mit denen er Zeitgenössisches wie Historisches auf die Leinwand bannte. Erstaunlich, mit welcher Kunstfertigkeit er die weiße Blattfläche modellierte, die durch seine Kunst ungeahnte Tiefe erhält. Es ist eine außergewöhnliche Schau, die es lohnt, im Rahmen einer Kuratorenführung anzuschauen. Aber auch ohne Worte ist sie mit das Beste, was dieser Kunstherbst zu bieten hat.
Menzel. Maler auf Papier
Ausstellung bis zum 19. Januar 2020
Kupferstichkabinett
Matthäikirchplatz
10785 Berlin
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag: 10 bis 18 Uhr
Samstag und Sonntag: 11 bis 18 Uhr
Montag: geschlossen
16 Euro/8 Euro
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Titelbild: pexels.com