Subscribe & Follow:

Die Tage werden wieder kürzer. Da ist es gut, wenn man es sich drinnen gemütlich machen kann. Aber womit? Wir empfehlen Musik von Duo Leonore, Literatur von Norman Ohler und der Film noir „Nile Hilton Affäre“.

Brahms für Cello und Klavier

Unbändige Spielfreude, Leidenschaft und zwei grandioses Werke von Johannes Brahms für Klavier und Violoncello: Wenn Maja Weber und Per Lundberg aufspielen, ist es im Saal mucksmäuschenstill, nicht einmal das sonst so obligatorische Räuspern und Husten zwischen den Sätzen ist zu hören, bevor dann mit dem letzten verklingenden Ton der Applaus losbricht und „Bravo“-Rufe zu hören sind. Duo Leonore nennen sich die beiden seit 2014, zusammen spielen sie allerdings schon seit 20 Jahren in verschiedenen Formationen. Kammermusik scheint den zwei Musikern durch die Adern zu fließen: Um Maja Weber war es geschehen, als ihre Eltern ihr im Alter von drei Jahren ein Violoncello in die Hand drückten, Per Lundberg zog es ans Klavier, nachdem er als Zehnjähriger Tschaikowskys Erstes Klavierkonzert in b-Moll gehört hatte. Nun liegt ihr drittes Album vor, Brahms. The 2 Sonates for Piano and Cello. Maria Webers Stradivari-Cello „Suggia“ aus dem Jahr 1717 jubelt, Per Lundberg ist mal selbstbewusstes Gegenspiel, mal harmonische Ergänzung in der Sonata No. 1 e Minor Op. 38 und der Sonata No. 2 in F Major Op. 99. Zwei Stücke, die Brahms im Abstand von 25 Jahren schrieb – im Alter von 29 während der „hochromantischen“ und mit 53 in der „spätromantischen“ Schaffensphase. Duo Lenore erwecken sie meisterhaft zum Leben, auch ohne Live-Hörerlebnis ein musikalischer Ohrenschmaus.

Duo Leonore
The 2 Sonatas for Piano & Cello
von Solo Musica (Sony Music), 2017

Der Alte Fritz und der Oderbruch

Ruhiger, aber nicht minder gewaltig, entwirft Norman Ohler in seinem historischen Roman „Die Gleichung des Lebens“ ein Porträt des ländlichen Preußens im Jahr 1747. Friedrich II. will den Oderbruch, dieses sumpfige, von endlos vielen Wasserläufen durchzogene Land, trockenlegen, die gerade entdeckte „Erdtoffel“ anpflanzen und Fremde dort ansiedeln. Dass ein solches Vorhaben nicht ohne Misstrauen und Abwehr der einheimischen Brücher durchzuführen ist, merkt die preußische Obrigkeit spätestens, als der französische Ingenieur Mahistre tot aufgefunden wird. Der Mathematiker Leonard Euler wird aus Berlin in die Region geschickt – nicht nur, um die Vermessung des Oderbruchs durchzuführen, sondern auch, um den ungeklärten Todesfall aufzuklären.

Wie die Oderflut im Sommer 1747 rollen die Ereignisse gewaltigen Ausmaßes heran, übersteigen das Verständnis des analytischen Mathematikers Euler. Norman Ohler verbindet meisterhaft Fakten mit Fiktion ohne je zu übertreiben, hat die Grenzen des Übergangs feinsinnig ausgelotet und damit ein authentisches Bild der Zeit gezeichnet. Sorgfältige Recherche spricht aus den Zeilen, angefangen von der Kleidung, den Lebensumständen und Essgewohnheiten der Brücher bis hin zu den schriftlich verbrieften Fakten und Planungsunterlagen aus den Archiven des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz. Detailreich in den Beschreibungen und in den Dialogen authentisch Aufklärer und Bewahrer gegenüberstellend, entwickeln seine Hauptfiguren eine charakterliche Individualität, die tief in der Zeit und ihren Umständen wurzelt. „Die Gleichung des Lebens“ ist ein großartiger historischer Roman, bei dem das Wort „historisch“ seiner Bedeutung mehr als gerecht wird.

Norman Ohler
Die Gleichung des Lebens
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2017
Gebunden, 416 Seiten, 22 Euro

Düsteres Gegenwartsszenario aus Ägypten

Gewalt und Korruption beherrschen den Film „Nile Hilton Affäre“. Basierend auf einen wahren Fall, siedelt Regisseur Tarik Saleh sein Krimidrama vor dem Hintergrund des Arabischen Frühlings an. Während auf Kairoer Straßen das Volk demonstriert, wird im Nile Hilton Hotel eine tote Sängerin gefunden. Das Problem: Keiner hat ein wirkliches Interesse daran, den Fall zu lösen, denn alle sind korrupt, vorneweg die Polizei, die gern mit Tatverdächtigen zusammenarbeitet und die Hand aufhält, vor allem, wenn höhere ägyptische Kreise ihre Finger im Spiel haben. Der ebenfalls korrupte Polizeimajor Noredin darf nicht weiterermitteln. Bis neue Informationen seine Neugier erneut wecken. Düster, spannend und zutiefst desillusionierend entwickelt der Film eine starke Sogwirkung. Dass die kettenrauchende Hauptfigur ein bisschen sympathischer ist als seine gewalttätigen Kollegen ist nur ein kleiner Trost in diesem grandiosen Film noir.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.

Schließen