Schweizer, Politikwissenschaftler, Kabarettist – das ist Michael Elsener. Sich mit Gesellschaft und Politik zu beschäftigen gehört da naturgemäß dazu. Mit seinem Programm „Mediengeil“ ist er seit Ende 2016 in Deutschland unterwegs, vom 30.11. bis 02.12.2017 kann man ihn damit jeweils im Berliner Comedy-Club Kookaburra sehen. In unserem Interview ging es natürlich auch um Medienthemen: Twitters 280 Zeichen, die Schweizer Volksabstimmung über die Abschaffung der Rundfunkgebühren und die Forderung nach gesellschaftlichen Debatten.
Herr Elsener, Twitter hat mittlerweile 280 statt 140 Zeichen. Mehr Raum also für Politiker, ihre Botschaften in die Welt zu schicken. Haben Sie dadurch auch schon mehr Material für Ihre Shows generieren können?
Twitter-Botschaften von Politikern interessieren mich fürs Kabarett nicht wirklich. Viel spannender ist, zu beobachten, wie sich Politiker in der realen Welt verhalten. Ich schaue, wie gehen sie bei einem für die Medien inszenierten Besuch mit Sozialhilfe-Empfängern um oder wie versuchen sie sich vor dem Parlament bei Versäumnissen aus der Affäre zu reden.
Sie sind Schweizer, treten aber auch in Deutschland auf. Wie steht es Ihres Erachtens um das Verständnis der beiden Länder für die jeweils andere politische Situation: Würde das deutsche Publikum überhaupt die Anspielungen auf Schweizer Themen verstehen und umgekehrt?
Ich glaube, die meisten Deutschen lesen die alltäglichen politischen News aus der Schweiz etwa so genau, wie ich die Nutzungsbedingungen lese, wenn ich ein neues Programm auf meinem Computer installiere. Aber das kann ich nachvollziehen. Wenn sich bei uns was ändert, ist das für euch egal. Umgekehrt nicht. – Doch bis jetzt gibt mir das deutsche Publikum das Gefühl, dass sie sich sehr wohl für Schweizer Eigenarten interessieren, wenn ich ihnen bsp. auf der Bühne oder im Fernsehen erzähle, wie die FIFA wirklich organisiert ist oder wie das mit der Sterbehilfe genau funktioniert.
Die Schweiz diskutiert derzeit intensiv über die öffentlich-rechtlichen Medien, 2018 findet eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Rundfunkgebühren statt. Muss man sich dazu auch als Kabarettist positionieren?
Ich stelle immer wieder Videos auf Facebook, in denen ich auf möglichst unterhaltsame Art versuche zu erklären, was in der Schweiz und auf der Welt abgeht. – Und diese Initiative hat wohl definitiv eine sehr ähnliche Sprengkraft wie die „Masseneinwanderungs-Initiative“ aus dem Jahr 2014 oder Brexit. Es gibt viele Schweizer, die sie annehmen wollen und sich nicht bewusst sind, dass die Schweiz bei einem Ja ein weiteres Eigentor schiesst. Aber in Fussball waren wir halt noch nie wirklich versiert.
Oft wird bei solchen großen Themen gefordert, dass eine „gesellschaftliche Debatte“ stattfinden soll. Kann in dem mittlerweile doch sehr individuellen Medienmix, den jeder hat, eine solche Debatte überhaupt noch stattfinden?
Ich finde ja. Wir leben zwar in unseren Medien-Bubbles, aber schlussendlich unterstützen diese Bubbles ja bloss die Art, wie wir von Natur aus eh schon denken. Wir haben auch schon vor den Bubbles vor allem die Meinungen akzeptiert, welche uns entsprochen haben. Die ultimativen Gegner kann man nicht umstimmen, bloss die noch Unentschiedenen bestärken, ihrem gesunden Menschenverstand zu vertrauen. Aber das reicht eigentlich schon für eine progressive Politik. Weil die meisten Menschen zählen sich bei Umfragen zur Gruppe der „noch nicht Entschiedenen“. Diese Menschen erreicht man.
Welche Aufgaben bei solchen gesellschaftlichen Debatten sehen Sie bei Kabarettisten, Satirikern und Co.?
In erster Linie sehe ich meine Aufgabe als Kabarettist und Satiriker darin, die Menschen zu unterhalten. Wenn die Leute nicht lachen müssen, habe ich meinen Job nicht gut gemacht. – Ich glaube fest daran, dass man durch Lachen bestehende Denkmuster aufbrechen kann und scheinheiliges Getue in der Politik entlarven kann. Dank einer Pointe können wir bsp. über eine Person lachen, die mehr Macht hat als wir. Das entspannt. Und eine echte Debatte kann nur in entspannter Situation stattfinden.
Titelbild: Philippe Hubler