Relevanz ist mehr als Aktualität
Dass Routinen unser Leben bestimmen, ist keine Neuigkeit, was die Relevanz dieser Einsicht nicht schmälern möge. Andersherum ist nicht jede Neuigkeit unbedingt relevant – nicht für Sie, für mich, für uns. Was im Einzelnen relevant ist, möge jeder für sich entscheiden. Oder ist gerade dieses Statement angesichts der zurückliegenden Bundestagswahl irrelevant, ist doch deren Ausgang für uns alle relevant. Sie merken schon: ich kämpfe ein Kämpfchen mit derjenigen Relevanz, die ihre Dominanz primär ihrer Aktualität verdankt. Das ist zum Teil meiner Berufsblindheit geschuldet, denn als Buchverleger denke ich in den Routinen von Frühjahrs- und Herbstprogrammen. Und diese planen wir meist längerfristig.
Wer entscheidet was relevant ist?
Dadurch gewinnen wir dank der Titel unserer Autorinnen und Autoren eine andere Perspektive auf die Frage, was relevant ist und was nicht. Aus Sicht der aktuellen Relevanz können wir also ziemlich daneben liegen, während Themen und Problemlagen von vermeintlich nicht-aktueller Relevanz in unseren Büchern zu Wort kommen. Ist es nicht dennoch angesichts der Bundestagswahl komplett irrelevant, dass wir einen Beitrag zwei Tage nach der Wahl publizieren, der sich weder mit den Umständen noch mit dem Ausgang der Wahl beschäftigt?
Ich hoffe nicht. Denn die Themen unserer Bücher, allen voran Themen wie Künstliche Intelligenz und das Zusammenspiel von Mensch und Maschine, waren von hoher Relevanz für diese Wahlen, auch wenn dieses und andere unserer Themen nicht immer im Wahlkampfgetöse erschöpfend aufgegriffen werde konnten. Für uns als Verlag entsteht gerade durch diese vermeintlich nicht-aktuelle Relevanz eine publizistische Relevanz. Als Verleger erlebe ich Themenkonjunktur am eigenen Leib. Ich erlebe Hype-Themen, die scheinbar so relevant sind, dass wir pro Woche mehrere Exposés zum Thema zugeschickt bekommen. Und ich erlebe immer Themen, die eigentlich absolut drängend sein müssten, publizistisch aber vollkommen unterrepräsentiert sind. Was ich damit sagen will: Relevanz ist weder ein quantitatives Phänomen, noch ergibt sie sich zwingend aus Aktualitäten.
Themen die bleiben
Oft sind es die unterrepräsentierten Themen, die zwischen Schwarz und Weiß das Grau suchen, die für unsere Gegenwart wirklich relevant sind – und vor allem für unsere Zukunft. Ein Grund mehr für uns als Verlag, an unseren Routinen festzuhalten, um lesend Orientierung zu bieten.
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