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In ihrem Buch »Peak Performer. Von Spitzenleistern lernen, das echte Leben zu meistern« stellen Magdalena Neuner, Christopher Spall und Christan Grams auch die Generationsfrage: »Wie stehen die Geburtenjahrgänge 1995 bis 2010 zu dem Spruch ‚Ohne Fleiß kein Preis‘?«
Ich bin 2003 geboren, gehöre also zu denjenigen, an die sich diese Frage richtet.

Fünf Jahre habe ich in einer Jazz-Modern-Contemporary-Formation im Leistungsbereich getanzt und auch in der Schule war ich immer sehr leistungsorientiert. Ich mag es mich anzustrengen und mein Bestes zu geben, um ein Ergebnis zu erzielen, mit dem ich zufrieden bin. Ich persönlich habe nicht das Gefühl, dass meine Generation, wie teils behauptet wird, faul ist. In meinem Umfeld gibt es viele motivierte, engagierte und fleißige Menschen, die alles andere als faul sind.

In der Schule

Ich bin davon überzeugt, dass man für Anstrengungen belohnt wird, egal, ob es unmittelbar nach der Anstrengung passiert oder zu einem späteren Zeitpunkt. Doch besonders in der Schule habe ich den Eindruck bekommen, dass Anstrengung nicht automatisch belohnt wird.

Und: Dass die persönliche Weiterentwicklung kaum in die Bewertungen einfließt. »Ohne Fleiß kein Preis« lässt sich nicht auf das Schulsystem als solches anwenden. Zu oft gibt es den Fall »Trotz Fleiß kein Preis«. Da fällt es schwer, mit der eigenen Höchstleistung zufrieden zu sein, wenn andere so viel mehr Anerkennung für vergleichsweise wenig Arbeit bekommen. Eine Drei ist schlechter als eine Eins. Wer für welche Note wie viel tun musste, ist nebensächlich.

Ich habe eine Waldorfschule besucht. Dort wird auf Benotung bis zur zehnten Klasse verzichtet. Bei mir persönlich hatte das zur Folge, dass ich auch ohne Noten gelernt habe, dass es Spaß bringt gut zu sein und dass es großartig ist, sich anzustrengen-unabhängig von einer Bewertung.

Statt im Sportunterricht nur das Ergebnis zu benoten und jeder erreichten Leistung eine Note zuzuordnen, bewerten die Lehrer die Entwicklung und Motivation der Schüler:innen. Ich denke, das ist genau die Richtung, in die sich der Leistungsgedanke in der Schule weiterentwickeln muss. Mehr Fokus auf die Haltung und das Engagement statt auf das Ergebnis.

Die eigene Leistung einschätzen

In der Schule und im Leistungssport habe ich festgestellt, dass es unglaublich wichtig ist, dass man lernt seine Leistungen selbst einzuschätzen und sich ein Stück weit von Bewertungen zu lösen. In einer Saison sind wir zweimal Dritter geworden. Einmal waren wir unzufrieden, einmal zufrieden, obwohl es der gleiche Platz war.

Das lag daran, dass wir bei dem einen Turnier nicht zufrieden mit unserer Leistung waren, viele Fehler gemacht haben und wussten, dass wir es besser hätten machen können. Bei dem anderen Mal konnten wir zufrieden sagen, dass wir unser Bestes gegeben hatten. Die Wertungsrichter haben uns zwar beide Male auf Platz drei gesehen, doch für uns lagen Welten zwischen den beiden dritten Plätzen.

Und auch in der Schule ist es sehr wichtig, selbst seine eigene Leistung zu bewerten und sowohl schlechte als auch gute Bewertungen der Lehrer:innen zu hinterfragen. Denn auch Lehrer:innen haben gute und schlechte Tage und verschiedene Geschmäcker, da wäre es fatal zu denken, dass die gegebene Note unumstößlich und die absolute Wahrheit ist. Ein und dieselbe Deutschklausur kann mit einer Eins, Zwei oder Drei bewertet werden. Deshalb ist es so wichtig zu lernen, selbst ein Gefühl für die eigene Leistung zu entwickeln. Man muss lernen, seine eigenen Preise zu definieren, unabhängig von Platzierungen und Noten.

Gegenseitiger Respekt

Auf der Deutschen Meisterschaft bin ich mit meinem Solo nicht auf dem Treppchen gelandet, sondern auf Platz fünfzehn. Und trotzdem war ich glücklich und zufrieden mit mir selbst. Mein Ziel war es, es zur Deutschen Meisterschaft zu schaffen und mein Bestes zu geben. Ich habe mich gefreut, dass ich tanzen darf, dass ich es so weit geschafft habe und, dass ich nicht aufgegeben habe, obwohl der Weg dahin schwer war. Andere Tänzer:innen wiederum haben den Anspruch, den ersten Platz zu machen und das ist vollkommen in Ordnung. Man sollte die Ziele anderer nicht bewerten oder versuchen sie zu verändern.

Mit einer Zwei in der Schule war ich unzufrieden. Mein Anspruch war eine Eins, doch nicht jeder muss so denken. Es ist genauso in Ordnung, wenn man andere Ansprüche an sich selbst hat. Wichtig ist nur, dass man die Ansprüche anderer respektiert. Man darf nicht davon ausgehen, dass die Letztplatzierten unglücklich sind oder, dass eine Vier in Mathe eine Enttäuschung ist. Man sollte sich von dem Gedanken verabschieden, dass man nur auf scheinbare Höchstleistungen stolz sein kann und dass nur diesen Anerkennung zusteht.

Glücklich sein ist das Wichtigste

Wenn ich abends besonders müde war oder noch besonders viel für die Schule machen musste, dann habe ich manchmal gejammert und zu meiner Mama gesagt, dass ich nicht zum Training gehen will. Meistens hat sie dann geantwortet: »Mach heute doch eine Pause und sag das Training ab«. Doch eigentlich wusste sie, dass es keine Option für mich ist. Zum einen, weil ich mein Team im Stich lassen würde und zum anderen, weil ich dann nur noch mehr gejammert hätte.

Ich wusste, dass ich mich schlechter fühlen würde, wenn ich das Training aussetze, als wenn ich mich aufraffe und hingehe. Ich musste manchmal das ganze Wochenende für die Schule lernen, im Auto auf den Rückwegen von den Wettkämpfen für Arbeiten lernen, viele Stunden in der Halle verbringen und Prioritäten setzen, um meinen eigenen Anforderungen in der Schule und beim Sport gerecht zu werden. Doch für mich hat es sich immer richtig angefühlt und nicht wie eine Pflicht, sondern eher wie eine Möglichkeit und ein Privileg. Und darauf kommt es schlussendlich an: Nur, wenn die positiven Gefühle trotz allem überwiegen, lohnt sich die Anstrengung. Am wichtigsten ist, dass man glücklich ist. Jeder Preis der Welt verliert an Bedeutung, wenn er keinen Wert für einen hat.

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