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Von Gelbwesten-Protesten in Frankreich bis zu politischen Unruhen in den USA – in Demokratien weltweit rumort es. Deutschlands Zusammenhalt hingegen ist immer noch gefestigt, trotz oder gerade wegen der vielen Veränderungen seit der Wiedervereinigung – davon zeigen sich auch Christoph Bertram und Thomas Mirow überzeugt. Bertram, Jurist und Politologe, sowie Mirow, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Nationalstiftung, sind Herausgeber des multiperspektivischen Buchs „Trotzdem. Was uns zusammenhält“, in dem Experten unterschiedlichster Professionen über Deutschland gestern, heute und morgen blicken.

Im Interview erklären die „Trotzdem“-Herausgeber, wie sich Deutschland seit der Wiedervereinigung verändert hat und wie sich die Corona-Pandemie auf die Gesellschaft auswirkt.

Dieses Jahr feiern wir das 30-jährige Bestehen der Deutschen Einheit. Warum verstehen sich noch heute so viele Menschen als Ost- oder Westdeutsche?

Mirow: 45 Jahre Spaltung haben tiefe Spuren hinterlassen. Die konkreten Lebensumstände und die kulturellen Erfahrungen hätten kaum unterschiedlicher sein können. Da braucht es mehr als eine Generation, damit ganz zusammenwächst, was zusammengehört.

Wie hat sich Deutschland seit der Wiedervereinigung geändert?

Betram: Dramatisch. Berlin ist die Hauptstadt der ganzen Republik, deren Probleme sind die aller Regionen, ob in Ost oder West. Das politische und wirtschaftliche Gewicht Deutschlands in der Welt ist kräftig gewachsen, wie auch die Erwartungen an sein internationales Engagement. Allerdings ist die Berliner Republik im Vergleich zur Bonner auch selbstzufriedener und auf sich selbst bezogen.

Mirow: Nine-Eleven und der Krieg gegen den Terror, Finanz- und Euro-Krise, Migration, Klimawandel, Pandemie, digitale Revolution, Chinas Weltmachtambitionen:  Wir erleben in diesen Jahrzehnten einen Epochenbruch – wie hätte das an Deutschland vorbeigehen können? Allerdings sind wir im Umgang damit bislang doch ziemlich erfolgreich, in Ost wie in West.

Wir lesen in Ihrem Buch nicht nur vom (Wieder-)Vereinenden, sondern auch vom Trennenden – wie gelingt es uns, diese Spaltungen zu überbrücken?

Bertram: Am besten durch nüchterne, öffentliche Auseinandersetzung. Spaltungen vertiefen sich, wenn sie nicht ans Licht demokratischer Debatte gebracht werden. Sie verflachen, wenn Bürger durch ihr persönliches Beispiel den Regeln des gesellschaftlichen Anstands zur Geltung verhelfen.

Mirow: Wir haben einen klug organisierten, föderalen Staat, eine vitale Zivilgesellschaft, eine beeindruckende Kultur-Landschaft, eine starke Wirtschaft: wenn wir die Probleme nicht unter den Teppich kehren, sondern nüchtern adressieren, dabei Verschwörungstheorien, Antisemitismus, Nationalismus und Rassismus energisch ächten, können wir viele Gräben überwinden.

„Trotzdem“ präsentiert auch eine historische Perspektive auf den deutschen Zusammenhalt. Welche Rolle spielt die Teilung in der deutschen Geschichte?

Betram: Deutschlands geschichtliche Erfahrung ist die des Auseinanderdriftens und Zusammenkommens. Dabei hat sich durch die Jahrhunderte das Zusammenkommen als die stärkere Kraft erwiesen, unterstützt durch den Respekt für regionale Eigenart und Vielfalt, der auch heute die föderale Struktur der Bundesrepublik prägt.

Die Corona-Krise hat zweifellos das Jahr 2020 definiert. Hat Sie uns weiter gespalten – oder uns an Gemeinsamkeiten erinnert?

Mirow: Corona hat vieles ausgelöst: verstärkte Zuwendung und Solidarität, ein gründlicheres Nachdenken über unsere gesellschaftliche und ökonomische Zukunft. Aber auch Vereinsamung, Entsolidarisierung, Rücksichtslosigkeit und die Vertiefung sozialer Gräben. Diese Gefahren zu erkennen und ihnen mit gezieltem Handeln von Staat und Gesellschaft zu begegnen, wird entscheidend sein für die Zukunft unseres Landes.

Bertram: Die allermeisten Menschen in Deutschland nehmen die Krise ernst und unterstützen die Abwehrstrategien der Regierungen in Bund und Ländern. Dieser breite Konsens wird immer wieder durch überzeugende und von der Politik überzeugend erläuterte Maßnahmen gefestigt werden müssen. Wenn das gelingt, ist es mir um unseren Zusammenhalt in der Krise nicht bange.

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