Wenn ein Buch „Gott. Eine Geschichte der Menschen“ (Gütersloher Verlagshaus) heißt, lässt sich dahinter zweierlei vermuten: Eine gezielte atheistische Gegenrede, die Gott anzweifelt und Argumente für seine Nicht-Existenz sammelt – also die Richtung von Richard Dawkins‘ „Der Gotteswahn“ einschlägt. Oder aber es zeichnet die Entwicklung der Gottesbilder vom Anbeginn der Menschheit bis heute nach – und genau diesen Weg wählt der Religionswissenschaftler Reza Aslan.
Dabei macht er durchaus klar, dass es sich in seinen Darstellungen um eine – gut lesbare – Übersicht der religionswissenschaftlichen Debatten handelt, die nicht mit dem Ziel zusammengestellt sind, zu konvertieren oder eines der Götterbilder als besonders „richtig“ herauszustellen; vielmehr soll es Prozesse und Etappen des Glaubens illustrieren, die immer auch uns Menschen miteinbeziehen. Aslan selbst schreibt: „Dieses Buch soll deutlich machen, dass wir – ob wir nun an einen Gott, an viele Götter oder an überhaupt keinen Gott glauben – Gott nach unserem Ebenbild geschaffen haben und nicht umgekehrt“.
Die Wechselbeziehung von Menschen und Gott
Dazu gehört es auch, die Wechselwirkungen von Menschheit und Glauben herauszuarbeiten: Dass die Menschen sesshaft wurden und Landwirtschaft betrieben, beschreibt er als Folge „unseres Dranges, das Göttliche zu vermenschlichen“. Und auch die – deutlich spätere – Erfindung der Druckerpresse sowie die zunehmenden künstlerischen Fähigkeiten der Menschen sieht er als Bausteine auf dem Weg zu Göttern mit menschlichen Eigenschaften, „bis sie im antiken Griechenland schließlich so menschlich erschienen, dass man sie als Götter kaum noch ernst nehmen konnte“. Dass die Entwicklung des Glaubens an einen Gott schließlich durch den Pharao Echnaton, „der erste Monotheist der Menschheitsgeschichte“, eingeläutet wurde, ist mehr als ein Treppenwitz der Religionsgeschichte, sondern ein weiterer Schritt auf dem Weg zu den Götterbildern, die heute vorherrschen.
Diese Erkenntnis gehört zu denen, die nach der Lektüre von „Gott. Eine Geschichte der Menschen“ bleiben: Dass Glaube und Religion ein ständiger Prozess der (Weiter-)Entwicklung sind und letztlich von unseren menschlichen Vorstellungen beeinflusst werden. Und dazu gehört dann auch wiederum der von Aslan praktizierte Pantheismus. Soll heißen: Es wird nicht zwischen Gott und Universum unterschieden, stattdessen gilt, so Aslan, „dass ‚Gott alles ist‘ und ‚alles Gott ist‘“. Damit wiederum wird die vermenschlichte Vorstellung eines (christlichen) Gottes als menschenähnliche Gestalt mit langem Bart und weißem Gewand hinfällig – und die Gottesvorstellung entpersonalisiert.
Unabhängig vom eigenen (Nicht-)Glauben bereichernd
Das detailreiche, fußnotengespickte Buch ist dabei keinesfalls nur für – woran auch immer – Glaubende erhellend, sondern auch für Zweifler oder Nicht-Gläubige, die sich für die Geschichte des Glaubens interessieren. Da die Komplexität der abgebildeten Diskurse zum Teil recht hoch ist, mag das Buch für den Laienleser und Nicht-Religionswissenschaftler nicht als Gute-Nacht-Lektüre taugen, eröffnet dadurch aber wiederum einen faszinierenden Blick auf das Wechselspiel zwischen Menschheit und dem, was sie jeweils für Gott hält.
Titelbild: pexels.com