Subscribe & Follow:

Die Fußallweltmeisterschaft ist in vollem Gange und so auch die Tippspiele in Büros, Familien und Freundeskreisen. Wer sich hier als Fußball- (oder zumindest Tipp-) Experte beweist, dem sind Ruhm und Ehre sicher, meist jedoch kein Geld. Benjamin Best kennt das auch anders: Der Buchautor und Wettexperte befasst sich mit Menschen, denen es nicht um Ruhm und Ehre und schon gar nicht um den Sport an sich geht, Antrieb ist hier ausschließlich Geld. Dass bei der Höhe der dort gewetteten Summen nicht alles dem Zufall überlassen wird, scheint kaum verwunderlich – Spiele werden manipuliert, Spieler und Schiedsrichter bestochen, so zumindest im alljährlichen Fußballbetrieb. Aber sind auch Fußballweltmeisterschaftsspiele von Manipulation betroffen?

In unserem Interview spricht Benjamin Best, Wettbetrugsexperte und Buchautor von „Der gekaufte Fußball“, über Wettbetrug bei Fußballweltmeisterschaften und wie neue Entwicklungen im Fußball Spielmanipulation beeinflussen.

Herr Best, in Ihrem Buch nennen Sie kein Beispiel für einen Wettbetrug bei einer Fußballweltmeisterschaft. Wird denn bei solch einem Turnier aufgrund der großen Öffentlichkeit weniger oder gar nicht betrogen?

Bis jetzt sind keine Fälle von Wettbetrug bei einer Fußballweltmeisterschaft bekannt geworden. Das hängt sicherlich damit zusammen, dass es natürlich für einen Profi immer noch die größte sportliche Herausforderung ist, sein Land bei diesem Turnier zu vertreten. Zumindest sollte es das sein. Der Anreiz durch Bestechungsgeld absichtlich schlechte Leistungen zu bringen, ist bei einer WM einfach viel zu niedrig. Das heißt aber nicht, dass Betrug in der Vergangenheit nicht versucht wurden ist. So berichteten vier schwedische Nationalspieler, allerdings erst Jahre später, dass ein asiatischer Wettpate sie bei der WM 1994 vor dem Spiel um Platz drei kontaktiert hat und bei einer Niederlage gegen Bulgarien viel Geld in Aussicht gestellt hätte. Schweden gewann das Spiel 4:0. In der Vergangenheit sind zumindest immer wieder WM-Qualifikationsspiele manipuliert worden oder es wurde versucht diese zu manipulieren – auch im Vorfeld der aktuellen WM in Russland.

In der Bundesliga wie auch bei der aktuellen Fußballweltmeisterschaft wird der Videobeweis verwendet. Wird Wettbetrug durch dieses neue Hilfsmittel der Schiedsrichter schwieriger?

Ich habe nicht den Eindruck, dass der Einsatz des Videobeweises das Spiel gerechter gemacht hat, vielleicht weniger anfällig für Fehlentscheidungen. Aber auch trotz eines Videoschiedsrichters gibt es weiterhin Diskussionen und teilweise bleibt eine Schiedsrichterentscheidung Auslegungssache. Es gibt jetzt zwar noch eine Kontrollinstanz, aber am Ende entscheidet der Schiedsrichter auf dem Platz. Der Videoschiedsrichter soll bei klaren Fehlentscheidungen eingreifen. Ein Schiedsrichter, der manipulieren möchte, wird immer Entscheidungen wählen, die gerade keine klaren Fehlentscheidungen sind. Das wäre ja viel zu auffällig. Von daher glaube ich nicht, dass es schwieriger geworden ist, wenn ein Schiedsrichter manipulieren möchte.

In Ihrem Buch „Der gekaufte Fußball“ beschreiben Sie fünf Maßnahmen, die den Wettbetrug verbeugen bzw. bekämpfen könnten: Ausbau von Bildungs- und Jugendprogrammen, Wettverbot für Amateur- und Nachwuchswettkämpfe, neue Gesetzte, die auch Spieler belangen, weltweit koordinierte Strafverfolgung von Wettbetrug, Vorbildfunktion der Verbände. Wie steht es um die Umsetzung der Maßnahmen?

Teilweise wurden die Maßnahmen umgesetzt, teilweise nicht. Es gibt z. B. die Pflicht in den Nachwuchsleistungszentren der Bundesligavereine, die Jugendlichen aufzuklären. Ein Funktionär hat mir jedoch gesagt, dass es sehr schwierig sei, glaubhaft zu bleiben, wenn der Verein gleichzeitig einen Wettanbieter als Sponsor hat. Auf der einen Seite wird den Jugendlichen gesagt, ihr dürft nicht Wetten und es wird auf die Gefahr von Wettbetrug hingewiesen. Auf der anderen Seite nehmen die Vereine aber gerne durch Sponsoring Geld von Wettanbietern. Fast alle Vereine der Bundesliga haben Wettanbieter als Partner.

Auch die Zusammenarbeit der internationalen Ermittlungsbehörden muss weiterhin verbessert werden. Wettbetrug ist internationale organisierte Kriminalität. Zu oft ist der Austausch leider immer noch mangelhaft, wie mir mehrere Ermittler in der Vergangenheit immer wieder bestätigt haben. Es ist nicht alles schlecht, aber es gibt immer noch viel Verbesserungsbedarf.

Ab der Fußballweltmeisterschaft 2026 sollen 48 statt bisher 32 Nationen an dem Turnier teilnehmen dürfen. Kleinere Fußballnationen dürfte das freuen. Aber steigt mit mehr Teams im Wettbewerb das Risiko einer Spielmanipulation an?

Aus meiner Sicht absolut. Der sportliche Wert einer WM wird durch diese Aufblähung ganz klar gesenkt. Und das Risiko einer Spielmanipulation nimmt somit dramatisch zu. Dies war vor allem eine politische Entscheidung der FIFA. Es war ein Wahlversprechen von FIFA-Präsident Gianni Infantino, somit sicherte er sich die Wahlstimmen kleinerer Verbände, die bisher nie die Chance gehabt hatten, an einer WM teilzunehmen. Ganz praktisch: Laut FIFA sollen sich so auch die Einnahmen für den Weltverband um 20 Prozent auf 6,5 Milliarden Dollar erhöhen. Das ist mal wieder ein Beispiel dafür, dass nicht zum Wohle des Sports entschieden wird.

Durch soziale Netzwerke sind es nicht mehr nur Journalisten, die sich bei Missständen und Absurditäten Gehör verschaffen können – so zumindest die Theorie. Sehen Sie in der Praxis, dass kritisches Feedback auch von den Fußball-Verantwortlichen wahrgenommen wird? 

Ich sehe das etwas anders. Durch die sozialen Netzwerke können Verbände, Funktionäre und Fußballprofis direkt ihre Botschaften verbreiten. Sie sind längst nicht mehr auf Journalisten und Medien angewiesen. Werbeagenturen und Berater können so im Hintergrund entsprechende Strategien entwickeln, um direkt mit der Zielgruppe in Kontakt treten zu können. Kritisches Feedback wird, wenn überhaupt, nur bei einem sogenannten „Shitstorm“ wahrgenommen – also bei Kritik in großer Anzahl. Und auch dann wird über die sozialen Netzwerke sofort gegengesteuert. Entsprechende soziale Bots können Meinungen darüber hinaus manipulieren. Von daher sehe ich die sozialen Netzwerke viel mehr als Hilfsmittel der Fußball-Verantwortlichen, Meinungen zu beeinflussen und nicht als kritisches Feedback-Werkzeug.

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Cookies erleichtern die Bereitstellung unserer Dienste. Mit der Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies verwenden.

Schließen