… Hermann Simon.
Mit seinem neuen Buch »SIMON SAGT! Was im Management wirklich zählt« blickt Dr. Hermann Simon auf fünf Jahrzehnte voller Erfahrungen, Einsichten und Begegnungen zurück. Im Gespräch erzählt er von seinen Wurzeln in der Eifel und seiner globalen Perspektive als Unternehmer und Vordenker. Er spricht über prägende Persönlichkeiten, den Wert von Bildung und Forschung sowie die Kunst, Visionen flexibel zu leben.
Ein Interview über Management als Abenteuer – und über den Mut, immer wieder neu zu denken.
„Management ist kein Dogma, sondern ein lebenslanges Abenteuer“
Herr Simon, in Ihrem Buch spiegeln sich zwei Welten wider – der Bauernjunge aus der Eifel und der Global Player. Wie haben diese beiden Pole Ihre Karriere und Ihr Denken geprägt?
Simon: Diese Gegensätze haben meine gesamte Entwicklung maßgeblich beeinflusst. In der Eifel habe ich Bescheidenheit, Disziplin und ein starkes Pflichtbewusstsein verinnerlicht. Für Mario Adorf, der auch von hier stammt, habe ich den Begriff „Eifelkeit“, als Gegenteil von Eitelkeit, geprägt. Die Eifelwerte sind bis heute mein innerer Kompass. Gleichzeitig hat mich mein beruflicher Weg in über 80 Länder geführt. Dort lernte ich, wie unterschiedlich Menschen denken, entscheiden und wirtschaften. Diese Spannung – zwischen ländlicher Bodenhaftung und globaler Perspektive – prägt meine Sichtweise. Sie erlaubt mir, Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft differenziert zu betrachten. In „Simon sagt!“ verschränken sich diese beiden Welten bewusst – sie machen das Buch authentisch.
Neben Ihren eigenen Gedanken und Managementwahrheiten der letzten 50 Jahre zitieren Sie in “SIMON SAGT!” immer wieder prägende Persönlichkeiten. Wer hat Sie am meisten inspiriert und warum?
Simon: Im Buch beschreibe ich Persönlichkeiten, die mir intellektuell und menschlich Vorbild waren. Mich faszinieren Menschen, die gegen den Strom denken – nicht aus Prinzip, sondern aus Überzeugung, die sich nicht dem Massengeschmack anpassen, sondern aus innerer Klarheit handeln. Auf der wissenschaftlichen Seite nenne ich den 2005 verstorbene Peter Drucker, mit dem ich über Jahrzehnte befreundet war. Er starb einen Tag vor unserem letzten vereinbarten Termin. Auch dem globalen „Marketing-Guru“ Kotler habe ich viel zu verdanken, zum Beispiel den ersten Funken zur Gründung von Simon-Kucher. Obwohl er gerade 94 geworden ist, haben wir einmal pro Woche Kontakt. Und immer noch sprudelt er vor neuen Ideen. „Simon sagt“ findet er super. In der Wirtschaft haben mich sehr viele Hidden Champions-Unternehmer, darunter viele Gründer, beeindruckt und beeinflusst. Für Simon-Kucher wandte ich exakt die Lehren dieser Leute an: Ambition, der Beste zu sein, Fokus, Globalisierung. Heute hat Simon-Kucher 2.200 Mitarbeiter in 48 Büros weltweit und ist in der Preisberatung Weltmarktführer. Die Führer der Hidden Champions haben mich unternehmerisch geprägt – oft mehr als theoretische Modelle oder kurzfristige Trends.
Sie schreiben, dass Visionen und Prognosen die Weichen für die Zukunft stellen, aber auch, dass viele Prognosen “völlig daneben” liegen. Wie gehen Sie persönlich mit dieser Diskrepanz um?
Simon: Visionen sind notwendig, um Orientierung zu geben. Aber Prognosen sollten nie als absolute Wahrheiten verstanden werden – sie sind Annäherungen, keine Gewissheiten. Ich plädiere dafür, sie als Impulse zu nutzen, nicht als starre Vorhersagen. In „Simon sagt!“ betone ich, dass Fehler bei Zukunftsprognosen unvermeidlich sind – was zählt, ist der Umgang damit. Flexible Denkmuster, Szenarien, und die Bereitschaft zur Korrektur sind essenziell. Ohne Vision steuert man im Nebel, starres Festhalten an ihr kann aber in die Irre führen. Wer Visionen mit Offenheit und Anpassungsfähigkeit verbindet, handelt langfristig klüger und erfolgreicher.
Ein weiteres Herzensthema: Die Bedeutung von Bildung und Forschung. Wie können wir sicherstellen, dass unser Bildungssystem den Herausforderungen der Zukunft gewachsen ist?
Simon: Weil mir dieses Thema so wichtig ist, widme ich ihm im Buch sogar zwei Kapitel. Es gibt keine einfache Antwort. Bei uns klafft in der Bildung eine Riesenlücke zwischen Schule/Hochschule einerseits und Realität andererseits. Die Menschen haben keine Ahnung von der Wirtschaft, weil diese in der Schule faktisch nicht vorkommt. Sie glauben, die Nettoumsatzrendite deutscher Unternehmen sei 22 Prozent, in Wirklichkeit liegt sie unter fünf Prozent. Ich war gerade in China. Dort gab es nur ein Thema: „Innovation“. Und die Chinesen, mit denen ich sprach, betonten alle, dass ihre Innovationskraft in der schnellen Umsetzung von wissenschaftlicher Forschung in marktfähige Produkte liege. Bei uns ist das eine Riesenschwäche, das gilt selbst für die technischen Hochschulen. Und wir haben eine gigantische Unternehmerlücke. Warum machen sich bei uns nicht mehr junge Menschen selbstständig? Dazu müssen wir Bildung neu denken – als Persönlichkeitsbildung, nicht nur als Wissensvermittlung. Unsere Forschung wiederum darf sich nicht in theoretischen Grundlagen verlieren, sondern muss näher an die Marktumsetzung heran.
“SIMON SAGT!” ist die Quintessenz von Beobachtungen, Anekdoten und Erkenntnissen über 50 Jahre. Was war Ihre Hauptmotivation, dieses Buch zu schreiben?
Simon: Ich wollte kein klassisches Managementbuch schreiben – sondern ein Buch, das zum Denken anregt. Es geht mir darum, Erfahrungen und Beobachtungen aus über fünf Jahrzehnten einzuordnen und weiterzugeben. Dazu habe ich die besten 20 Prozent meiner umfangreichen Notizen ausgewählt. „Simon sagt!“ ist ein sehr persönliches Buch, kein Lehrbuch. Es ist ein Denkraum – voller Perspektiven, Geschichten und pointierter Erkenntnisse. Ich lade die Leser ein, Bekanntes zu hinterfragen, Widersprüche auszuhalten und neue Blickwinkel zu entdecken. Das Leben – und das Management – ist zu komplex für einfache Wahrheiten.
Für wen haben Sie “SIMON SAGT!” geschrieben, und was können die Leser aus diesem Buch mitnehmen?
Simon: Ich habe das Buch für Menschen geschrieben, die sich nicht einbilden, schon alles zu wissen und auf jede Frage eine Antwort haben. Ich denke an Menschen, die bereit sind, ihren eigenen Kompass zu schärfen – sei es in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik oder Gesellschaft. Gründer, Unternehmer, junge Talente, erfahrene Führungskräfte, aber auch neugierige Quereinsteiger können aus „Simon sagt!“ viel mitnehmen. Konkret erhält der Leser prägnante, konkret anwendbare Empfehlungen, augenöffnende Case Studies und Geistesblitze, die zum Nach- und Weiterdenken anregen. Wer offen ist für überraschende Einsichten, augenzwinkernde Anekdoten und manchmal unbequeme Wahrheiten, wird in diesem Buch reich belohnt. Es geht um Denkwege, nicht um Rezepte. Und darum, das Management wieder als das zu begreifen, was es ist: eine anspruchsvolle, zutiefst menschliche Aufgabe.