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Design Thinking ist in Deutschland mit zwei Namen verbunden: Hasso Plattner, der die Methode nach Deutschland holte, und Ulrich Weinberg. Er war es, der 2007 die HPI School of Design Thinking, kurz: HPI D-School, aufbaute und sie auch heute noch führt. Seitdem ist Design Thinking wohl zu einem der bekanntesten Ansätze geworden, um Innovationen hervorzubringen. Aber was genau steckt hinter dem Innovationsansatz und für welche Probleme eignet sie sich wirklich?

In unserem Interview erklärt Ulrich Weinberg, warum Design Thinking kein Allheilmittel ist, aber bereits einen Mehrwert für Bein-amputierte Menschen hatte.

Herr Weinberg, viele Witze beginnen mit der Verbindung von Gegensätzen, etwa: Treffen sich ein Rabbi, ein Priester und ein Iman. Könnte Design Thinking die in den Pointen aufgelösten Probleme von vornherein verhindern?

Ein Kernelement des Design Thinking, wie wir es am Hasso-Plattner-Institut, kurz HPI, praktizieren, ist in der Tat die Arbeit in multidisziplinären Teams. Wir setzen allerdings nicht auf die einzelnen Statements, sondern darauf, dass Studierende aus verschiedensten Fachbereichen wie z. B. Wirtschaftswissenschaft, Maschinenbau, Informatik und Kulturwissenschaft gemeinsam eine Lösung entwickeln. Das funktioniert natürlich auch in Unternehmen. Dort holen wir Abteilungen, Spezialisten und Experten aus ihrer Abschottung heraus. Wenn Menschen über Fachbereiche und Abteilungen hinweg zusammenarbeiten, entstehen durch die unterschiedlichen Perspektiven Ideen und Lösungen, auf die Einzelpersonen oder Fachabteilungen nicht gekommen wären. Die unterschiedlichen Sichtweisen sind also ein großer Vorteil, der Kollaboration fördert und die kreative Kraft von Teams erlebbar macht und nicht nur einzelne Personen mit ihrer spezifischen Expertise.

Das Grundprinzip von Design Thinking – heterogene Teams, die an einem Projekt arbeiten – gehört für viele Unternehmen mittlerweile zum Grundverständnis von Teamarbeit, gerade in der IT-Branche. Gibt es auch Branchen oder Projekte, in denen dieser Ansatz besser funktioniert als in anderen?

Die Anwendung und Integration von Design Thinking ist auf jeden Fall nicht nur auf die IT-Branche beschränkt. An der HPI D-School arbeiten wir mit Projektpartnern aus verschiedensten Bereichen zusammen, von Gesundheit über Mobilität bis hin zu Behörden oder sozialen Projekten. Ich würde also keine Branche von vornherein ausschließen. Es geht immer um die konkrete Fragestellung, mit der Organisationen sich beschäftigen wollen. Denn Design Thinking ist kein Allheilmittel, um alltägliche Probleme in Unternehmen zu lösen. Mancher etablierte, effiziente Prozess hat durchaus seinen Sinn.

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Wo setzt man Design Thinking dann am besten ein?

Der Design-Thinking-Ansatz eignet sich besonders bei komplexen Fragestellungen, für die man in Unternehmen gerne externe Berater konsultiert. Um einen Kulturwandel in Organisationen voranzutreiben, um Prozesse grundlegend neu zu denken und innovative Produkte und Services zu entwickeln, lassen sich mit Design Thinking neue, ungeahnte Potenziale freisetzen.

Besonders im Kontext der digitalen Transformation wird Design Thinking immer wichtiger und hat großes Potenzial, Unternehmen bei ihrem Kulturwandel zu unterstützen.“

Hasso Plattner hat die Methode 2007 nach Deutschland geholt. Lässt sich feststellen, welchen Einfluss die Methode seitdem auf die deutsche Wirtschaft hatte?

Design Thinking wird mittlerweile in zahlreichen deutschen Unternehmen und Organisationen praktiziert. Als wir 2007 das studentische Programm am HPI gestartet haben, hat sich schnell gezeigt, dass unsere Projektpartner den Innovationsansatz auch selbst in ihren Organisationen anwenden wollen. Daher haben wir die HPI Academy gegründet, die Design Thinking Trainings für Professionals anbietet. Mittlerweile nehmen jedes Jahr mehr als 3.000 Professionals an den Programmen teil. Besonders im Kontext der digitalen Transformation wird Design Thinking immer wichtiger und hat großes Potenzial, Unternehmen bei ihrem Kulturwandel zu unterstützen. Design Thinking ergänzt die technische Komponente der Digitalisierung, auf die man sich in Deutschland aus meiner Sicht zu stark fokussiert, um eine kulturelle Dimension – ich spreche daher gerne von „Design Thinking 4.0“.

Kaum ein Management-Ratgeber oder Business-Smalltalk kommt mehr aus, ohne den Begriff Design Thinking nicht wenigstens fallen zu lassen. Begrüßen Sie die starke Verbreitung der Methode und des Begriffs oder fürchten Sie, dass es zum Buzzword verkommt?

Natürlich freuen wir uns über die Verbreitung des Begriffs. Für mich ist Design Thinking der weiteste, der holistischste Ansatz für Unternehmen, um ihre Denk- und Arbeitsprozesse zu erneuern. Jedenfalls, wenn es so umfassend praktiziert wird, wie wir es am HPI verstehen. Der Begriff wird allerdings zum Buzzword, wenn man glaubt, dass man mit zweitägigen Methoden-Workshops Lösungen für alle Probleme in der Organisation entwickeln kann.

Was empfehlen Sie stattdessen?

Design Thinking sollte strategisch in die Organisation eingebunden werden. Zum Anfang vielleicht mit einem konkreten Projekt und einem abteilungsübergreifenden Projekt-Team. Ich weise immer darauf hin, dass Design Thinking für uns nicht nur eine Methode oder ein Prozess ist. Es fokussiert sich auf drei Kernelemente: die kollaborative Arbeit in multidisziplinären Teams, das Arbeiten in iterativen Prozessen sowie in flexiblen und veränderbaren Arbeitsumgebungen. In unseren Programmen leben und lehren wir diese drei Elemente. Außerdem sind wir in ständigem Austausch mit unseren internationalen Partnern aus der Global Design Thinking Alliance, kurz GDTA, um gemeinsame Standards für die Qualität der Design Thinking-Lehre zu schaffen.

In dem von Ihnen herausgegebenen Buch „Design Thinking Live“ lassen Sie Praktiker aus der ganzen Welt zu Wort kommen, die von ihrer Arbeit mit der Methode erzählen. Haben Sie so etwas wie ein Lieblingsprojekt, das mittels Design Thinking zustande kam?

In den vergangenen zwölf Jahren haben wir eine große Bandbreite spannender Projekte begleitet. In der Regel sind es unsere Projektpartner selbst, die dann die Ideen und Prototypen aufgreifen und im Unternehmen weiterentwickeln. Besonders stolz sind wir auf ein Projekt aus dem Medizintechnik-Bereich, was 2014 an der HPI D-School gestartet ist und sich mittlerweile zu dem erfolgreichen und mehrfach ausgezeichneten Startup „Amparo“ entwickelt hat. Es geht um den Prozess der Prothesenanpassung für Bein-amputierte Menschen in sich entwickelnden Ländern. Viele amputierte Menschen haben dort keinen Zugang zu modernen Prothesen und der Verlust ihrer Mobilität führt sie oft in einen Kreislauf der Armut. Unser Studierendenteam entwickelte nach Recherche-Besuchen in Afrika einen innovativen und anpassbaren Prothesenschaft, der deutlich leichter und schneller genutzt werden kann als andere bestehende Alternativen. Prothesenschäfte müssen für jeden Patienten individuell angepasst werden, was die Produktion normalerweise sehr kompliziert und zeitaufwendig macht. Anders als beim traditionellen Anpassungsprozess wird Amparos Prothesenschaft direkt am Beinstumpf angeformt. Dafür nutzt das Team wiederverformbares Thermoplastik. Für die Anpassung werden keine schweren Maschinen oder andere besondere Werkzeuge benötigt. Sie kann an einem Termin in unter zwei Stunden erledigt werden. Außerdem kann Amparos thermoplastischer Schaft im Gegensatz zu anderen Modellen immer wieder verformt und neu am Beinstumpf angepasst werden. So spart diese Technologie amputierten Menschen viel Zeit und Geld.

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