Auf der Erde gibt es Regeln, etwa in der Physik: Steine liegen am Boden und liegen nicht. Vögel liegen und liegen nicht am Boden. Kaum kommt ein VULKANausbruch, ändert sich das radikal: Dann liegen plötzlich die Steine und die Vögel stürzen ab. Genauso ist das in der Wirtschaft: Disruption, Kooperationen und Übernahmen verwischen immer stärker die Grenzen von Branchen und/oder auch, was diese tun. Willkommen in der VULKANökonomie.
Teil 1 – Abweichen
Starten wir mit einem TEST: Welche Branche war Amazon (Google/Facebook) noch gleich? Was machen die noch mal? Oder wissen Sie beispielsweise was »Panasonic Automotive Systems« macht? Die Hi-Fi für das Auto, die Batterie für den E-Antrieb, den gesamten Elektroantrieb oder das ganze Auto? Es ist ungewiss. Und das gilt heute fast für alles!
Amazon ist heute Cloud-Anbieter und …. Facebook arbeitet am Gehirn-Internet-Interface und …. Google arbeitet an Autos, Solardächern und … Warum kann Ihr Unternehmen dann nicht XYZ machen?
Ist Ihr Job, Ihre Karriere, Ihr Unternehmen vor dem Angriff von außen sicher? Ungewiss! Der Markt – auch der Arbeitsmarkt – wird immer öfter von marktfremden Teilnehmern aufgemischt. Ihr alter Konkurrent ist wahrscheinlich ungefährlicher als die digitalen Mega-Companies oder ein junges Start-up. Ihr menschlicher Konkurrent ist ungefährlicher als ein Algorithmus.
Aber viele von uns denken: »Bleib auf dem Weg … weiche nicht vom Weg ab … geh nicht in den Wald … auf dem Weg ist es sicher.« ROTKÄPPCHEN-FALLE! Wer auf dem Weg bleibt, ist angreifbar. Der Wolf braucht nur zu warten. Freundlich zu tun … BAMM! sind Sie tot und Ihre Großmutter auch! Außer natürlich, Sie kennen den Jäger. Und wo geht der Jäger entlang? GENAU! Der bleibt NICHT auf dem Weg, der STREIFT überall herum. Besonders da, wo ihn der Wolf (und andere Tiere) nicht erwarten!
Werden Sie also weniger Rotkäppchen und mehr Jäger! Weichen Sie öfter vom Weg ab! Jagen Sie da, wo man Sie NICHT erwartet!
Teil 2 – Individualisieren
Die analoge Welt war die Welt der MASSE. Massenprodukte wurden in Massenmedien für den Massenkonsum beworben. Der Geschmack der Masse musste getroffen werden. Die digitale Welt ist das krasse Ende dieses Massendenkens.
Durch Sharing-Modelle kann ICH immer das haben, was ICH gerade will. Im BMW 5er zum Geschäftstermin, mit dem Cabrio an den See cruisen oder mit dem Mini schnell in die Innenstadt. 3-D-Druck bringt narzisstische Produkte: ICH will den neuen Marken-Sneaker, aber mit dem Bild von MEINER Katze drauf! Auch das Internet of Things bringt narzisstische Services. Fitness-Tracker, 50 Sorten Nespresso, konfigurierbares Müsli, Autos, Stromtarife … alles Ausdruck unseres Narzissmus!
- ICH bin das Wichtigste im Foto – nicht der Schiefe Turm von Pisa (Selie).
- ICH sage, wann und wo ich arbeite – nicht mein Chef.
- ICH lasse den Schuh nach MEINEM FUSS in 3-D drucken.
Der Narzissmus ändert das SELBST-Verständnis und das SELBST-Bild der Menschen. Durch Narzissmus ist Ihr Kunde schon lange nicht mehr nur ein Abnehmer. Auch König oder Königin trifft es nicht. Kunden sind heute vielfach EGOMAN: »ICH gehe zwar nie um 23.00 Uhr in den Supermarkt, aber der soll gefälligst TROTZDEM rund um die Uhr geöffnet sein. Könnte ja sein, dass ICH doch mal nachts LUST auf Linsensuppe oder Käse oder so bekomme.«
Der Narzissmus ist zu einem geschäftlich extrem relevanten Faktor geworden! Wenn Sie diesen perfekt bedienen, können Sie satte Aufpreise gegenüber dem Standardprodukt am Markt durchsetzen.
Teil 3 – Kooperieren
Die Radikalität der KOOPERATION radikal verschiedener Unternehmen, Sparten, Services oder Medien zu einem radikal neuen »Gesamtprodukt« war bisher undenkbar. Wenn mich mein digitales Flugticket am Handy berechtigt, mir bei Verspätung des Fluges einen kostenlosen Kaffee zu holen, ist das Ausdruck einer radikal neuen Kooperation von radikal unterschiedlichen Unternehmen und Services: Fluglinie, Café, Smartphone. Das kommt uns zwar einfach und logisch vor, wurde aber bisher so nicht gemacht. Bisher gab es zwar auch Kaffee, aber 240 Passagiere mussten sich einen Gutschein besorgen. Der Service bestand aus DREI EINZELNEN SILOS: Fluglinie, Gutschein, Café.
Fortschritt ist heute also nicht mehr nur Einzelleistung. Immer öfter funktioniert Fortschritt kooperativ. Fast alle Güter sind Gemeinschaftsleistung. Und dieser Trend steigt. Der Trick zum Erfolg: Stellen Sie nicht mehr Ihr einzelnes Produkt in den Mittelpunkt, sondern das GESAMTERLEBNIS des Kunden! Die Flugreise besteht NICHT mehr aus den Einzelservices: Anfahrt, Parken, Einchecken, Kaffee trinken, Flugzeug, Taxi, Hotel, sondern wird als EIN GESAMTERLEBNIS definiert. Die Grenzen können sich dabei massiv ausweiten: Fängt Ihre FLUGREISE wirklich erst am Gate an … oder schon beim Kofferpacken? Ob Fluggesellschaft, Kofferhersteller, Flughafen oder Reiseanbieter das GESAMTERLEBNIS auf seine Plattform holt, ist egal. Wichtig ist die KOOPERATION!
Das macht Wirtschaft extrem komplex. Wir sind es gewohnt, KONZENTRIERT zu arbeiten. Konzentration heißt: alle »Nebensachen« ausblenden. Jetzt müssen wir diese NEBENSACHEN aber einblenden. Je mehr NEBENSACHEN Sie INTEGRIEREN, desto umfassender, besser und attraktiver wird Ihr Angebot.
Das Zusammenbringen und Fusionieren sehr unterschiedlicher Disziplinen, Fähigkeiten und Kulturen zu einem neuen Ganzen ist die wichtigste Eigenschaft, die Sie als Topmanager heute und morgen beherrschen müssen.
(Dies ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Buch „Transformation. BAMM!“ von Dietmar Dahmen und Marcus Bond, erschienen 2017 im Murmann Verlag.)
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