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Für das Schreiben von Büchern braucht es nicht nur Zeit und eine gehörige Portion Sitzfleisch, sondern auch Kreativität. Denn egal ob Sachbuch oder Roman: Wie die Geschichte erzählt und angeordnet wird, wie Passagen ineinandergreifen, das erfordert Kreativität, eine menschliche Domäne. Bisher zumindest. Denn wenn Künstliche Intelligenz (kurz: KI) bereits im Journalismus im Einsatz ist – könnte sie dann nicht auch auf die Literatur überspringen, sodass eine Künstliche Kreativität entsteht, die Künstliche Intelligenz und Kreativität verbindet?

Zum Welttag des Buchs wollten wir das von Thomas Ramge, Sachbuch-Autor und Research Fellow am Weizenbaum Institut in Berlin, genauer wissen. Ramge entwirft in seinem neuen Buch „postdigital. Wie wir künstliche Intelligenz schlauer machen, ohne uns von ihr bevormunden zu lassen“ ein wissenschaftlich fundiertes, optimistisches Szenario für das Jahr 2030, in dem uns Künstliche Intelligenz in vielen Lebenslagen unterstützt.

Im Interview erklärt „postdigital“-Autor Thomas Ramge, wo die Grenzen von Künstlicher Intelligenz und Kreativität verlaufen und wieso sein Buch keine KI geschrieben hat.

Herr Ramge, Sie selbst schreiben viel. Das kann Künstliche Intelligenz auch, schreibt beispielsweise schon journalistische Sport-Meldungen. Wie sieht es mit Büchern aus?

Ich habe für „postdigital“ tatsächlich versucht, eine KI zu finden, die an einem Szenario über den Einsatz von KI mitschreibt. Ich wurde trotz intensiver Suche und prominenter Unterstützung u. a. von KI-Forschern bei Google nicht fündig. Klar, Textbots können sprachlich korrekte Meldungen über Fußballspiele oder Börsentrends schreiben. Doch was machen diese Programme? Sie gießen Daten und Fakten in kurze, schematische Texte. Was ist der Nutzen hiervon? In der Regel ist ein Schaubild mit den Daten und Fakten aussagekräftiger. Die Texte sind stinklangweilig.  

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Wie groß ist Ihre Sorge, dass es durch Künstliche Intelligenz Sie als Autor nicht mehr braucht?

Sie tendiert gegen null. Vielleicht wird es meine Autorengeneration noch erleben, dass eine KI eine schematische Romanfolgen mit gegebenen Figuren wie bei Jerry Cotton oder anderen Groschenromanen schreiben kann. Textbots werden gewiss auch in den Formulierungen sicherer und variabler werden. Sie können aber nur Inhalte reproduzieren oder Bekanntes zusammenfassen. Im datenfreien Raum sind KI-Systeme orientierungslos. Autoren, die den Anspruch haben, Neues zu erdenken und aufzuschreiben, haben vorerst nichts zu befürchten. Künstliche Intelligenz ist dümmer als behauptet. Und Künstliche Kreativität gibt es nicht, zumindest nicht im Bereich kreativer Texte.  

Wenn wir über die Urheberschaft von Künstlicher Intelligenz sprechen, kommen wir auch schnell zur Frage, wem Bilder oder Texte eigentlich gehören, die eine Künstliche Intelligenz erstellt hat. Hat unser Rechtssystem darauf schon eine Antwort?

Ich bin kein Jurist, aber ich beobachte, wie die Debatten um diese Fragen an Fahrt gewinnen. Bei Musik gibt es ja schon ganz ordentliche KI-Kompositionen. Ist der Algorithmus der Urheber und die Programmiererin die Verwerterin? Das Recht muss sich hier gewiss noch weiterentwickeln, wie das gesamte Urheberrecht ja noch nicht im digitalen Zeitalter voll angekommen ist. Aber wie oben angedeutet: Ich bin da entspannt, denn originelle Texte werden Maschinen auf absehbare nicht schreiben können. Der Wert von banalen Massentexten für die Verwerter dürfte sich daher in Grenzen halten.  

Wie ist insgesamt Ihr Eindruck: Sieht die Politik derzeit eher die Chancen oder die Risiken von Künstlicher Intelligenz?

Allgemein wird seit einigen Jahren doch viel über Chancen geredet. Aber wenn es konkret wird, wie beim möglichen Nutzen von Tracing-Apps gegen Corona, dominiert doch oft die Angst, der Datenschutz könnte leiden oder die Systeme würden unfaire Entscheidungen treffen. Was es bedeutet, auf Technologie zu verzichten, oder wie systematisch unfair oft Menschen entscheiden, wird dann leider oft nicht mitdiskutiert. Wir sollten uns endlich gründlicher und unideologischer fragen: Was kann Technologie? Was kann sie nicht? Und wie setzten wir sie ein, dass sie viel nützt und wenig schadet?  

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Wie weit ist der Weg in die positive postdigitale Zukunft, die Sie in Ihrem Buch beschreiben, noch?

In meinem Buch beschreibe ich ein optimistisches Szenario, wie wir in Europa im Jahr 2030 KI-Systeme so einsetzen, dass sie Wohlstand für alle mehren, Demokratie fördern und individuelle und kollektive Entscheidungsfindung verbessern. Der Weg dorthin ist weit. Aber wir können ihn gehen, wenn wir uns dafür entscheiden, digitale Systeme als Werkzeuge der individuellen und gemeinschaftlichen Emanzipation einzusetzen, und sie nicht den Autokraten überlassen. Die zeigen ja gerade in vielen Ländern, wofür sich KI ebenfalls sehr gut eignet: zur Überwachung, zur Manipulation und zum Aufbau digitaler Diktaturen.  

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